Kine unbegreifliche Gemeinhetk
„So, so — Schölener Grund 51," wiederholte Blaffey
nachdenklich. And dann setzte er in warmem Tone hinzu:
»Ich bin zwar nicht hier ansäsffg, meine Lerren, aber es
tut mir leid, wirklich sehr leid. Ich habe die Ehre, Ihnen
einen guten Tag zu wünschen."
Damit verließ Albert Blaffey die „Armbrust". Ge-
mächlichen Schrittes suchte er das §>aus Schötener Grund 51
das er sich genau ansah; besonderes Inkereffe widmete er
dem blanken Messtngschilde: Alban Schimmke. Dann ging
er in die etwas hügeligen Bezirke Apoldas zurück und
kaufte im ersten Papierwarengeschäft, das er zu Gesicht
bekam, einen schönen und sehr soliden Bnefumschlag. isluf
dem Postamt, das er leicht erfragte, tat er in diesen !1m-
schlag einige Blätter Zeikungspapier, klebte ihn zu, nahm
seinen Füllhalter und schrieb, sorgfältig die Buchstaben
wie gedruckte malend, auf die Nückseite: Absender Alban
Schimmke, Rentner, Apolda, Schötener
Grund 51. — Darauf vertauschte er den
Füllhalter mit einem Bleistift, den er
ebenfalls bei sich trug, einem einfachen,
aber ganz vorzüglichen Schwarzftift, und
mit diesem schrieb er in seiner gewöhn-
lichen Landschrift auf die Vorderseite
des Briefes: Einschreibenl
Lerrn Albert Blaffey, München
Pelargonienstraße 17
Diesen solchermaßen zubereiteten
Brief gab er alsdann am
Schalter auf, bezahlte das
Nötige, erhielt seine Quit-
tung, ging nach dem Bahn-
hof, fuhr nach Iena, ver-
brachre hier den Abend und
den ersten Teil der Nacht
etwas ungeduldig und be-
stieg endlich den von Berlin
kommendenNachtfchnellzug
nach München. Am näch-
sten Morgen war er glück-
lich zu Lause.
Drei Stunden spätcr
klingelte der Briefträger bei
Albert Blaffey und brachte
ihm einen eingeschriebenen
Brief. Mit diesem Brief
setzte sich Blaffey an seinen
Schreibtisch, öffnete ihn
sorgfältig, nahm das Zei
tungspapier heraus, ra-
dierte mit einem Stück guten
Gummis sehr achtsam die
Bleistiftschrift auf der Vor-
derseite aus, bei welchem
GeschäfterdievonderPost-
angebrachten Einschreibe-
vermerke und Signa wohl-
gefällig anlächelte, zog sei-
nen Füllhalter und schrieb
nunmehr, die Buchstaben
wie gedruckte malend, diese
Adreffe: Einschreiben!
Lerrn Richard Wentsch
München
Pelargonienftraße 17
Dann legte er den Brief oder vielmehr den Briefumschlag
in ein Geheimfach seines Schreibtisches. Genau zwei Iahre
später aber nahm er ihn wieder heraus, setzke sich — es war
etwa zwölfeinhalb Ahr mittags — damit in den Erker seines
Arbeitszimmers, von dem er die Straße überschauen konnte,
und wartete geduldig. Etwa zehn Minuten darauf kan»
Richard Wentsch gemütlich angegangen, seinem Mittagessen
zustrebend. Sowie Blaffey ihn in der Ferne erblickte, sprang
er auf, schlich in den Lausflur hinaus, legte vor Wentschens
Tür den Briefumschlag nieder und enteilte, ganz heimlich
seine Wohnungstür hinter sich schließend. So — und damit
ist alles, was bei dieser Geschichte Albert Blaffey angeht,
völlig erschöpfend dargestellt,und nun kann Richard Wentsch
an die Reihe kommen.
Richard Wentsch schloß die Laustür auf und schritt
stramm auf seine Wohnungstür zu. Na, da lag ja was
Weißes am Boden! Ein Brief? Püh, wie uns das Bücken
doch schonfchwer fällt! Nanu, wirklich ein
Brief! Ein Einschreibebrief! Ei» Einschrei-
bebrief, gerichtet an Richard Wentsch,
München, Pelargonienstraße 17. Oder
nein, — kein richtiger Brief mehr, nnr ein
Amschlag. Ia, wie kam denn der hierher?
