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Das lahmgelcgte Fortcpiano

mcnierten erst nocheinige Zeit vor demLause aufund ab, Arm
in Arm, welche äußerliche Verkettung, wie wohl zu ersehen, eher
inzeitweiligen Umständen, als einer besonderen inneren Zusam-
mengehörigkeit begründet sein mochte. Der eine, sehr klein und

hager, mit lief reichendem schwarzem Laar und starken, buschi-
gen, fast zusammengewachsenen Augenbrauen, die ein seltsames
Spiel des unaufhörlich grimassierenden Gesichts wirksam be-
gleitetcn, war der srühere preußische Regierungsrat Äoff-
mann, unlängst noch Musikdirektor des Bamberger Theaters,
nun aber von dem Theaterdirektor Seconda nach Dresden
engagiert, wohin er demnächst abzureisen gedachte. Der
andere, robust und etwas schwerfällig, mit gerötetem Ant-
iitz, aus dem ein Paar kleiner Aeuglein etwas renommistisch
iüinkten, war der Bamberger Weinhändler Karl Friedrich
^unz. Kerr Kunz war ein schätzenswerter, sciner vorzüg-
iichen Sorten wegen sehr zu lobender Weinhändler, aber
er liebte es auch, den Mann von vielseitigen geistigen Inter-
effen hervorzukehren. Daß diese Intereffen, wenn möglich,
auch gewinnbringend sein sollten, hing wieder mit seiner
Rührigkeit als Geschäftsmann zusammen. So hatte er ein
--Leseinstitut" in Bamberg aufgetan und wollte nun auch
einen Verlagshandel begründen, deffen Grundstock einige
Bücher des Musikdirektors Loffmann bilden sollten, die
dieser, nach einem bereits glücklichen Anfange in littsriL, ihm
zu schreiben versprochen. Leute nun, am 18. März 1813,
war der Verlagsvertrag schriftlich niedergelegt worden.
Das war nicht so cinfach gewesen, denn der Autor, obschon
^igentlich Iurist, hatte dcm Dokument durchaus eine heitcre,
stark ins Ironische spielende Note geben wollen. Dagegen
hatte sich Kunz gewehrt, abcr es war dann immerhin auf
mittlerer Basis ein nicht zu nüchtern geschäftliches, recht
lwfälliges Opusculum entstanden, das der Weihe durch
einige Voulcillen von Kunzens bestem Rüdesheimer, echtem
^er, wohl wcrt gewesen war. Daher die Verspätung der
beiden zu der Gesellschaft der Konsulin Mark.

Aber auch jetzt noch wollte Loffmann nicht ins Laus
tretcn. Er zog den Weinhändler, Lesefreund und an-
gehendcn Verleger hin und her und wollte ihn schließlich
gar zur Amkehr bewegen. „Einkehren in dies Laus," rief
^r, „nachdem der einzige verehrungswürdige Gegenstand,
bie holpx Iulia, daraus für immer cntschwunden? Zuhören
ber verdrießlichen Ohrenpein, die sie da jeht anstcllen werden,
^ährend der einzigen, die dort zu singen wutzte, an der
^rite des konfiszierten Kerls von Gemahl, dieses Monsieur
^iipel, inzwischen im fernen Lamburg wohl das Singen

vergangen sein wird? Sagen Sie selbst, Verehrungs-
würdiger: ginge das nicht über Menschenkräfte? And als
Introduktion zu aller Qual nun gar noch heuchlerisch die
Land lüssen der Alten, die um schnöden Mammonswillcn
verkuppelt hat das Götterkind, um sich selbst ein Plätzchen
zu schaffen sür später, wenn sie hierzulande elwa gar zu arg
belästigt werden sollte von übelwollenden, das Ihrige hei-
schenden Gläubigern? Einen solchen Landkuß, — können
Sie das von mir verlangen, Perle der Weinhändler und
aufstrebender junger Verleger?"

Kunz lachte. „Kommen Sie, Freund, — es wird ja
das letzte Mal sein; Sie können der Kosulin Ihre dcm-
nächstige Abreise nach Dresden anzeigen. !lnd sollte der
Abend gar zu erbärmlich werden, so könnten wir ja — —"
— bösen Nachwirkungen begegnen durch Ihren
vortreffnchen Chambertin," fiel Loffmann ein. „Auf diese
Aussicht bin ich gewillt, Erkleckliches über mich ergehen zu
laffen. Aber, bester Weinzahn, ich behalte mir vor, das
Zeichen zu geben zu schleuniger, unaufhaltsamer Flucht,
wenn elwa das Maß des Erträglichen gar zu horribel sollte
überschritten werden."

Loffmann und Kunz traten ein. Aber die Konsulin
Mark war gerade in Anspruch genommen, den negativen
Weltstreit zweier jungen Damen zu schlichten, von denen
jede der andern den Vortritt an das Fortepiano überlafsen
wollte, und so konnten die beiden späten Gäste nach einer
nur flüchtigen Begrüßung in ein kleines Zimmer neben dem
Saal verschwinden, wo sie den Medizinaldirektor Marcus
allein vorfanden. Er hatte sich von der Gesellschaft zurück-
gezogen, um eilig die eben mit der Post gekommene
„Bayreuther Zeitung" zu überfliegen, und wollte nun auf-
geregt von den zu vermutenden kriegerischen Vorgängen
in Sachsen erzählen, dessen König, wie es hieß, bereits am
25. des vorigen Monats seine Lauptstadt in eiliger Flucht
verlaffen hätte. Aber Loffmann wehrte heftig ab; er wollte
von Dingen, die seine Aebersiedelung nach Dresden stören
konnten, nichts hören, wenn es ihm sonst auch Behagen
bereitet hätte, den Medizinaldirektor in das Duo hinein-
schwatzen zu lassen, das jetzt die beiden jungen Damen an-
stimmten. Auf diesen Ausweg waren sie nämlich endlich

mit Lilfe dcr Konsulin verfallen, nachdem keine von ihnen
sich zuerst hatte allein produzieren wollen.

Der Weinhändler und Leseinstitutsbesitzer fand übrigens
Gefallen an der mustkabschen Darbietung, aber er bemühte
sich nachher zu dem zwar selbstverständlichen, aber immerhin

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