Der mechanische
König
Llstorische Llizze von I. Frank
Das Volk brauste. Es
wollte keinen Tyrannen
mehr. Es wollte Rechte und
Freiheit. And der dritte
Stand schwor im Ballspiel-
haus, sich nicht zu trennen,
bis er dem geknechteten
Lande eine Verfaffung ge-
geben. Abbs Sieyös und
Mirabeau sprachen große
Worte. Aber der König
widerstrebte, noch glaubte
er König zu sein, befehlen
zu können und gehorcht zu
sehen. Was half Wider-
stand eines schwach gewor-
denen Mächtigen gegen die
entschlossene Kraft des Vol-
kes? Er mußte nachgeben,
und die verfassunggebende
Versammlung setzte sich zu-
sammen, Volksfreiheiten zu
sanklionieren, Königsmacht
zu ziigeln. Ein konstitutio-
neller König sollte in Zu-
kunft inFrankreich regieren,
ein König von des Volkes
Gnaden; das Volk sollte
hinfort herrschen.derKönig
nur seinen Namen fetzen
unter das, was das Volk
beschlossen, der König nur
sein Iawort sprechen zu den
Gesetzen, die das Volk gegeben. Durch die Skraßen von
Paris geht das neue Evangelium der Volksfreiheit, auf
allen Märkten, in allen Kncipen feiert man die Thron-
besteigung des Voikcs. And das Volk gefällt stch in seiner
neuen Lerrscherrolle, sein Lerz weitet sich zu Großmut. Da
es selbst herrscht, soll auch der König ein wenig mittun
dllrfen. Warum auch nicht? Auch der König muß eine
kleine Beschäftigung haben dafiir, daß er bezahlt wird wie
irgend ein anderer Staatsbeamter. Wofllr hat er schreiben
gelenit, wenn er nicht unterschreiben soüte, was wir,
das Volk beschlossen haben? !l»d mit dem Kopf nicken
darf er auch; wir sind großmtttig, uns kommt es auf eine
Kleinigkeit nickt an. Ia-
wohl er soll auch mit dem
Kopfe nicken dürfen, wenn
wir zu etwas ja gesagt
haben.
Meister Durand, dcr
Llhren fertigt, Spieldosen
und sonst zierliche Mecha-
nismen, sitzt alltäglich in
der schmutzigen Kneipe, wo
dieMarktweiberderLallen
ihren Remgewinn aus Arti-
schoken und Leringen in
begeisterndcn Fusel um-
sehen, und hört die hitzigen
Riden der politisterenden
Marktschönheiten. Llnter-
schreiben soll der König
nur dllrfen und „ja" nicken,
braucht man hiezu über-
haupt einen lebendigen
König? fragt sich der !lhr-
macher, schreibt nicktt auch
die !lhr die Sttmden, und
tritt nicht auch Gevatter
Tod beim Zwölfuhrschlag
aus dem Gehäuse und nickt
zwölfmal gefällig sein Ge-
währen, daß ein neuer Tag
beginne? Braucht man da-
zu einen lebendigen König?
.... !lnd er geht nach
Lause und setzt sich hin
und zeichnet, zeichnet Räd-
chen und Kolben, Federn
und Gewinde, entwirft das
ührwerk zu einem mechanischen König. Ein Meisterwerk
muß es werden; denn es ist ja auch eine Meisteridee, einen
K>pnig zu schoffeu, den man nur aufzuziehen braucht, damit
er seine majestätischen Funktionen erledigt. Ein kompliziertes
Meisterwerk füiwahr; denn wahrlich, es ist nicht leicht, einen
mechanischen König dazu zubringen, Dokumente zu unter-
schreiben und entgegenkommeiid zu nicken. Dazu gehört
sich ein König mit gar seinem Räderwerk, mit vollendeter
Mechanik. !lnd dann geht er ans Konstruieren. Welch
mllhsame, langwierige, ewige Arbeitl Tage und Monate
vergehen, bis all das Material gegosscn und geglätlet, bis
die Rädchen hergerichtet, die Zähne gesckmitten und gefeilt,
die Abstände gemessen und abgezirkelt,
Monate vergehen. !lnd Durand arbeitet
fieberhaft vom Morgengrauen bis zum
Nachtdunkel und sitzt oft noch am Kamin-
feuer und zirkelt und feilt. Selbst dem
Fusel der Lallenkneipe hat er cntsagt
unv den hochpolitischen Branntweinreden
der Marklweiber. Iemand, der eine
große Idee verwirklichen will, darf keine
Ruhe, keineRast, keineMlldigkeit kennen.
Er hat sich einmal vorgenommen, Frank-
reich vom lebendigen Königtum zu erlösen,
Frankreich zum wahrhaft freien Staat zu
machen, der nur noch durch einen Me-
chanismus regiert wird. !lnd er steht sich
schon im Geiste gefeiert vom ganzen
Volk als der große Tyrannenbefreier.
tFortsetzung auf Seite I8Z>
Wenn einer eine Neise tut.. -,,Schrecklich,zu denken,daß meinOnkelin
Berlin jeykauch schon an derSperre steht!"
— „Sie haben den jungen Leuten die Küchen-
benutzung einräumen miissen, Frau Schnase,
das ist aber doch sehr lästig."
— „Nun ja, aber auch sehr üttereffant, — die
junge Frau kann ja noch gar nicht kochen."
