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Wenn jemand etne Wohnung sucht. . .

Babcttens Giück dauerte nur acht Tage; denn
dann kam ein Beamter vom Wohnungsamt
und beschlagnahmte das Paradies. And es
wiederholte sich die gleiche traurige Geschichte,
die schon den ersten Menschen passiert war
Da Fridolin und Babelte sich weigerten, das
Paradies zu verlassen, holte der soziale Woh-
nungsbeamte einen Schutzmann, der sie daraus
vertrieb. Zwar nicht mit flammendem Schwert,
dafür halte er einen geladenen Revolver bei stch.

Adam und Eva hatten es besser gehabt
als Fridolin und Babette. Nach ihrer Ver°
treibung aus dem Paradies konnten sie in
Nuhe auf Erden leben, keine Obrigkeit be°
helligte ste mehr. Damals war die Erde er°
freulicherweise noch nicht bürokratisiert. Fri-
dolin und Babetten ging's aber nach der Ver-
treibung aus dem Paradies erst recht schlecht,
denn der Bürokratismus hat seit Adams und
Evas Tagen merklich zugenommen. Die hohe
Obrigkeit, die immer beschäftigt sein will,
machte, damit keine Pause in ihrer Tätigkeit
eintrat, auch Fridolin und Babetten und zwar
keinen kurzen Prozeß. Als ob die beiden nicht
durch die Vertreibung aus dem Paradics schon
genug gestraft gewesen wären! Fridolin ver
teidigte sich wie ein Löwe, was aber bekannt-
lich Behörden gegenüber nichts hilft. Er sagte in
seiner Verteidigungsrede u. a., daß es das
Wohnungsamt doch eigentlich nur ihm und dem
Schieber zu danken habe, wenn es endlich eine
leere Wohnung gefunden hatte. Darauf er-
widerte der Wohnungsbeamte nichts; Fridolin
scheint aiso doch nicht ganz so unrecht gehabt
zu haben. Lekuba

Ernüchtert Z im merherr: „Tag und Nacht stnd Sie mein einziger

Gedanke, Fräulein Else!" — „Das scheint mir auch so!
Leute ist schon der,drittck, und Sie haben den Mietzins noch nicht bezahlt!"

Die rauhe Wirklichkeit

— „Ach, Liebste, wir wollen immer recht die Einsamkeit
lieben und uns nie nach Menschen sehnen."

— „Aber lieber Oskar, bedenke doch: wir sollen doch
einmal meines Vaters Lotel übernehmen."

Tante Milli strickt

Tante Milli strickt. Es ist mir nicht bekannt, daß Tante
Milli jemals elwas anderes getan hätte. Als ich vier Iahre
alt war, als ich zehn Iahre alt war, als ich dreißig Iahre
alt war, — Tante Milli strickte immer, immer. Wo sie nur
die Slrümpfe alle hinbringt! Ihr Laus muß bald bersten
vor Strümpfen. Seit einigen Iahren strickt sie freilich
immer an demselben Slrumpf. Sie strickt ihn fertig und
zieht ihn dann wieder auf — weil die Wolle so teuer ist.

Ihre fünf Skricknadeln aus Stahl sind ganz ausgehöhlt-
Natürlich I Denn als ich ein ganz kleiner Iunge war, strickte
sie schon damit, ja sie strickte schon zwanzig Iahre vorher,
als ich noch gar nicht da war. Sie strickt ununterbrochen
seit dem II. Dezember 1870 bis jeht. Immer mit denselben
Nadeln! Da sollen sie wohl ausgehöhlt seinl Wenn Tante
Milli sie nicht so sorglich behandelte, wären sie in dieser
Zeit schon längst zu Eisenfeilspänen geworden. Sie sind
übrigens gar nicht praktisch, diese krummen Nadeln, aber
Tante Milli kann sich nicht von ihnen trennen. Aus Pietät.
Sie müssen ihr wohl irgend ein Symbol sein: für Arbeit,
Pflichterfüllung. Oder eine Erinnerung an ihre Iugend,
die ja damit ausgefüllt war, den Anfang mit der Verheerung

der Stricknadeln zu machen. Aber ich weiß nicht, ob sie an
so etwas denkt. Sie denkt, wie ich fürchte, nicht allzuviel.
Vielleicht zu ihrem Glück!

Also sie strickt seit dem II. Dezember 1870. An diesem
Tage nämlich — sie war 14 Tage alt — überlegte sie stch,
was sie ihrer Mutter zu Weihnachten schenken sollte. Da
sie gerade in der Schule stricken gelernt hatte, strickte ste in
aller Eile ein Paar Strllmpfe. Vielmehr, sie wollte es, denn
diese Strümpfe sind damals nicht fertig geworden, weil ste
zu groß angelegt waren: auf etwa 1,20 Meter, und durch
und durch aus Wolle und noch dazu ans rosaroter wegen
der Feierlichkeit. Es braucht kaum gesagt zu werden, daß
diese Arbeit bis Weihnachten nicht sertig werden konnte.
So schenkte sie denn den einen Füßling. Der wurde später
aufgezogen und gab ein Paar Pulswärmer, die sich heut-
zutage noch in der Familie befinden. Von dieser Zeit her
datiert Tante Millis Leidenschaft fllrs Stricken, die ihre
einzige geblieben ist.

Als sich einmal ein junger Mann für Milli interessierte
— ich war damals noch nicht auf der Welt, aber es hat
von jeher junge Leute gegeben, die sich interessierten —
war sie keinen Augenblick zu bewegen, das Strickzeug aus
der Land zu legen. Nun, der junge Mann war nicht so
und nahm ihr das nicht übel. Wie es aber öfter zu ge°
schehen Pflegt, machte er ihr eines Tages ein Geständnis.
Tante Milli wollte gerade sagen, daß er sie lieben dürfe,
da wollte es das Anglück, daß sie eine Masche verlor.
Darüber vergaß sie im Moment den Antrag völlig, was
den jungen Mann nicht gerade aufmunterte. Er war zwar

SS
 
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