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Ein Abenteuer auf der Festwiese

— „Da gibt es ,echte Zulukafferi> zu sehen, die muß
ich mir anschauen gehen! — Aber meinen Boxer kann ich
nicht mit hineinnehmen, den bind' ich hier an den Ring."

— „Ieffas, das arme Lunderl ist hier angebunden, dem
muß ich gleich ein Schweinswürstchen geben! —-


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L'M--

Das Niesenkind

Eine Oktoberfcsterinnerung von Ferdinand Kahn.

I.

Der verständige Vesucher des Oktoberfestes anno 1896 —
ich lege außerordentlichen Wert auf die Feststellung gerade
dieser Iahreszahl — kann sich bestimmt noch daran erinnern,
daß die Sensalion dcr damaligen Schaustellungen Bambina
Esmeralda, das bildschöne 16 jährige Niesenkind war. And
die zahlreichen Verehrcr der außcrordentlich beliebten Es-
meralda mlißten es bemerkt haben, wenn ihre Aufmerksam-
keit nicht vollkommen von den Reizen des Riesenkindes in
Anspruch genommen worden wäre, daß jeder Vorstellung
auf der ersten Bank eine junge, hübsche, blonde Dame bei-
wohnte, die immer wieder mit andächtigem Schauer die
hochtrabenden Erläuterungen des Lerrn Impresario ent-
gegennahm und mit sichtlicher Ergriffenheit das Auftreten
der kolossalen Esmeralda begleitete. Esmeralda selbst hat
mir nun gestattet, die Fäden der damaligen Vorkommnisse
vor einer geneigten Oeffentlichkeit zu entwirren — und so
sei es denn.

II.

Noch im August des historischen Iahres hing der
Student der Chemie, Alarich Meier, trüben Gedanken nach.
Diese ergaben sich teils aus der Tatsache, daß es ihm nicht
möglich war, seiner Zimmerwirtin Alexandra Dimpfl den
seit Fasching 1896 rückständigen Mietzins zu zahlen, teils
aus der logischen Folgerung, daß gerade dieser Amstand
Frau Alexandra Dimpfl nicht geneigter machen werde, der im
gleichen Fasching entflammten, innigen Zuneigung Alarichs
zu ihrer Tochter Rosa Dimpfl den mütterlichen Witwen-
segen zu gebcn. Alarich hatte zum großcn Glück die Vor-
lesungen über absolut tödlich wirkende Gifte geschwänzt,
sonst wäre ihm vielleicht in jenen Tagen seine Wiffenschast
zum Verhängnis geworden. So aber war er noch unver-
sehrt, als Frau Alexandra — anzuschauen wie die leibhaflige
Bavaria von der Schwanthalerhöhe — das Zimmer betrat
und Alarich einen Brief übergab, mit den Worten: „Scho
wieder was vom G'richt — daß jetzt Sie gar neamds nix
zahln!" Alarich wollte den Brief eben ungelesen unter die
Schreibmappe schiebcn, wo schon drei Mahnbriese und ein
Zahlungsbefehl den Vollstreckungsauflrägen entgegenschlum-
merten, als Frau Dimpfl aus einer mütterlichen — vielleicht
unbewußt schon schwiegermütterlichen — Aufwallung heraus
vorschlug: „Schaugens doch nach, vielleicht steht scho drin,
wann der Gerichtsvollzieher limmt — nacha kennas ehrnern
Sonntagsanzug derweil in mein Schrank hängcn!"

Alarich tat mechanisch, wic ihm geheißen, öffnete den
Brief — las den Brief — und erfuhr — erfuhr — erfuhr —
daß er der Aniversalerbe eincs ihm bis dato vollkommcn
unbekannten, abcr trotzdem erst vor kurzem verstorbenen
Großvetters gcworden sei und über die Erbschaft bei Notar
Luber X>II Auskunft erlangen lönne. Es ist anzunehmen,
daß Alarich der inzwischen ebenfalls eingetretcnen Rosa
einen Kuß gebcn, der Mutter die Land schütteln und seinem
Schrank den Spazicrstock entnehmen wollte. Tatsächlich hatte
plötzlich Frau Alcxandra einen Kuß, wurde Rosa der Staub-
wedel entrissen, war dem Schrank der rechte Türflügel aus-
gerenkt — als man Alarich auch schon aus die Straße stürzcn
und hinter der Ȋchsten Ecke verschwinden sah.

III.

Notar Luber XIII murmelte zunächst einige Kondolatio-
nen betreffend den Tod des verstorbencn Großvetters, die
Alarich sehr zerstreut entgegennahm. Darauf aber eröffnete
der Beamte dem erwartungsvollen Erben schonungslos, daß

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