Da wollen wir doch gleich einmal-
Wentsch ließ, sowie er seine Tür
geöffnet hatte, einen langgezogenen Pfiff
erschallen. Seine Gattin kam aus der
Küche, — man hatte nämlich wieder ein-
inal grade kein Dienstmäd-
chen. „Was ist denn da fur
ein Einschreibebrief gekom-
men?" fragte Wentsch.
„Ein Einschreibebrief?
Keine Ahnung habe ich."
Wentsch hielt den Ge-
genstand seiner Frage in
die Löhe. „Da — vor der
Tür lag er, — oder vielmehr
bloß der Amschlag. Er muß
doch abgegeben worden sein,
es ist doch ein eingeschriebe-
ner Brief. And wie koinmt
nun der leere Ainschlag vor
die Tür?" — Nichard
Wentsch sprach das mit
etwas vorwurfsvollemTon.
Frau Wentsch empfand
diesen Ton. „Wie soll ich
das wissen? Der Brief-
träger ift nicht dagewesen,
— jedenfalls nicht bei uns.
Vielleicht hat er den Brief
falsch abgegeben und dann
„Ansinn! Eingeschrie-
bene Briefe müssen quittierl
werden, die werden nicht
falsch abgegeben."
FrauWentsch hatte keine
Lust, sich mit dem Brief
aufzuhalten. „Ietzt komm'
nur erst, — das Effen ver-
dirbt mir sonst. Ich habe
schon genug Mühe, — jetzt
so ohne Mädchen."
Nachhaus
Ich rettete aus meinem Leben
Das eine Streben:
Aachhausl
Nur eins liegt mir noch tief im Sinn:
Von rvo ich ausging, will ich hin:
Aachhaus!
— „Frauen denken viel schneller als Männer."
— „Da haft du recht, Frida. Ein Mann kann
sich ein Iahr lang überlegen, ob er heiraten
soll, und das Mädchen sagt auf der Stelle ja."
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„So, so — Schölener Grund 51," wiederholte Blaffey
nachdenklich. And dann setzte er in warmem Tone hinzu:
»Ich bin zwar nicht hier ansäsffg, meine Lerren, aber es
tut mir leid, wirklich sehr leid. Ich habe die Ehre, Ihnen
einen guten Tag zu wünschen."
Damit verließ Albert Blaffey die „Armbrust". Ge-
mächlichen Schrittes suchte er das §>aus Schötener Grund 51
das er sich genau ansah; besonderes Inkereffe widmete er
dem blanken Messtngschilde: Alban Schimmke. Dann ging
er in die etwas hügeligen Bezirke Apoldas zurück und
kaufte im ersten Papierwarengeschäft, das er zu Gesicht
bekam, einen schönen und sehr soliden Bnefumschlag. isluf
dem Postamt, das er leicht erfragte, tat er in diesen !1m-
schlag einige Blätter Zeikungspapier, klebte ihn zu, nahm
seinen Füllhalter und schrieb, sorgfältig die Buchstaben
wie gedruckte malend, auf die Nückseite: Absender Alban
Schimmke, Rentner, Apolda, Schötener
Grund 51. — Darauf vertauschte er den
Füllhalter mit einem Bleistift, den er
ebenfalls bei sich trug, einem einfachen,
aber ganz vorzüglichen Schwarzftift, und
mit diesem schrieb er in seiner gewöhn-
lichen Landschrift auf die Vorderseite
des Briefes: Einschreibenl
Lerrn Albert Blaffey, München
Pelargonienstraße 17
Diesen solchermaßen zubereiteten
Brief gab er alsdann am
Schalter auf, bezahlte das
Nötige, erhielt seine Quit-
tung, ging nach dem Bahn-
hof, fuhr nach Iena, ver-
brachre hier den Abend und
den ersten Teil der Nacht
etwas ungeduldig und be-
stieg endlich den von Berlin
kommendenNachtfchnellzug
nach München. Am näch-
sten Morgen war er glück-
lich zu Lause.
