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Dilemma — „Siehst, L'aver, wir siird gescheiter gewesen

wie der Nachbar, — dreißig Mark haben wir
mehr gckriegt sür den Zentner Kartoffeln."
— „Freuen tut's mich schon, aber 's ärgert mich halt auch, daß ich's
ihm nicht erzählen kann, — sonst möcht' er 's nächste Mal gescheiter sein."

Das Goldwunder

dem er wegen der hohen Benzin- und Gummi-
Preise nie auf eineu grünen Zweig kommen zu
können behauptete. 2lndererseits galt er schon
nach zwei Iahren wegen der angeschwollenen
Fahrtaxen in den Kreisen seiner guten Be-
kannten für einen zunehmenden Millionär.

Diese beiden Söhne waren also die Erben
und hatten sich in die Linterlassenschast August
Zcmke senioris zu teilen. Sie taten das in
schöner Eintracht; keiner wollte den andern
betrügen, sondern beide zusammen den Steuer-
fislus. In solchen Fällen wird immer schr leicht
Eintracht crzielt. Es war ein ganz schönes Bar-
vermögen da, dann das Laus in Pusterbcrg,
der Fuhrwerksbelricb, die Lehmgrube usw. Da
Bruno Zemke in Pusterberg bleiben und das
väterliche slnternehmen weiter bekreiben wollte,
bekam Max enlsprechend mehr vom Baren und
fuhr dann wieder nach Berlin zurück, um weitcr
auf kcinen grünen Zweig zu kommen und nach
»vtwendiger Erhöhung der Fahrtaxe für Auto-
»wbile zu schreien. Genau ein Iahr danach trat
dann das Wunder ein; sein menschlicher Ver-
»nttler war ein gewiffer Fricdrich Koslowski,
der als Lausknecht, Kulscher, Vorarbeiter in
der Lehmgrube und mit sonstigen Funktionen
ein alkcs Faktotnm im Zemkeschen Lause war
und dort auch ein Skübchen im Erdgeschoß
hatte, damit cr immer zur Land sein konnte.

Koslowski, jetzt 62 Iahre alt, war ein
bravcr und solider Mann. In Bezug auf den
Alkohol war er enkhalksam, wenn auch erst seit
einigen Iahren, weshalb diese Enthaltsamkeit,
als in den Llmständen der Zeit begründet, ihm
»icht besonders angerechnet werden kann.

Friiher hatte er, wie das in der Pusterberger
Gegcnd so ttblich ist, jeden Tag ein angemes-
senes, bei besonderen Gelegenheiten aber ein
reichlichcs, ja manchmal auch ein allzu reich-
liches Quantum Schnaps genoffen. Meistens
Kümmel, der seine Lieblingssorle war. Man
wird es Koslowski nach so langen Entbehrungen
»lso verzeihen, daß er bei guter Gelegcnheit
Su eincm nicht ganz gehörigen Schritte sich hin-
teißen ließ. Es war da irgend eine Fuhre zu
besorgen, bei der er mit einem größeren Schnapsvorrat in
Berührung kam. Die Versuchung war stark, Koslowski war
schwach, kurz und gut, er eignete sich einc Flasche Kllmmel
»» und brachtc sie sicher in sein Stübchen hcim. Natürlich
svff cr dann am Abend, ganz gehörig soff er. Ia, und dann
begab sich das Wuuder.

Bruno Zemke schlief schon friedlich, als ihn um elf
slhr ein furchtbares Gcpolter an der Tür weckte. Kos-
lowski war da; cr wollte mit seinem Lerrn sprechcn; er
wüßte ihm etwas sehr Wichtiges auf der Stelle erzählen,
behauptete er. Bruno Zemke hatte zuerst gar keine Lust,
sich darauf einzulaffen. Er war schlaftrunken, Koslowski
vbcr, wie er bemerkte, schnapstrunken, und wegcn dicser
bvppelten Trunkenhcit schien ihm eine Unterhaltung sehr
fiberflüssig. Er schric also, Koslowski wäre ein besoffenes
Schwein und sollte sich ins Vett scheren. Aber das Schwcin
wollte nicht ins Bett; es blieb vor der Tür und lallte mit
stanimelnder Zunge, und als Bruno Zemke aus diesem
^allen schließlich immer stärker werdende Linweise heraus-

hörte aus eine ganz unglaubliche, zu großcm Reichtum
führende Entdeckung. da krabbelte er denn doch aus seinem
Bett heraus und machte die Türe auf.

Die Folge dieser Landlung war zunächst, daß Kos-
lowski, da die Tür, an der er sich wohl gehalten hatte,
nach innen aufging, schmählich der Länge nach ins Zimmer
hineinfiel. Dann aber hakte sie das Gute, daß Koslowski,
durch diesen Sturz und nachfolgendes mühsamcs Aufrichten
etwas ernüchtert, nun beinahe ganz vernünftig, wenn auch
ungeheuer aufgeregt, erzählen konnte, was er auf dem
Lerzen hatte. Ia, also: gewußt hätte er es ja, ganz genau
gcwußt, aber er hätte es vergeffcn gehabt, ganz und gar
vergeffen. Nämlich, daß doch der selige Lerc Geld im
Keller vergrabcn hätte, viel Geld, lauter Silber, alles blanke
Taler. Damals im Krieg hätte er es vergraben, und keinem
Menschen hälte er ein Wörtchen davon gcsagt und wäre
auch darüber gestorben. Ia, und nun sollte doch der Lerr
gleich in den Keller gehn und nachsehn, — er würde ihm
die Stelle zeigen können, wo gesucht werden müßte.

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