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Ich. G. in. b. k.

Charakler. And ich würde auch nur eine Frau kriegen, die
stch verlrägt, und mit der gut auszukommen ist, — ich habe
nämlich, müffen Sie wissen, auch ziemlich viel Menjchen-
kenntnis. Nein, wichlig erscheint mir zunächst einmal die
Frage: wie lohnt sich das Äeiraten überhaupt? Gar nicht
oder ein wenig oder viel? Wird die Passivseite des Lebens
dadurch zu sehr belastet, oder kommt im Gegenteil was
Erhebliches sür die Aktivseite dabei heraus? Der Mensch
muß doch immer kalkulicren, in allen Angelegenheiten; bei
allem, was er tut oder uuterläßt, muß dem immer eine
vernünftige Kalkulation zu Grunde liegen. Sehen Sie zum
Beispiel: warum rauchen Sie eigentlich?"

Das war eine schwere Frage, denn bekanntlich kann
der Mensch, der dem Tabalgenuß ergeben ist, eine er-
schöpfende Auslunft über die Gründe dafllr uicht in ein
paar Worten geben. Jch sagte also kurz: „Run, der mit
dcm Nauchen verbundenen behaglichen Anregung wegen."

Er lächelte überlegen. „Verstehe schon, — Sie haben
sich das Raucben angewöhnt, und dann sind Sie dabei ge-
blieben. Schön, auch ein Grund, genügt aber lange nicht.
Ich werde Jhnen mal erzählen, wie ich das gemacht habe."
Er fuhr mit seiner Zigarre ein paar Male durch die Luft,
als zöge er einige Striche, gcwissermaßen, um seine Aus-
führungen gehörig zu unterstreichen. „Sehen Sie: ich habe
natürlich als Iunge hin und wieder mal geraucht, — ist ja
nicht anders, macht man ja immer als Iunge. Als ich dann
mit achtzehn Zahren von der Realschule abging, fing ich
an, mehr zu rauchen. Ich war ein robuster Kerl, ich sand
Genuß daran, und von Monat zu Monat rauchte ich
tüchtiger. Na, und dann war es eines Tages so weit, daß
ich mir sagte: Wenn du weiter rauchst, kannst du es schlicß-
lich nicht mehr lassen; wenn du aber Nichtraucher werden
willst, dann mußt du jctzt aufhören, sonst wird es zu spät
sein, — also muß das jeht übcrlegt werdcn. Darum kal-
kulierle ich. Wieviel steht auf der Passivseite? Schädigung
der Gesundheit, — sehr wichtig. kam aber bei mir nicht in
Frage, habe den Arzt darüber befragt. Leute wie ich
können stramm rauchen und doch steinalt dabei werden. Die
Kosten? Das war schon eine andere Sache. Es summiert
sich, was man für's Rauchen ausgibt, — das werden Sie
ja auch gut wissen. Im Lauf der Iahre kommt ein Kapital
dabei heraus, das einfach futsch ist, das aber doch zins-
tragend hätte angelegt oder geschäftlich verwendet werden
können. Die Kosten des Nauchens belasten also die Passiv-
seite ganz erheblich. Dann lommen noch einige kleinere
Posten hinzu. Zum Beispiel Aerger, — etwa, wenn man
im Nichtraucherabteil siyt und rauchen will. Aber nun die
Aktivseite. Erst einmal das Bergnügen, von dem Sie
schon sprachen. Nicht zu uuterschätzen; sein Vergnllgen
niuß der Mensch haben. Dann der Gewinn, — wohl ver-
standen: der Gewinn! Denn wenn wir uns die Sache
ordentlich überlegen, finden wir, daß die Kosten auf der
Passivseite zum Teil doch Spesen sind, geschäftliche Ankosten,
werbende Ausgaben. Aber ganz selbstverständlich. Der
Nichtraucher ist geschäftlich sehr oft im Nachteil. Wenn
man mit Geschäfissreunden zusammensiyt und eine Sache
abschließen will, und die andern rauchen, während man selbst
nicht raucht. — na, Sie können überzeugt sein: da kommt
man leicht ins Lintertreffen; bei der Zigarre arbeitet der
Verstand besser. Oder wcnn da einer mit einer geschäft-
lichen Sache nicht zufrieden ist und zu brummen anfäugt,
— na, man holt die Zigarrentasche 'raus, bietet ihm einen
Glimmstengel an, und die Sache wird in aller Freundschaft

Dilemma — „Weil mi koa anderer mag, mag mi der
Sepp a net — und bal mi amal a anderer
mag, nacha mag i an Sepp niinmer!"

erledigt. Ein Onkel von mir, mein Onkel Paul, hat mir
damals gcsagt: ,Eine gute Zigarre ist die Lauptsache! Bei
einer guten Zigarre hab' ich schon manchen tadellos über's
Ohr gehauen/ — Mein Onkel Paul ist ein erfahrener
Mann; sein Rat gab den Ausschlag, und ich entschied
mich, beim Nauchen zu bleiben. Na, und heute kann ich
mir wohl mit Recht sagen, daß meine Kalkulalion ganz
richtig gewescn ist."

Ich wunderte mich. „Donner auch, — und das haben
Sie sich mit achtzehn Iahren so genau überlegt?"

Er triumphierle, als wäre ihm große Anerkennung ge-
zollt worden. „Aebrigens erst mit neunzehn, denn ein
Iahr lang habe ich ja crst so darauf los geraucht. Ich
kam crst, wie gesagt, mit achtzehn Iahren von der Schule,
hatte mich ein bißchen ausgchalten. Das schadete aber nichts;
Faulheit in der Schule ist ganz dienlich, da wächst man sich
besser aus. Ietzt, wo das Einjährige, worum man damals
sich noch anstrcngen mußte, nicht mehr nötig ist, haben's die
jungen Leute auf der Schule noch besser; jcht können sie noch
fauler sein. Aber, — was ich sagen wollte: ich hätte meine
Kalkulation, wenns nötig gewesen wäre, ebenso gut ein Iahr
früher anstellen können. Man muß doch mit Verstand ins
Leben treten, nicht wahr? And das Kalkulieren ist immer
die Lauptsache. Sonst lebt nian ja am Ende ganz verkehrt.
Denn wozu lebt man? Nun sagen Sie, was Sie meineii:
wozu lebt man?"

Er fragte sehr eindnnglich, aber die Frage, wozu der
Meusch lebe, war vielleicht noch schwerer zu beantworten,
als die, warum der Mcnsch rauche. Ich suchle mich also einer
Anlwort zu entziehn, indem ich bemerkte: „Da müßte man
sich zunächst einmal doch tarüber einigcn, ob eine teleologische
oder eine causale Auffassung-"

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