Drei Stunden spätcr
klingelte der Briefträger bei
Albert Blaffey und brachte
ihm einen eingeschriebenen
Brief. Mit diesem Brief
setzte sich Blaffey an seinen
Schreibtisch, öffnete ihn
sorgfältig, nahm das Zei
tungspapier heraus, ra-
dierte mit einem Stück guten
Gummis sehr achtsam die
Bleistiftschrift auf der Vor-
derseite aus, bei welchem
GeschäfterdievonderPost-
angebrachten Einschreibe-
vermerke und Signa wohl-
gefällig anlächelte, zog sei-
nen Füllhalter und schrieb
nunmehr, die Buchstaben
wie gedruckte malend, diese
Adreffe: Einschreiben!
Lerrn Richard Wentsch
München
Pelargonienftraße 17
Dann legte er den Brief oder vielmehr den Briefumschlag
in ein Geheimfach seines Schreibtisches. Genau zwei Iahre
später aber nahm er ihn wieder heraus, setzke sich — es war
etwa zwölfeinhalb Ahr mittags — damit in den Erker seines
Arbeitszimmers, von dem er die Straße überschauen konnte,
und wartete geduldig. Etwa zehn Minuten darauf kan»
Richard Wentsch gemütlich angegangen, seinem Mittagessen
zustrebend. Sowie Blaffey ihn in der Ferne erblickte, sprang
er auf, schlich in den Lausflur hinaus, legte vor Wentschens
Tür den Briefumschlag nieder und enteilte, ganz heimlich
seine Wohnungstür hinter sich schließend. So — und damit
ist alles, was bei dieser Geschichte Albert Blaffey angeht,
völlig erschöpfend dargestellt,und nun kann Richard Wentsch
an die Reihe kommen.
Richard Wentsch schloß die Laustür auf und schritt
stramm auf seine Wohnungstür zu. Na, da lag ja was
Weißes am Boden! Ein Brief? Püh, wie uns das Bücken
doch schonfchwer fällt! Nanu, wirklich ein
Brief! Ein Einschreibebrief! Ei» Einschrei-
bebrief, gerichtet an Richard Wentsch,
München, Pelargonienstraße 17. Oder
nein, — kein richtiger Brief mehr, nnr ein
Amschlag. Ia, wie kam denn der hierher?
Da wollen wir doch gleich einmal-
Wentsch ließ, sowie er seine Tür
geöffnet hatte, einen langgezogenen Pfiff
erschallen. Seine Gattin kam aus der
Küche, — man hatte nämlich wieder ein-
inal grade kein Dienstmäd-
chen. „Was ist denn da fur
ein Einschreibebrief gekom-
men?" fragte Wentsch.
„Ein Einschreibebrief?
Keine Ahnung habe ich."
Wentsch hielt den Ge-
genstand seiner Frage in
die Löhe. „Da — vor der
Tür lag er, — oder vielmehr
bloß der Amschlag. Er muß
doch abgegeben worden sein,
es ist doch ein eingeschriebe-
ner Brief. And wie koinmt
nun der leere Ainschlag vor
die Tür?" — Nichard
Wentsch sprach das mit
etwas vorwurfsvollemTon.
Frau Wentsch empfand
diesen Ton. „Wie soll ich
das wissen? Der Brief-
träger ift nicht dagewesen,
— jedenfalls nicht bei uns.
Vielleicht hat er den Brief
falsch abgegeben und dann
„Ansinn! Eingeschrie-
bene Briefe müssen quittierl
werden, die werden nicht
falsch abgegeben."
FrauWentsch hatte keine
Lust, sich mit dem Brief
aufzuhalten. „Ietzt komm'
nur erst, — das Effen ver-
dirbt mir sonst. Ich habe
schon genug Mühe, — jetzt
so ohne Mädchen."
Nachhaus
Ich rettete aus meinem Leben
Das eine Streben:
Aachhausl
Nur eins liegt mir noch tief im Sinn:
Von rvo ich ausging, will ich hin:
Aachhaus!
— „Frauen denken viel schneller als Männer."
— „Da haft du recht, Frida. Ein Mann kann
sich ein Iahr lang überlegen, ob er heiraten
soll, und das Mädchen sagt auf der Stelle ja."
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