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Iräulein Dlga Schrill,

Herr Direktor Brüll,

Die machen einen Heidenlärm
Schon ganz geraume Zeit.

Ihr Soprangestöhn,

Unö sein Baßgeöröhn,

Das geht öurch Nark unö öurch Geöärm
— Im Dienste öer Wohltätigkeit!

Unö öem Publikum
Wirö es balö ;u öumm,

Wie er unö sie öaneben singt,

Es tut sich selber leiö.

Doch man sitzt unö stiert,

Da man resigniert

Mit Gähnen unö öem Schlafe ringt

— 2m Dienste öer Wohltätigkeitl

Ha — öer letzte Ton,

Da erhebt sich schon
Lin öonnernöes Applausgebraus.
Dem Künstlerpaar geweiht.

Unö man gratuliert
Unö ist enflammiert,

Lügt unverschämt von „Dhrenschmaus"

— 2m Dienste öer Wohltätigkeitl z

Die Stubensonne

Es war so Anfangs September. Die Tage
waren trüb und kühl, das Wetter unfreundlich. Nach
heißen Sommermonaten wurde die erste Sehnsucht
wach nach einem warmen Ofen. And zugleich drängte
sich die Besorgnis auf, daß diese Sehnsucht sich doch
nur unvollkommen erfüllen möchte. !lnd während so
in der Morgenkühle Sehnsucht und Besorgnis in
mir rangen, stand ich plötzlich vor den Schaufenstern
eines großen Warenhauses. And als wenn just ein
gütiges Schicksal mich hierher geführt hätte, las ich
auf Niesenplakaten, die an den Schaufenstern klebten:
„Die Kohlennot ist zu Ende! Anser Radio-Elektro-
Neflektor ersetzt Kohle und Lolz, Ofen und Dampf-
heizung! Einsachste Landhabung! Mittels Stcck-
Kontakt an jede elektrische Leitung anzuschließsn!
Für fünfhundert Mark zaubern Sie die Wärme
des Südens in die kühlste Wohnung! Nur fünf-
hundert Mark kostet unsere .Stubensonne' mit aus-
wechselbarer Spule von garantiert tausend Stunden
Brenndauer!"

Ich staunte mit laienhafter Ehrfurcht über unsere
ingeniöse Technik. Sogar die Sonne kann man sich
schon kausen! Für lumpige sünfhundert Mark!
llnsere Elektrizitäts-Induftrie fängt an, mit dem
Weltenschöpser zu konkurrieren! Wie lange wird's
noch anstehen, dann können stch unsere Schieber-
millionäre auch Regen und Schneefall, Mitternachts-
sonne und Donnerwetter kaufen und vielleicht sogar
szagelkatastrophcn, um die Getreidepreise künstlich in
die Löhe zu treiben. Stubensonne! Das war keine
schlechte Idee! Wie wär's, wenn ich eine erstände
und meine Frau damit zu Weihnachten überraschte.
Dann wär' aller Brennstoffmangel mit einem Schlag
zu Ende! Aeberküme einen in kalter Winterzeit die
Sehnsucht nach dem Süden, so brauchte man nur
seine Stubensonne einzuschalten und könnte sich an
der Niviera glauben, auch wenn man im Schlafrock
auf dem Kanapee saß. Stellte man noch eine
Zimmerpalme ncben das Kanapee, dann war's nicht
viel anders, wie im Kasinopark von Monte Carlo.
Wozu noch kostspielig in die Ferne schweifen, wenn
die billige Stubensonne so nahe war? Ich kaufte
also ein Stück Stubensonne für fünfhundert Mark
und versteckle es sorgfältig im Geldschrank, denn die
Sonne sollte für meine Frau cine Weihnachtsüber-
raschung werden. Das war doch mal was anders.
Eonnen sind lein gewöhnliches Weihnachlsgeschenk.

Der Weihnachtsabend kam. Welche Aeber-
raschung, als unter dem Lichterbaum meine Stuben-
sonne schien! Des Staunens und Iubelns war kein
Ende! Meine Frau schloß mich in der Stubcn-
sonnenhitze immer wieder in ihre Arme, bei Sommer-
hitze hätte sie das nie getan. Wir führten Tänze
und Reigen um den Apparat auf: es war der reinste
Sonnenkult. Abends am Familientisch nahmen wir
Sonnenbäder; wollten wir den Sonntag nachmittag
zur Abwechslung statt im Englischen Garten an der
Riviera zubringen, so rückten wir die Zimmerpalme
heran und schalteten unsere Stubensonne ein. Wollten
wir gar in Acgypten sein, dann setzten wir uns ein-
fach ganz nahe um unsere Sonne herum. War
Nachts über das Waffer in der Waschschüffel ge-
froren, dann leuchteten wir einfach am Morgen mit
unserer Sonne hinein. Kanr ich mit gesrorener Zehe

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Copyrlght 1922 by 2. F. Schreibcr
 
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