— „Miserabel spielen Sie den Gauner, 5zerr Stemmke l Sehen Sie den
Lcrrn Pipenko an, — wie der dcn Chinesen machk, das ist ganz echt."
— „Kommt Ihne» nur so vor, Lerr Negisseur; Sie haben ja noch nie
mit 'nem echten Chinesen verkehrt."
— „Na, aber mit Gaunern."
klnmöglichc Geschichten
Kilian Dollfus ließ auf seinem bei-
nahe patriarchalischen Antlitz ein wohl-
wollendes Lächeln erscheinen, machte der
Versammlung eine gemessene Verbeu-
gung und sprach: „Jch wünsche den
§>erren einen guten Abend." Dann
setzte er sich auf den vom Konsul van
Viesen ihm angedeuteten Platz und
schien zunächst kein Wort mehr sagen
zu wollen, was allgemein als eine sehr
angenehme Zuriickhaltung empfunden
wurde. So konnte sich nun endlich die
Tafelrunde bildcn, und wenn es auch
eigentlich auf die Namen nicht ankommt,
so seien doch wegen des besonderen,
durch die Eigentümlichkeit des Klubs
dedingten Erfordernisses außer dcn be-
reits genannten vier Äerren auch noch
die übrigen Mitglieder angegeben,
nämlich: Lorenz Wohlmut, Andreas
Wagner, Wilhelm Amrath, Leopold
3ienau, von Kalckreuth, Daniel Quinten,
Vkax Quoosbarth, Ferdinand Kuhn und
Arwed Petersen.
Aeber den Verlauf des Mahls ist
weiter nichts Besonderes zu berichten.
KilianDollfusstörtenicht im geringsten.
ließ sich sozusagen von seinen Wirten
wit einer gewissen Besiissenheit über-
sehen, — aber nicht von dem servieren-
den Diener, denn den 13 Gängen und
den 1Z Weinen sprach er fceudig und
^"ergisch zu. Genau um zwölf Ahr —
uuch das war eine Klubregel — wurde
dw Tasel aufgehoben, und die Lerren
begaben sich in das Rauchzimmer. Kilian
Dollsus bewegte sich dabei doch wesent-
iich schwerfälliger als bei seiner Ankunft,
und niir erstchtlichem Behagen senkte er
sich in einen der großen Ledcrscffel. Auf
seineni Antlitz glühte das Feuer der ge-
uvssenen dreizehn Weine. Wonnig die
Vugen zusammenkneifend tat er die
vrsten Züge aus dcr ihm gereichtcn Zigarre, schlürfte bc-
duchtsam dcn crsten der nun zu konsumiereiiden Schnapie
^ einen Allasch -, blickte mit freundlichem Lächeln im Kreise
umher und tat nun endlich den Mund aui.
„Q, welch ein gesegneter Abend, meine hochgcehitcn
kerren!" sprach Kilian Dollfus. „Das hätte ich mir heute
»wrgen nicht träumcn lassen. Aber so ist das Glück, — es
^viunit unvermutet, unangemeldet. Früher, meine Äerren,
gesegneteren Iahren meincs jetzt nicht grade mit Ro>en
bestreuten Daseins kam cs viel öftcr zu mir, da war es bei-
uahe mein ständiger Gast. 5sabakuk aber mied es, ihm kehrte
°,s den Nücken. Kiabakuk war mein Zwillingsbruder, meine
Äerren. Wir haben merkwürdige Schickiale gehabt.
Kilian Dollfus nahm den zweiten Schnaps, — Goldwasser
aus dem Lachs. „Ich bin, meine hochgeehrten 5>erren, ge-
boren im Iahre 1853. Labakuk ist im Iahre 1852 geboren.
Seltsam für Zwillinge, nicht wahr? Aber keineswegs un-
"'dgl.ch. Denn Labakuk kam auf die Welt am 31. Dezember
11 Ahr 30 Minuten, ich aber am 1. Ianuar um I Ahr
'uvrgens. Daß er der Aeltere war, brachte Labakuk sofort
"'Ue große Anannehmlichkeit. Die anwesende helfende
Frau, die der Silvesternacht wegen wohl etwas stark ge-
trunken hatte, nahm söabakuk, sowie er da war, und wollte
ihn in das herkömmliche Bad stecken. Aber sie hatte das
Bad zu heiß gemacht — so hciß, als wollte sie damit Sil-
vesterpunsch brauen, und da verbrühte sie Labakuk die Fuß-
sohlcn, so daß er sein Dascin als Patient beginnen mußte.
O, hätte er es doch lieber als Paticnt beschlossen! Doch
davon später, meine hochgeehrtcn Lerren."
Kilian Dollfus trank den dritten Schnaps — einen
Maraschino — und, weil ihni der zu süßlich war, gleich auch
den vierten, einen Kurfürstlichen Magenbittern. Dann fuhr
er fort: „Labakuk hatte also Anglück gehabt. Aus seinem
Anglück aber — beachten Sie das, nieine Lerren! — erwuchs
fllr mich, als ich anderthalb Stunden später erschien, die
Annehmlichkcit, in ein molligcs Bad von absolut richtiger
Temperatur zu kommen. Denn nun wurde natürlich auf-
gepaßt. And so ist es immer gewesen, meine Lcrren, bis zu
Labakuks Tode. Was Labakuks Anglück war, bedeutete mein
Glück. And was mein Glück war, das wurde 5-abakuks Anglück.
