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Die Braut — „Entzückcnde Füßchen hast du, Käthe, das reinste

-wie heißt doch gleich in dem Märchen das

Mädel, das einen so kleinen Fuß hatter"

— „Aschenbrödel, meinst du? Nein, Willy, das
stimmt nun doch nicht, — die kriegte einen Prinzen."

Der Barbier der Klausemänner

Von Peter Robinson

Lerr Cornelius Klausemanu — Ehre seinem Andenken!
— ist Zeit seines Lebens mit einem stets glatt rasierten
Gesicht einhergegangen. Das heißt — so etwa von seinem
achtzehnte» oder neunzehnten Iahre an, bis dahin war das
Rasieren natürlich nicht notwendig. Wie gut ihm das
glatte Gesicht gestanden hat, bcweist sein Bild, das jeder
ansehn kann, wenn er Lust dazu hat. Er braucht nur nach
dcm St. Loreuz-Spital zu gehn und dann vom Laupt-
gebäude rechts durch den Garten nach dem gelben Back-
steinhause, über dessen Tür in blanken Lettern zu lesen steht:
Klausemann-Stift. Dort in der Vorhalle hängt das Vild
des Äerrn Cornelius Klausemann, und es zeigt ein heiter
freundliches Gesicht, aus dem Wohlgefallen und Zufrieden-
heit mit der Welt spricht. Das Bild ist anno 1850 gemalt.
Nun ja. damals konnte man mit der Welt auch noch zu-
frieden sein.

Cornelius Klausemann ist 1860 gestorben. Es wird
also nicht mehr viel Leute geben, die ihn gut gekannt haben,
und von diesen wird wohl kaum einerberichten können, ob Lerr
Klausemann das glatte Gesicht nur au sich selber schätzte
oder auch an andern Mannspersonen, und ob er überhaupt
die Bärte nicht recht leiden konnle. Ma» möchte dies aber
beinahe annehmen; wenigstens scheint ein Paffus in seinein
Testament darauf hinzudeuten. Cornelius Klausemann
hinterließ keine Nachkommen, aber viel Geld und Gut blieb
zurück. Das meiste davon bekamen enlfernte Verwandte.
Einen großen parkartigen Garten vermachte er dem St.Lorenz-
Äospital, was sehr angebracht war, denn der Garten lag
neben dem Spital, und nun brauchte nur der trennende
Zaun abgerissen zu werden. Klausemanns Wohnhaus aber,
das in einer Ecke des Gartens lag, wurde das „Klause-
mann-Stift," in dem jeweils zwölf alte, würdige, aber un-
bemittelte und alleinstehende Männer für den Abend ihres
Lebens eine Äeimstätte finden und mit guter Nahrung, anstän-
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diger Kleidung und einer nicht zu gering be-
messenen Portion Tabak versehen werden
sollten. Dazu war ein beträchtliches Kapital
ausgesctzt; zunächst sollte nur eiu Teil der
Zinsen verbraucht und der Rest zum Kapital
geschlagen werden, damit später einmal, wenn
etwa teure Zeiten kämen, die Insasscn des
Slifls nicht etwa Not litten oder ihre Zahl
verringert werden müßte. Lerr Cornelius
Klausemann war eben weitblickend gewesen
und hatte sich gesagt, so billig, wie das Leben
um 1860 war, würde cs nicht immer bleiben.
Damit hat er ja auch durchaus recht gehabt.

In der Stiftiingsurkunde wurde verlangt,
daß zur Aufnahme in das Klausemann-Slift
Männer in Belracht kommen sollten, die über
sechzig Iahre alt und im St. Lorenz-Kirchspiel
geboren wären; vorgezogen sollten solche wer-
den, die zur See gefahren wären. Dann aber
hieß es, und diese Stelle hatte Lerr Klause-
mann selbst doppelt unterstrichen: Die Insassen
des Stifts sollen an jedem Sountag vor dem
Kirchgang sauber rasiert werdeu. Zu diesem
Zweck ist auf Stiftskosten ein ordentlicher Bar-
bier zu verpflichten.

Dieser Vorschrift ist auch immer getreu-
lich Genüge geschehn. Ieden Sonntag mar-
schierten in die St. Lorenzkirche hinein zwölf
alte Männer, in ehrbare schwarze Sonntags-
anzüge gekleidet, und ihre Gesichter waren so glatt wie das
des Lerrn Kornelius Klausemann auf dem Bilde in der
Vorhalle des Klausemann-Stifts. Im Lauf der Iahre ver-
schwand der eine und der andere von ihnen, und ein neuer
trat dann ein, aber das merkte nian kaum, sie wirkten mehr
in ihrer Gesamtheit. „Das sind die Männer aus dem
Klausemann-Stift," sagte man; später nannte nian sie die
„Klausemann-Mäiiner," und in der Neuzeit einfach: die
Klausemäiiner. Das klingt eigentlich nicht wttrdig genug.

Anbestimmt — „Da Baua schaut allweil so ver-

liabt rüber, wann i nur wüßt, gfallt
ihm sei' Mist oder i so guat?"
 
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