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— „Äier in dem Kurort stirbt man ja vor Langweile!"

— „Das wird wohl die hiesige Leilmethode sein."

Wenn jemand elne Wvhnung sucht ....

Schreibkräfte leisteten auch elwas siir ihre !lnterbri»gung:
Sie hatten am Tor einen großen Pappendeckel aiigebracht
und eigenhändig — in Erkenntlichkeit sür ihre soziale
Ankerbringung — darauf geschrieben: „Iungverheiratete
Eheleute haben keinen Anspruch auf Wohnungs - Zuwei-
sung." Das war sehr richtig gewesen, aus Gründen der
Personalbeschränkung. Denn die Sorge für die Iung-
verheirateten hätte noch ein paar hundert Schreibkräfte
erfordert. Fridolin aber war mit dieser Personalbeschrän-
kung nicht gedient; er stand vor dem Tor, ein reiner Tor,
der nicht ein noch aus wußte. So ging er denn zu Babette,
und sie beweinten gemeinsam ihre Obdachlosigkeit, bis Mutter
Sabine sie aufklärte, daß durch Sentimentalität nie eine
Wohnung aufzutreiben sei. !Ind als Fridolin tränenumflort
fragte: „Wodurch dann?" bekam er zur Antwort: „Durch
'nen Schieber." Fridolin ging also, von Loffnung neu ge-
schwellt, zum Schieber, denn dieser ist heutzutage die einzige
soziale Einrichtung, die das obdachlose Bolk mit Wohnungen
versorgt. An dcs Schiebers Tür stand kein so sorgfältig
bemaltes Plakat wie am Wohnungsamt; denn der hatte
keine überflüjsigen Schreibkräfte. Fridolin trat ein, voller
Lebensmut. Er ward empsangen wie ein König, der Gnaden
austeilt, nicht wie ein Bettler, der um Almosen stammelt.

Er wurde in ein Klubsofa gebettet, nahm herzliche Glück-
wünsche zu seiner Vermählung entgegen, bekam eineLavanna
angeboken und gestand sich innerlich in aufrichtigster Aeber-
zeugung: „Der Mann ist eine soziale Einrichtung!" !lnd
dann wurde er nach seinen Wünschen gefragt: Ob er Lift
haben wolle, Dampfheizung, Warmwasserleitung, Einheits-
lttche. Fridolin glaubte im Paradiese zu sein. Mo auf
Erden hätte er durch Vermittlung des Wohnungsamtes
Lift und Warmwaffcrleitung finden können. selbst wenn er
Methusalem übcrdauert hätte? !Ind Methusalem wäre über-
haupt nicht so alt geworden, wenn cr mit dem Wohnungs-
amt zu tun gehabt hätte. Also, Fridolin glaubte das Para-
dies vor sich zu sehen, und er wollte es mit allen para-
diesischen Einrichkungen: Lift, Warmwasser und Einheits-
küche. Bescheiden beanspruchte der freundliche Engel, der
ihm die paradiesischen Pforten öffnen wollte, nur zwei-
tausend Mark für die Vermittlung. Zweitausend Mark
für ein Paradies in der hentigen Zeit! Lat es nicht schon
viele teuere Zeiten gegeben, wo man ein Lsönigreich für
cin Pferd zahlte? Zweitaulend Mark! Ein Engel von
wahrhait himmlischcr Bescheidenheit. Vor Glück zitternd
fragte Fridolin, wann er das verheißene Paradies belreten
könne. In sechs oder acht Wochen, aber wenn es beiondere
Eile habe, auch gleich. Wer hätte nicht Cile, ins Paradies zu

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