— „Nentieren tut sich ja der Karusselbetrieb nicht mehr gut, aber immer
noch besser als die Reichspost. Er ernährt doch wenigstens zwei Personen."
Das Panoptilum
jetzt doch fiel, immer noch um zwanzig Iahre jünger zu
erscheinen. Dazu waren Vorbereilungen nötig, die der
gute Oberst in der Tiefe seines Toilettenzimmers vor aller
Augen zu verbergen wußte. Weiß Gott, es wollte oft gar
nicht werden, daß der Schnurrbart die alte Form annahm,
und war es gelungen, so sank die martialische Pracht und
Lerrlichkeit, ach gar zu bald, wieder zu einem Ääuflein
grauer Fäden zusammen.
Eine Duellgeschichte hatte ihm seinerzeit den Abschied
gebracht. Seitdem beschäftigte er fich in Sillerfingen mit
dem Studium der Kriegsgeschichte und — der Astrologie.
Seine Zimmer hingen voll von Schlachtenplänen von Alex-
ander dem Großen her bis auf die Neuzeit, und was die
Wissenschaft der schicksalskündenden Sterne betraf, so mun-
kelte man, daß er nach den Sitzungen der Moselgesellschaft
oft noch stundenlang mit einem langen
Fernrohr die Gestirne beschaute. In
einem solchen Zustand sollte er sogar vor
Iahren einmal einen neucn Nebel entdeckt
haben. Böse Zungen behaupteten aller-
dings, daß er diesen Nebel aus der
Museumsgesellschaft mit nach Lause
genommen hätte. Iedenfalls stellte er
unter der Äand guten Vekannten auch
Loroskope. So paßte dcr Name „Wallen-
stein" denn wenigstens einigermaßen.
Oberst Lackelberg zeichnete immer
noch, und der junge Mann an seiner
Seite war respektvoll genug, den alten
Lerrn nicht darin zu stören. Der Re-
40
giernngsassessor Breiding, der erst vor kurzem in die Stadt
gekommen war, hatte am Mittag beim Oberst Besuch ge-
macht, war von ihm zum Mittagessen eingeladen worden
und konnte sich so der Pflicht, nun auch den Nachmittags-
spaziergang des alten Lerrn mitzumachen, nicht entziehen.
Ibn iiikeressierte der Sonderling, und der Oberst seinerseits
fand Gefallen an seinem Besucher.
„Lätten nur die Römer," suhr der Oberst jeht aus
und glättete mit dem Fuß seine Zeichnung, „bei Cannä 216,
— Sie wissen doch! — nur eine Legion in Neserve gestellt!
Die bewaldeten !lfer des Aufidus boten dazu die schönste
Gelegenheit. Nie, nie wäre es löannibal gelungcn, die
Niederlage so vernichtend zu gestalten!"
„Wie wäre es," sagte der Assessor, um von dem Thema,
in dem er sich nicht allzu stark fühlte, abzulommen, „wenn
Sie darüber im Museum einmal einen Vortrag —"
„Mein lieber Assessor," wehrte der
Oberst ab, „dafür hat man in der Mu-
seumsgesellschast keinen Sinn. Aber
wenn Sie sich interessieren —"
„A propos Museumsgesellschaft,"
lenkte der Assessor ab, „hier habe ich
immer nur den Namen Panoptikum
gehört."
„Das kann ich Ihnen erklären," sagte
der Oberst, „der Name stainmt nämlich
von mir. Die Sache ist vor etwa fünf-
zehn Iahren passiert. Ich habe zwar
dabei eine etwas lächerliche Rolle ge-
spielt, aber dafür hat die Museums-
gesellschaft auch ihren Spitznamen weg.
Verrauscht
Uun sind öie lehten Liebespfänder
kNit kühleni Gruß zuaückgetauscht,
Zerschnittcn all' üie zarten Bänöer,
Die süßen Lieder all' verrauscht.
Verglüht üie fiainmenheißen WunLen,
Der Äüsse rote Seligkeitl
Nur Lines noch hält uns verbunden:
Die alte Schuld, üas alte Leiü!
