An die unrechte Adresse
— Iessas! - Meine Altel"-
Jndividueller Maßstab
An der Bahnsteigsperre gibt es eine kleine Meinungs-
verschiedenheit. Der Beamte hat Bedenken, einen übermäßig
bepackten Reisenden von phänomenaler Korpulenz passieren
zu lassen. Das heißt: die Korpulenz geht den Beamten natür-
lich nichts an, nur das Gepäck. „Das geht doch nicht, mein
Lerr! So viel Gepäck dürfen Sie nicht mit hineinnehmen.
Aeberhaupt, — Sie brauchen ja selber schon Platz für drei."
„Na also, — und jeder Neisende darf so viel Land-
gepäck haben, wie er über seinem Platz unterbringen kann."
192
Bruchstücke eines Gedichts Von P-eer Robinson
Ich wohne im Erdgeschoß und mache manchmal Gedichte.
Das hängt natürlich nicht zusammen; man kann auch im ersten
Stock wohnen oder im zweiten oder noch höher und auch Ge-
dichte machen. Es wird sogar behauptetzdaß die bestenGedichte
ganz oben, grade unter dem Dach, gemacht werden, aber das
glaube ich nicht. Denn ich habe niemals eine Dachwohnung
gehabt. Ich erwähne die unwesentliche und sonst niemanden
etwas angehende Tatsache meines Wohnens im Erdgeschoß
neben der sehr wesentlichen meiner Gedichtfabrikation über-
haupt nur, weil sich neulich einmal ganz zufälligerweise ein
mich recht befriedigender Zusammenhang daraus ergeben hat.
Ich wollte also eines Abends wieder einmal ein Gedicht
machen. Wenn man ein Gedicht machen will, hat man gewöhn-
lich eine Veranlassung dazu: ein Erlebnis, eine Stimmung
oder so etwas. Meine Veranlassung war diesmal Dreck,
elender, nichtswürdiger Dreck. Ich hatte nämlich in der Stadt
zu tun gehabt, war zu Fuß gegangen, weil mir die Straßen-
bahn natürlich zu teuer gewesen war, und hatke mich über
die gar nicht gereinigien, nein scheußlich verschweinigelten
Straßen schändlich geärgert. Denn seitdem bei uns die
Straßenreinigung aus einem privaten ein städtisches Anter-
nehmen geworden ist, sehen die Straßen so aus wie-nun,
wohl grade so wie in andern Städten, wo das jetzt ebenso
eingerichtet ist. Ich wollte nun meinem Jorne in Versen Luft
machen, — — oho, sie sollten es schon zu lesen kriegen, die
Lerren vom Stadtrat! Ich zündete mir eine mit meinem
besten Tabak gefüllke Pfeife an, nahm ein schönes Blatt
Papier, schrieb, kritzelte, notierte, skandierte, probierte, und
nach etwa einer Viertelstunde sah das Blatt (ich bitte, diesen
Emblick in meine Werkstatt diskret zu behandeln) genau
folgendermaßen aus:
Ansere städtische Straßenreinigung
Wie wirken doch so unästhetisch
Die Straßen unsrer Stadt, da nun
Die Reinigung derselben städtisch,
Statt daß Private dieses tun.
Wenn etwas kommunalistert ist,
So kann man ziemlich sicher sein,
Daß es bald gänzlich ruiniert ist,
Weil-— gedeihn — Schweinerei'n — gemein.
Den Magistrat, der sich erdreistet,
Daß er sich schwer bezahlen läßt
-fast gar nichrs leistet
-Pest,
Welch fleißig Säubern gab's und Fegen
Doch einst, bis alles blank geglänzt!
---einer trägen
? Bande-hcrumfaulenzt!
Sie säubern nicht, nein, sie versauen
Noch mchr-
Die Kerle — —-verhauen
Wir werden noch im Schmutz versinken
—-— Mist — Dreck — Sumpf
-— —-— stinken
-— Triumph!