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König
Llstorische Llizze von I. Frank
Das Volk brauste. Es
wollte keinen Tyrannen
mehr. Es wollte Rechte und
Freiheit. And der dritte
Stand schwor im Ballspiel-
haus, sich nicht zu trennen,
bis er dem geknechteten
Lande eine Verfaffung ge-
geben. Abbs Sieyös und
Mirabeau sprachen große
Worte. Aber der König
widerstrebte, noch glaubte
er König zu sein, befehlen
zu können und gehorcht zu
sehen. Was half Wider-
stand eines schwach gewor-
denen Mächtigen gegen die
entschlossene Kraft des Vol-
kes? Er mußte nachgeben,
und die verfassunggebende
Versammlung setzte sich zu-
sammen, Volksfreiheiten zu
sanklionieren, Königsmacht
zu ziigeln. Ein konstitutio-
neller König sollte in Zu-
kunft inFrankreich regieren,
ein König von des Volkes
Gnaden; das Volk sollte
hinfort herrschen.derKönig
nur seinen Namen fetzen
unter das, was das Volk
beschlossen, der König nur
sein Iawort sprechen zu den
Gesetzen, die das Volk gegeben. Durch die Skraßen von
Paris geht das neue Evangelium der Volksfreiheit, auf
allen Märkten, in allen Kncipen feiert man die Thron-
besteigung des Voikcs. And das Volk gefällt stch in seiner
neuen Lerrscherrolle, sein Lerz weitet sich zu Großmut. Da
es selbst herrscht, soll auch der König ein wenig mittun
dllrfen. Warum auch nicht? Auch der König muß eine
kleine Beschäftigung haben dafiir, daß er bezahlt wird wie
irgend ein anderer Staatsbeamter. Wofllr hat er schreiben
gelenit, wenn er nicht unterschreiben soüte, was wir,
das Volk beschlossen haben? !l»d mit dem Kopf nicken
darf er auch; wir sind großmtttig, uns kommt es auf eine
Kleinigkeit nickt an. Ia-
wohl er soll auch mit dem
Kopfe nicken dürfen, wenn
wir zu etwas ja gesagt
haben.
Meister Durand, dcr
Llhren fertigt, Spieldosen
und sonst zierliche Mecha-
nismen, sitzt alltäglich in
der schmutzigen Kneipe, wo
dieMarktweiberderLallen
ihren Remgewinn aus Arti-
schoken und Leringen in
begeisterndcn Fusel um-
sehen, und hört die hitzigen
Riden der politisterenden
Marktschönheiten. Llnter-
schreiben soll der König
nur dllrfen und „ja" nicken,
braucht man hiezu über-
haupt einen lebendigen
König? fragt sich der !lhr-
macher, schreibt nicktt auch
die !lhr die Sttmden, und
tritt nicht auch Gevatter
Tod beim Zwölfuhrschlag
aus dem Gehäuse und nickt
zwölfmal gefällig sein Ge-
währen, daß ein neuer Tag
beginne? Braucht man da-
zu einen lebendigen König?
.... !lnd er geht nach
Lause und setzt sich hin
und zeichnet, zeichnet Räd-
chen und Kolben, Federn
und Gewinde, entwirft das
ührwerk zu einem mechanischen König. Ein Meisterwerk
muß es werden; denn es ist ja auch eine Meisteridee, einen
K>pnig zu schoffeu, den man nur aufzuziehen braucht, damit
er seine majestätischen Funktionen erledigt. Ein kompliziertes
Meisterwerk füiwahr; denn wahrlich, es ist nicht leicht, einen
mechanischen König dazu zubringen, Dokumente zu unter-
schreiben und entgegenkommeiid zu nicken. Dazu gehört
sich ein König mit gar seinem Räderwerk, mit vollendeter
Mechanik. !lnd dann geht er ans Konstruieren. Welch
mllhsame, langwierige, ewige Arbeitl Tage und Monate
vergehen, bis all das Material gegosscn und geglätlet, bis
die Rädchen hergerichtet, die Zähne gesckmitten und gefeilt,
die Abstände gemessen und abgezirkelt,
Monate vergehen. !lnd Durand arbeitet
fieberhaft vom Morgengrauen bis zum
Nachtdunkel und sitzt oft noch am Kamin-
feuer und zirkelt und feilt. Selbst dem
Fusel der Lallenkneipe hat er cntsagt
unv den hochpolitischen Branntweinreden
der Marklweiber. Iemand, der eine
große Idee verwirklichen will, darf keine
Ruhe, keineRast, keineMlldigkeit kennen.
Er hat sich einmal vorgenommen, Frank-
reich vom lebendigen Königtum zu erlösen,
Frankreich zum wahrhaft freien Staat zu
machen, der nur noch durch einen Me-
chanismus regiert wird. !lnd er steht sich
schon im Geiste gefeiert vom ganzen
Volk als der große Tyrannenbefreier.
tFortsetzung auf Seite I8Z>
Wenn einer eine Neise tut.. -,,Schrecklich,zu denken,daß meinOnkelin
Berlin jeykauch schon an derSperre steht!"
— „Sie haben den jungen Leuten die Küchen-
benutzung einräumen miissen, Frau Schnase,
das ist aber doch sehr lästig."
— „Nun ja, aber auch sehr üttereffant, — die
junge Frau kann ja noch gar nicht kochen."
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