Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
^»m'üglirhe Gcschtchtcn

zog jch als Freiwilliger in den K»ieg. Bei Vcars-
la-Tour traf mich eine Kugel. Aber, o Wunder, sie prallte
ab an einer kleinen Münze, die ich zufällig lose in der
Brusttasche trug, einem goldenen Fünfmarkstück. Das
waren nun — inzwischen sind sie ja leider verschwunden
schr hübsche kleine Münzen, und so ließ ich mir an jene,
nieine Lebensretterin, eine Nadcl anbringen und trug sie
in der Krawatte. Drei Iahre später aber begab sich wieder
etwas sehr Seltsames. Ich wohntc damals mit Labakuk
rusaiumen. Er hatte Chemie studiert und glänzende Aus-
stchten, — eine vorzügliche Stellung war ihm angeboten
wordcn, er brauchte sich nur noch dem Direktor einer der
Lrößten chemischen Fabriken vorzustellen. Am Tage vorher
Scht 5zaba)uk baden. Er hat sich — das tat er manchmal —
weine Krawattcnnadel eingesteckt. Als er das Bad verläßt,
bermitzt er die Nadel. Er eilt zurück, — die Badezelle ist
iuzwischen schon beseht, von einem älteren dicken Äerrn, der
s^i)r ungemütlich wird, als Äabakuk sich vielleicht eüvas zu
^""gisch nach der Nadel erkundigt. Es kommt zu einem
^iesenkrach, bis sich dann die Nadel in einer Dielenritze findet.
chs ubex am nächsten Vormittag 5>abakuk sich dcm ihm noch
Kcmden Direktor vorstellen will, — wen sieht er vor sich?
Deu älteren dickcn §>errn, mit dem er am Tage vorhcr im
^ade so g,oßen Krach gehabt hat. Der Mann schmiß ihn
s°s°rt hinaus, - Labakuks erst so glänzende Aussichlen
bwre» vernichtet. So hatte jene kleine Goldmünze, die mir
as Leben gerettet, auch in §>abakuks Lebe» eine wesentliche,
vbcr leider ungünstige Wendung herbeigeführt. War das
"uht seltsam, meine 5>erren?"

Kilian Dollfus trank den sicbcuten Schnaps, eincn Cherrh
Brandy. Die Augen fielen ihm zu; er schien schlummern
und nicht weiter erzählen zu wollen. Nach dem achten Schnaps,
einem Chartreuse, wackelte er bedenklich mit dem nur noch
sehr wenig patriarchalisch anmutenden 5>aupte, aber der
neunte, ein kräftiger echter Machandel aus Tiegenhof, brachte
ihn wieder in Gang. „Ia, Labakuk war mir, wenn ich auch
gar nichts dafür konnte, wegen der Nadcl ein bißchen böse.
Wir trennten uns; er nahm sich eine eigene Wohnung mit
eigenen Möbeln. Dabei hatte er lächerliches Pech. Die
Wohnung war von den vorigen Mietern verwanzt, — nach
vier Wochen war Labakuks Bett, das übrigens ein Prunk-
bett war, eine Wanzenburg, ein Wanzenheerlager. Ein
bißchen lächerlich, meine hochgeehrten Äerren, nicht wahr?
Aber warten Sie, das Lachen wird Ihnen gleich vergehen
vor einer grotesk schaurigen Kvmplikation, die sich das Schick-
sal erlaubte. Eines Abends sitze ich gemütlich in meiner Stube.
Es ist schrecklich heiß, und das Fenster meines im vierten
Stock gelegenen Zimmers steht weit offen. Ich trinke, weil
es so heiß ist. Ich trinke, bis ich vollständig betrunkcn bin,
und in dieser Besoffenheit erhebe ich mich, wanke, nach frischer
Luft lechzend, an das offene Fenster, lehne mich allzuweit
hinaus — und stürze hinunter, aus dem vierten Stockwcrk
hinunter. Zerschmettern müssen hätte ich mich auf dem As-
phalt unten. Aber nein, ich salle weich, ich falle löstlich weich.
Llnd worauf salle ich? Auf Betten, meine Lerren, auf herc-
liche Federbetten, die grade mitsamt einer Bettstelle von
zwei Leuten die Straße entlang getragen werden. Wann
aber wird einmal eine Bcttstelle mit sämtlichcn Bettcn daiin
auf der Straße gelragen? Das kommt doch sonst gar nicht

S7

Hleiiiixe IiiseiLleoimiiÄliiiiS: liuiiolt k/Iosse, ä.nnoneon-IIx^öcIition.
 
Annotationen