Ia, so sah also das Blatt aus, und wer Lust hat, mag
das Gedicht nun vervollständigen. Ich hatte keine Lust mehr
tFortsetzung Seite >95)
— Iessas! - Meine Altel"-
Jndividueller Maßstab
An der Bahnsteigsperre gibt es eine kleine Meinungs-
verschiedenheit. Der Beamte hat Bedenken, einen übermäßig
bepackten Reisenden von phänomenaler Korpulenz passieren
zu lassen. Das heißt: die Korpulenz geht den Beamten natür-
lich nichts an, nur das Gepäck. „Das geht doch nicht, mein
Lerr! So viel Gepäck dürfen Sie nicht mit hineinnehmen.
Aeberhaupt, — Sie brauchen ja selber schon Platz für drei."
„Na also, — und jeder Neisende darf so viel Land-
gepäck haben, wie er über seinem Platz unterbringen kann."
192
Bruchstücke eines Gedichts Von P-eer Robinson
Ich wohne im Erdgeschoß und mache manchmal Gedichte.
Das hängt natürlich nicht zusammen; man kann auch im ersten
Stock wohnen oder im zweiten oder noch höher und auch Ge-
dichte machen. Es wird sogar behauptetzdaß die bestenGedichte
ganz oben, grade unter dem Dach, gemacht werden, aber das
glaube ich nicht. Denn ich habe niemals eine Dachwohnung
gehabt. Ich erwähne die unwesentliche und sonst niemanden
etwas angehende Tatsache meines Wohnens im Erdgeschoß
neben der sehr wesentlichen meiner Gedichtfabrikation über-
haupt nur, weil sich neulich einmal ganz zufälligerweise ein
mich recht befriedigender Zusammenhang daraus ergeben hat.
Ich wollte also eines Abends wieder einmal ein Gedicht
machen. Wenn man ein Gedicht machen will, hat man gewöhn-
lich eine Veranlassung dazu: ein Erlebnis, eine Stimmung
oder so etwas. Meine Veranlassung war diesmal Dreck,
elender, nichtswürdiger Dreck. Ich hatte nämlich in der Stadt
zu tun gehabt, war zu Fuß gegangen, weil mir die Straßen-
bahn natürlich zu teuer gewesen war, und hatke mich über
die gar nicht gereinigien, nein scheußlich verschweinigelten
Straßen schändlich geärgert. Denn seitdem bei uns die
Straßenreinigung aus einem privaten ein städtisches Anter-
nehmen geworden ist, sehen die Straßen so aus wie-nun,
wohl grade so wie in andern Städten, wo das jetzt ebenso
eingerichtet ist. Ich wollte nun meinem Jorne in Versen Luft
machen, — — oho, sie sollten es schon zu lesen kriegen, die
Lerren vom Stadtrat! Ich zündete mir eine mit meinem
besten Tabak gefüllke Pfeife an, nahm ein schönes Blatt
Papier, schrieb, kritzelte, notierte, skandierte, probierte, und
nach etwa einer Viertelstunde sah das Blatt (ich bitte, diesen
Emblick in meine Werkstatt diskret zu behandeln) genau
folgendermaßen aus:
Ansere städtische Straßenreinigung
Wie wirken doch so unästhetisch
Die Straßen unsrer Stadt, da nun
Die Reinigung derselben städtisch,
Statt daß Private dieses tun.
Wenn etwas kommunalistert ist,
So kann man ziemlich sicher sein,
Daß es bald gänzlich ruiniert ist,
Weil-— gedeihn — Schweinerei'n — gemein.
Den Magistrat, der sich erdreistet,
Daß er sich schwer bezahlen läßt
-fast gar nichrs leistet
-Pest,
Welch fleißig Säubern gab's und Fegen
Doch einst, bis alles blank geglänzt!
---einer trägen
? Bande-hcrumfaulenzt!
Sie säubern nicht, nein, sie versauen
Noch mchr-
Die Kerle — —-verhauen
Wir werden noch im Schmutz versinken
—-— Mist — Dreck — Sumpf
-— —-— stinken
-— Triumph!
Ia, so sah also das Blatt aus, und wer Lust hat, mag
das Gedicht nun vervollständigen. Ich hatte keine Lust mehr
tFortsetzung Seite >95)