Reinhard volker
noch besser als die Reichspost. Er ernährt doch wenigstens zwei Personen."
Das Panoptilum
jetzt doch fiel, immer noch um zwanzig Iahre jünger zu
erscheinen. Dazu waren Vorbereilungen nötig, die der
gute Oberst in der Tiefe seines Toilettenzimmers vor aller
Augen zu verbergen wußte. Weiß Gott, es wollte oft gar
nicht werden, daß der Schnurrbart die alte Form annahm,
und war es gelungen, so sank die martialische Pracht und
Lerrlichkeit, ach gar zu bald, wieder zu einem Ääuflein
grauer Fäden zusammen.
Eine Duellgeschichte hatte ihm seinerzeit den Abschied
gebracht. Seitdem beschäftigte er fich in Sillerfingen mit
dem Studium der Kriegsgeschichte und — der Astrologie.
Seine Zimmer hingen voll von Schlachtenplänen von Alex-
ander dem Großen her bis auf die Neuzeit, und was die
Wissenschaft der schicksalskündenden Sterne betraf, so mun-
kelte man, daß er nach den Sitzungen der Moselgesellschaft
oft noch stundenlang mit einem langen
Fernrohr die Gestirne beschaute. In
einem solchen Zustand sollte er sogar vor
Iahren einmal einen neucn Nebel entdeckt
haben. Böse Zungen behaupteten aller-
dings, daß er diesen Nebel aus der
Museumsgesellschaft mit nach Lause
genommen hätte. Iedenfalls stellte er
unter der Äand guten Vekannten auch
Loroskope. So paßte dcr Name „Wallen-
stein" denn wenigstens einigermaßen.
Oberst Lackelberg zeichnete immer
noch, und der junge Mann an seiner
Seite war respektvoll genug, den alten
Lerrn nicht darin zu stören. Der Re-
40
giernngsassessor Breiding, der erst vor kurzem in die Stadt
gekommen war, hatte am Mittag beim Oberst Besuch ge-
macht, war von ihm zum Mittagessen eingeladen worden
und konnte sich so der Pflicht, nun auch den Nachmittags-
spaziergang des alten Lerrn mitzumachen, nicht entziehen.
Ibn iiikeressierte der Sonderling, und der Oberst seinerseits
fand Gefallen an seinem Besucher.
„Lätten nur die Römer," suhr der Oberst jeht aus
und glättete mit dem Fuß seine Zeichnung, „bei Cannä 216,
— Sie wissen doch! — nur eine Legion in Neserve gestellt!
Die bewaldeten !lfer des Aufidus boten dazu die schönste
Gelegenheit. Nie, nie wäre es löannibal gelungcn, die
Niederlage so vernichtend zu gestalten!"
„Wie wäre es," sagte der Assessor, um von dem Thema,
in dem er sich nicht allzu stark fühlte, abzulommen, „wenn
Sie darüber im Museum einmal einen Vortrag —"
„Mein lieber Assessor," wehrte der
Oberst ab, „dafür hat man in der Mu-
seumsgesellschast keinen Sinn. Aber
wenn Sie sich interessieren —"
„A propos Museumsgesellschaft,"
lenkte der Assessor ab, „hier habe ich
immer nur den Namen Panoptikum
gehört."
„Das kann ich Ihnen erklären," sagte
der Oberst, „der Name stainmt nämlich
von mir. Die Sache ist vor etwa fünf-
zehn Iahren passiert. Ich habe zwar
dabei eine etwas lächerliche Rolle ge-
spielt, aber dafür hat die Museums-
gesellschaft auch ihren Spitznamen weg.
Verrauscht
Uun sind öie lehten Liebespfänder
kNit kühleni Gruß zuaückgetauscht,
Zerschnittcn all' üie zarten Bänöer,
Die süßen Lieder all' verrauscht.
Verglüht üie fiainmenheißen WunLen,
Der Äüsse rote Seligkeitl
Nur Lines noch hält uns verbunden:
Die alte Schuld, üas alte Leiü!
Reinhard volker