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Das Teslament des Ieremlas Tiburtius

halten unsichere Anternehmungen am Spieltisch, und das Fehl-
schlagen dieser Anternehmungen dann einige umsomehr sichere
rlnterschlagungen, Wechselfälschungen und dergleichen Anregel-
mäßigkeiten veranlaßt. Ieremias Tiburtius zerschnitt oarauf
das Band zwischen sich und seinem Neffen, warf ihn zum
Lause hinaus und schrie ihm nach, daß er sich nie wieder blicken
lassen sollte. Franz Wulfshoff hatte das auch nicht getan; was
aber der Onkel in der Folgezeit von seinem Lebenswandel
und der Art, wie er sich für diesen Lebenswandel das in nicht
geringer Menge nötige Geld besorgte, vernommen hatte, war
nicht danach angetan gewesen, ihn den berechtigten Groll ver-
geffen zu laffen.

So war es eigentlich verwunderlich, daß nach dem Tode
des alten Ieremias sein Testament, das er beim nächsten Amts-
gericht hinterlegt gehabt hatte, Franz Wulfshoff zum einzigen
Erben einsetzte, ohne jede Klausel. Diese Verfügung war viel-
leicht nur dadurch zu erklären, daß sie eben schon zu einer Zeit
erfolgt war, als der Oheim dem Neffen noch nicht hinter
die Schliche gekommen war, und daß Tiburtius später, wenn
er auch anderen Sinnes geworden war, es nur verabsäumt hatte,
neue Dispositionen zu treffen. Franz Wulfshoff nahm den In-
halt des Testaments mit großem Behagen zur Kenntnis, seine
Kousine Eva zwar mit einiger Trauer, aber doch mit schöner
Entschlossenheit, den Kampf des Lebens weiterhin mutig zu be-
fiehen. Sie hatte sich in den letzten zwei Iahren als Erzieherin
ein kärgliches Brot verdient. Ein schönes Mädchen, dazu mit
Geist und Gemüt ausgestattet, hatte sie die Neigung eines braven
jungen Mannes mit Nameu Felix Schmidt gewonnen, der aber
leider auch ganz unbemiltelt und Angestellter in einer Zigarren-

Moderne Medizin

— „Entschuldigen Sie, ich bin wohl hier verkehrl! Ick
hab' zum Doktor Schnipsler wollen, aber hier bin ick
wohl aus Versehen in ein Eleklrizitätswerk geraten/

großhandlung war. Eva
und Felix hatten eigent-
lich auf ein kleines Legat
vom alten Tiburtius ge-
hofft; ste halten dann hei-
raken und Felix ein Zi-
garrengeschäft aufmachen
wollen. Diese schöne Loff-
nung war nuil zerronnen.
LohnlächelndnahmFranz
Wulfshoff von den un-
geheurenNeichlümern des
Önkels Ieremias Besitz.
Es fiel ihm gar nicht ein,
seiner armen Kusine eine
Kleinigkeit abzugeben. Al-
lerdings wäre Lva auch zu
stolz gewesen, etwas von
ihm anzunehmen. — —
So weit haben sich also
die Dinge in einer ganz
und gar nicht ungewöhn-
lichenArt enlwickelt. Nun
aber paffe man auj l Es ist
ein Vierteljahr später.
Franz Wulfshoff, der mit
Adelina, der Tänzerin,
eine ausgiebige Vergnü-
gungsreise unternommen
hatte, ist mit ihr auf dem
ehemaligen Ruhesitz des
alten Tiburtius, jenem
prächtigen Schlosse, ein-
gekehrt. Man schreibt den
lFortsetzung Seite lbl)

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