Es muß da irgend welche Fäden und Zusammenhänge in
unscrn Zwillingsgeschicken gegeben haben,die zu ergründen die
S5
Lcrrn Pipenko an, — wie der dcn Chinesen machk, das ist ganz echt."
— „Kommt Ihne» nur so vor, Lerr Negisseur; Sie haben ja noch nie
mit 'nem echten Chinesen verkehrt."
— „Na, aber mit Gaunern."
klnmöglichc Geschichten
Kilian Dollfus ließ auf seinem bei-
nahe patriarchalischen Antlitz ein wohl-
wollendes Lächeln erscheinen, machte der
Versammlung eine gemessene Verbeu-
gung und sprach: „Jch wünsche den
§>erren einen guten Abend." Dann
setzte er sich auf den vom Konsul van
Viesen ihm angedeuteten Platz und
schien zunächst kein Wort mehr sagen
zu wollen, was allgemein als eine sehr
angenehme Zuriickhaltung empfunden
wurde. So konnte sich nun endlich die
Tafelrunde bildcn, und wenn es auch
eigentlich auf die Namen nicht ankommt,
so seien doch wegen des besonderen,
durch die Eigentümlichkeit des Klubs
dedingten Erfordernisses außer dcn be-
reits genannten vier Äerren auch noch
die übrigen Mitglieder angegeben,
nämlich: Lorenz Wohlmut, Andreas
Wagner, Wilhelm Amrath, Leopold
3ienau, von Kalckreuth, Daniel Quinten,
Vkax Quoosbarth, Ferdinand Kuhn und
Arwed Petersen.
Aeber den Verlauf des Mahls ist
weiter nichts Besonderes zu berichten.
KilianDollfusstörtenicht im geringsten.
ließ sich sozusagen von seinen Wirten
wit einer gewissen Besiissenheit über-
sehen, — aber nicht von dem servieren-
den Diener, denn den 13 Gängen und
den 1Z Weinen sprach er fceudig und
^"ergisch zu. Genau um zwölf Ahr —
uuch das war eine Klubregel — wurde
dw Tasel aufgehoben, und die Lerren
begaben sich in das Rauchzimmer. Kilian
Dollsus bewegte sich dabei doch wesent-
iich schwerfälliger als bei seiner Ankunft,
und niir erstchtlichem Behagen senkte er
sich in einen der großen Ledcrscffel. Auf
seineni Antlitz glühte das Feuer der ge-
uvssenen dreizehn Weine. Wonnig die
Vugen zusammenkneifend tat er die
vrsten Züge aus dcr ihm gereichtcn Zigarre, schlürfte bc-
duchtsam dcn crsten der nun zu konsumiereiiden Schnapie
^ einen Allasch -, blickte mit freundlichem Lächeln im Kreise
umher und tat nun endlich den Mund aui.
„Q, welch ein gesegneter Abend, meine hochgcehitcn
kerren!" sprach Kilian Dollfus. „Das hätte ich mir heute
»wrgen nicht träumcn lassen. Aber so ist das Glück, — es
^viunit unvermutet, unangemeldet. Früher, meine Äerren,
gesegneteren Iahren meincs jetzt nicht grade mit Ro>en
bestreuten Daseins kam cs viel öftcr zu mir, da war es bei-
uahe mein ständiger Gast. 5sabakuk aber mied es, ihm kehrte
°,s den Nücken. Kiabakuk war mein Zwillingsbruder, meine
Äerren. Wir haben merkwürdige Schickiale gehabt.
Kilian Dollfus nahm den zweiten Schnaps, — Goldwasser
aus dem Lachs. „Ich bin, meine hochgeehrten 5>erren, ge-
boren im Iahre 1853. Labakuk ist im Iahre 1852 geboren.
Seltsam für Zwillinge, nicht wahr? Aber keineswegs un-
"'dgl.ch. Denn Labakuk kam auf die Welt am 31. Dezember
11 Ahr 30 Minuten, ich aber am 1. Ianuar um I Ahr
'uvrgens. Daß er der Aeltere war, brachte Labakuk sofort
"'Ue große Anannehmlichkeit. Die anwesende helfende
Frau, die der Silvesternacht wegen wohl etwas stark ge-
trunken hatte, nahm söabakuk, sowie er da war, und wollte
ihn in das herkömmliche Bad stecken. Aber sie hatte das
Bad zu heiß gemacht — so hciß, als wollte sie damit Sil-
vesterpunsch brauen, und da verbrühte sie Labakuk die Fuß-
sohlcn, so daß er sein Dascin als Patient beginnen mußte.
O, hätte er es doch lieber als Paticnt beschlossen! Doch
davon später, meine hochgeehrtcn Lerren."
Kilian Dollfus trank den dritten Schnaps — einen
Maraschino — und, weil ihni der zu süßlich war, gleich auch
den vierten, einen Kurfürstlichen Magenbittern. Dann fuhr
er fort: „Labakuk hatte also Anglück gehabt. Aus seinem
Anglück aber — beachten Sie das, nieine Lerren! — erwuchs
fllr mich, als ich anderthalb Stunden später erschien, die
Annehmlichkcit, in ein molligcs Bad von absolut richtiger
Temperatur zu kommen. Denn nun wurde natürlich auf-
gepaßt. And so ist es immer gewesen, meine Lcrren, bis zu
Labakuks Tode. Was Labakuks Anglück war, bedeutete mein
Glück. And was mein Glück war, das wurde 5-abakuks Anglück.
Es muß da irgend welche Fäden und Zusammenhänge in
unscrn Zwillingsgeschicken gegeben haben,die zu ergründen die
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