Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
— „Nur net auslass'n! Nacha hams Eahna nix vorzuwerfen, bal S' wirkli abifall'n."

Eine Betriebsstörung

ist überhaupt das Anverschämtefie, was es gibt. Das werden
Ihnen alle vernünftigen Menschen fagen, mit Ausnahme

des Stadtrats,-aber nein: das Wort mit Ausnahme, in

Beziehung zu allen vernünftigen Menschen, stimmt hier nicht.
Also: das werden Ihnen alle verniinftigen Menschen sagen."

Der Schaffner hat das nicht recht verstanden. Er wittert
zwar eine Beleidigung dahinter, hält es aber für geraten.
die Sache auf sich beruhen zu lassen. Er wendet sich zum
Gehen. „Wenn Ihnen was nicht paßt, Lerr, könne» Sie
sich ja beschweren. Und Sie können ja auch warten, bis der
Wagen wieder fährt."

„Das werde ich auch, unter allen Amständen werde ich
das!" schreit Zäpernick ihm nach. „Ich werde doch der
Straßenbahn nichts schenken. Ich habe sür meine Be°
förderung bezahlt, die blödsinnige Summe von zweihundert
Mark habe ich bezahlt, und wenn es ein Iahr dauert, —
ich warte hier!"

Das ist zweifellos eine Aebertreibung. Zäpernick würde
sicherlich nicht ein ganzes Iahr im Wagen sitzen bleiben.
Aber in der Aufregung läßt man sich manchmal zu höchst
übertriebenen und nachher verdammt schwer zu erfüllenden
Versicherungen hinreißen.

Der Schasfner verschwindet in einer Kneipe, in deren
Nähe der Wagen glücklicherweise zum Stillstand gekommen

ist. Es gibt allerdings sehr viele Kneipen, und der Glücks-
fall ist deshalb kein so außerordentlicher. Der Wagenführer
ist auch da, und nun entspinnt sich mit einigen anderen
Gästen und dem Kneipwirt eine gemütliche, leicht humo-
ristische Anterhaltung über den harlnäckigen Fahrgast da
draußen. Das Bergnügen an dem Vorfall wird neu auf-
gefrischt und erhöht, als um sieben Ahr ein Iunge von der
Straße erscheint, der ein Glas Bier sowie ein Stück Schweine-
braken nebst Kartoffeln und Kompott holen kommt, — für
einen Lerrn draußen im Straßenbahnwagen. Der Iunge
hat zu diesem Zweck einen Tausendmarkschein mitgebracht.
Der Kneipwirt erklärt nun, der Fahrgast habe vollkommen
recht und sei ein vernünftiger Mann, der sich nichts ge-
fallen laffe.

Fünf Minuten, nachdem das Abendessen abgeschickt
worden ist, erscheint der Schaffner, vom Wagensührer auf-
gestachelt, bei Zäpernick, der grade im besten Schmausen
ist, wobei ihm als Beleuchtung eine elektrische Taschenlaterne
dient. „Sie, Kerr, das gibt es nicht," sagt der Schaffner.
„Mahlzeiten dürfen im Wagen nicht gehalten werden."

Wenn der Mensch bei Schweinebraten ist, neigt er zu
Sanftmut und Milde. Zäpernick ist jetzt sanft und mild.
„Dies ist freilich kein Speisewagen, da haben Sie recht,"
erklärt er, „aber haben denn Sie noch nie im Straßenbahn-
wagen gegessen? Jch habe schon sehr oft Schaffner und

19
 
Annotationen