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Schlechte Konjunktur

— „Na, Frau, mit dem Porzellankitt geht das Geschäft jetzt wohl recht flott, — wo
doch die Leute jetzt alles Kaputte noch mal zu kitten suchen."

— „Ach wo, — die Leut' haben ja bald überhaupt kein Porzellan mehr zum Kitten."

Eine Betriebsstörung Vo» Peter Robi»s°n

Es war gerade sechs !lhr abends, als in dem Straßen-
bahnwagen Nummer 137, der auf der Linie 12 Dienst tat,
auf einmal ganz wider Erwarten der Fahrgäste sowohl als
auch der beiden Betriebsbeamten die elektrischen Lampen
erloschen. Gleichzeitig begann die Bewegung des Wagens
sich zu verlangsamen, um schließlich gänzlich aufzuhören, —
dies aber nicht mehr gegen das Erwarten der beiden Be°
triebsbeamten und des intelligenteren Teils der Fahrgäste.
Bei den Betriebsbeamten hatte das aber nichts mit der
Intelligenz, sondern mit der beruflichen Erfahrung zu tun.

Betriebsstörung I Der Schaffner begibt sich zum Wagen-
führer, um sich mit ihm über die vermutliche Arsache des
Ausbleibens des elektrischen Stroms zu unterhalten. Anter
den Fahrgästen macht sich der gleiche Wunsch geltend. Das
heißt: nicht etwa auch zum Wagenführer zu gehn, dazu
wäre gar nicht genug Platz auf der vorderen Plattform,
— nei», auch über dieses Thema sich zu unterhalten. „Kurz-
schluß!" sagen die meisten, aber natürlich wissen drei Viertel
von ihnen nicht genau, was Kurzschluß eigentlich ist. Viele
Leute gebrauchen ja Worte, über deren Bedeutung sie sich
gar nicht klar sind, und das ist manchmal, namentlich wenn
es sich um Staatsangelegenheiten handelt, recht bedenklich.
Bei dem Worte Kurzschluß ist es aber nicht so schlimm.
„Streik im Elektrizitätswerk!" meinen andere, und das sind
jene, die Lust haben, jetzt recht tüchkig zu schimpfen. Aber
es kommt zu keiner weiteren, eigentlich auch zwecklosen De-
batte, denn jeder erwartet, daß im nächsten Augenblick doch
die Beleuchtung wieder aufflammen und der Wagen weiter
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fahren wird. Das ist auch sehr wünschenswert, denn es
regnet grade in wirklich gemeiner Weise.

Trotzdem-oder nein; natürlich grade wegen des

niederträchtigen Regens wird diese Erwartung nicht erfüllt.
Nach fünf Minuten entschließt sich der Schaffner, durch
den Regen zu patschen und Erkundigungen einzuziehen,
mittels des Fernsprechers. Mit sehr vergnügtem Antlitz
kommt er zurück. Es wäre aber ein Irrtum, daraus schließen
zu wollen, daß nun der Betrieb gleich wieder losgehn kann.
Selbstverständlich ist das Gegenteil der Fall. Der Schaffner
verkündet: „Im Elektrizitätswerk ist was kaputt gegangen.
Zwei Stunden, sagen sie, dauert's mindestens."

Die Fahrgäste verschwinden einer nach dem andern,
aber nicht geräuschlos, sondern brummend, fluchend und
mehr oder weniger originell schimpfend, je nach Tempera-
ment, Veranlagung und Bildungsgrad. Nur einer bleibt
zurück. Zäpernick heißt dieser Mann.

Zäpernick wendet sich an den Schaffner. „Es geht also
bestimmt nicht weiter? Dann geben Sie mir mein Fahrgeld
zurück, zweihundert Mark. Lier haben Sie den Fahrschein.
Ich bin erst an der vorigen Laltestelle aufgestiegen."

Der Schaffner ist überrascht, aber nicht Peinlich, denn
es handelt sich ja in keinem Fall um sein eigenes Geld. Er
schüttelt den Kopf. „Tut mir leid, Lerr, das gibt's nicht.
Es steht ja auf dem Fahrschein: Bei Betriebsstörungen
findet keine Nückerstattung des Fahrgeldes statt."

Zäpernicks Antlitz rötet sich wahrscheinlich. Es ist zu
dunkel im Wagen, als daß es wahrgenommen werden kann,
tFortsehung Seite >8)
 
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