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— „Was hast denn du alleweil zum Neden beim Stallausmisten?"

— „Mei Roll sag i aus, — i spuil heint Abend a Lerzogin!"

Bauerntheater

Die Brieftasche

„Für sogenannte Belastungsproben ist die Ehrlichkeit
heutzutage ein wenig geeignetes Objekt," sprach der junge
Pinzinger. „Das heißt: Objekt ist eigentlich nicht das
richtige Wort, da es sich ja um einen abstrakten Begriff

handelt, aber immerhin-na ja, Sie wissen schon, was

ich meine. Melleicht kann man sogar Objekt sagen, — ich
habe aber keine Lust, weiter darüber nachzudenken Wenn
Sie wüßten, wie mir der Schädel brummt! War das wieder
mal eine Nacht im Klub! Der viele Sekt und die verdammt
vielen Zigaretten und das blödsinnig viele Pech beim
Pokern! Mit dem Sekt und dem vielen Rauchen wär's
ja nicht so schlimm gewesen, aber noch das Pech dazu, —
das zusammen vertrage ich nun einmal nicht. Es muß an
meiner Konstitution liegen. Wenn ich so eine httbsche, nette
Summe gewonnen habe, dann macht mir alles andere
nichts, aber — ja, wovon sprach ich doch? Ach so, von
der Ehrlichkeit.

Ia, ich habe also die Erfahrung gemacht, daß im
allgemeinen die Ehrlichkeit während der vierundzwanzig
Stunden des Tages ziemlichen Schwankungen unterworfen
ist, grade so wie das Fieber. Wenn es anfängt, dunkel zu
werden, dann läßt sie nach. Das heißt: ich glaube, ein Fieber
steigt dann gewöhnlich grade, — aber das kann ich jetzt nicht
so genau überlegen, weil mir doch der Schädel so brummt.
Ie weiter die Nacht fortschreitet, desto schwächer wird die
Ehrlichkeit. Blos deshalb ist mir die Geschichte mit meiner
Brieftasche passiert, — am hellen, lichten Tage wäre das
ganz unmöglich gewesen. Es war aber so zwischen zwei und
drei !lhr in der Nacht. Da kam ich nämlich vom Klub
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nach Lause, — in einem Auto, das ich glücklicherweise
erwischt hatte. Das war das einzige Glück, das ich in
dieser Nacht hatte.

Za, ich steige also vor meinem Äause aus. Die Straße
ist ganz leer, kein Mensch ist zu sehn. „Zweiundfuffzig
Mark!" sagt der Chauffeur oder vielmehr: er schreit es, —
weil der Motor so rattert, denn der Mann will ja gleich
wieder weiter. „Zweiundfünfzig Mark?" sage ich. „Ra
schön, — aber dann seien Sie doch erst mal so gut und
leuchten Sie mir ein bißchen! Mir ist nämlich eben meine
Brieftasche da in Ihrem Wagen hingefallen, — ich weiß
nicht, ob sie auf dem Sitz liegt oder auf dem Boden. Sie
werden ja wohl ein paar Zündhölzer haben."

Ia, und nun stellenSie sich vor: kaum habe ich das gesagt,
was tut da der Kerl, der Chauffeur? Er fährt einfach los,
— einen ordentlichen Satz macht der Wagen, und dann
fliegt er auch schon die Straße entlang und ist gleich um
die nächste Ecke verschwunden."

Das Erlebnis des jungen Pinzinger erregt Kopf-
schütteln. „Donnerwetter! Und wieviel war denn in der
Brieftasche drin?"

„In welcher Brieftasche?"

„Na, die im Auto lag, — mit der der Chauffeur
durchging."

„Ach Ansiun, es lag ja gar keine Brieftasche im Auto,"
sagt da der junge Pinzinger. „Das war mir nur grade
so eingefallen. Warum hätte ich denn überhaupt meine
Brieftasche 'rausziehn sollen? Da hatte ich ja nichts mehr
drin, aber auch nicht einen Pfennig mehr, — ich hatte ja
alles verspielt." -vn.

Sopyright lNI by I. ff. Schreibcr
 
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