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Der Barbier dcr Klausemänncr

auch schor, daran gedacht, daß Sie nicht mehr ganz auf Ihre
^echnung komincn könnten. Ia, es ist alles viel teurer
geworden. Nicht wahr, besonders die Nasierseife ist jctzt
sehr teuer?"

„Freilich, Lerr Konsul, ganz schrecklich teuer," sagte
Senkpicl, sehr erfreut, ein so geneigtes Ohr zu finden und
se viel Verständnis, denn über den Preis der Rakierseife
^rauchte dcr Äerr Konsul §>averland ja gar nicht orientiert
^u sein, — wegen seines Vollbarts.

Konsul 5baverland nickte. „Nun also, lieber Äerr Senk-
d>el, wir lönnen demgemäß auch nicht mehr von Ihnen
derlangen, daß Sie fiir die Insassen des Klausemann-Stifts
^ der Konsul sagte natürlich nicht „Klausemänner", das
d>äre gegen seine Würde als Kurator gewesen — die Aus-
^^gen für die so teure Rasierseife haben sollen. And dcs-
halb soll künftig die Nasierseise auf Kosten des Stists an-
geschafft werden; ich werde dafür Sorge tragen und zwar
svsort, — Sie brauchen schon am nächsten Sonntag keine
^^>se mehr mitzubringen. Aber jctzt enlschuldigen Sie mich
^vhl, jch gxrodc schr beschäfligt. Guten Morgen, Äerr

Senkpiel!"

Es ist eine allgemeine Meinung, daß Barbiere sehr
-ungenfertige und redegcwandtc Leute seien. Melleicht ist
d'es auf Figaro, den König der Barbiere, zurückzuführen,

ja das Theater an manchen weit verbreiteten Ansichten
°>e Schuld trägt. Es stimmt aber nicht uneingeschränkt.
Senkpiel jedenfalls hatte nicht den zehnten Teil der Rede-
hegabung eines Cicero, vielleicht nicht einmal den hunderl-

sten. Eine Rede hatke er präpariert gehabt, aber er hatte
doch nicht ahnen könncn, daß der Konsul in solcher Art seiner
Forderung begegnen wllrde. Wenn er das vorher gewußt
hätte, ja, dann hätte er sich auch darauf vorbereilet, und
dann hätte er jeht weiter reden können. So aber wußte er
nichts anderes zu tun, als einen Dicner zu machen und zu
gehen, — die Seife halte ihm den Mund gestopft. Natürlich
war cr verdrossen; ein Mensch, der seiner Meinung nach zu
wenig bezahlt bekommt, ist selbstverständlich verdrossen.
Vor lauter Verdruß brachte er am nächsten Sonntag vieren
den zwölf Klausemännern zwar nicht gefährliche, aber doch
überflüssige Schnitlwunden bei, trohdem die neue, ihm
gelieferte Nasierseife sehr gut war und ihm eigcntlich das
Nasieren hätte erleichtern müssen. So rasierte er auch die
nächsten sechs oder sieben Monale inr Klausemann-Stist
schweigsam und verdrossen.

Aber Anton Senkpiel sollte noch einen weiteren Grund
zunr Verdruß bekommen. Eines Abends, als er gerade sein
Lokal schließen wollte, — siehe, da kam durch die Sandgasse
daher gewandert ein müder Greis, der ein ganz kleines
Köfferchen trug. „Na guten Abend, Anton!" sagte der Greis
ganz gemütlich und selbstverständlich. Senkpiel fand das
zuerst gar nicht selbstverständlich, aber dann erkannte er,
mit einiger Mühe freilich, seinen alken OnkelAlbert Knöterich,
den er nie wieder zu sehen erwartet hatte, wenigstens in diesem
Leben nicht. Dicser Onkel Albert war ihm einst ein guter
Onkel gewesen; er hakte Ankon, als er noch ein junger
Bursche war, freundlich bei sich aufgenommen und ihn —
lFortsetzung Sette 2ö>

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