gegeben; Ihr Beruf z. B."
— „Ich arbeite in einer Parfümfabrik."
— „Das kann aber doch kein Menfch riechen!"
DerProzeß gegen den unschuldigen Wurmlinger
Von Peter Nobinson
Der Rechtsanwalt Dr. Lugo Rübeland war seit einem
Iahre beim Amtegericht und beim Landgericht zugelafsen.
Die ersten drei Monate hatte er voll Angeduld und Ehrgeiz
auf Mandanten und Fälle gewartet, in Gesellschaft seines
Schreibers, der aber nicht so ungeduldig war, was wohl
daran lag, daß er sich die Zeit mit Fliegenfangen vertrieb,
eine Beschäftigung, die seinem Prinzipal natürlich nicht an-
gestanden hätte. Der Äerr Rechtsanwalt las statt dessen und
zwar Reichsgerichisentscheidungen und Detektivromane, aber
mehr von den letzten, die ja auch zweifellos viel angenehmer
zu lesen sind. Vom werten Monat an hatten sich dann so
nach und nach einige Mandanten eingestellt, aber die Rechts-
fälle, die ste brachten, waren kaum angetan, dem Ehrgeiz
eines jungen Iuristen zu genügen, — es war keine Ehre
dabei einzulegen, höchstens Berufung. Da war ein Prozeß
gegen eine Feuerversicherungsgesellschaft, die einen alten
Schlafrock nicht bezahlen wollte, trotzdem er einen ersicht-
lichen Brandschaden aufwies, — nämlich ein von einer Zi-
garre hineingebranntes Loch. Dann ein Streit zwischen Laus-
wirt und Mieter wegen Wanzen in einer Wohnung, eine
Feststellungsklage bezüglich derNutznießung an einem gerade
auf der Grenze zweier Grundstücke gewachsenen Apfelbaum,
der aber nur Lolzäpfel trug, denn er war nicht veredelt
worden, die Klage eines Zahnkünstlers auf Bezahlung eines
gelieferten Gebisses, wobei aber der Beklagte nicht mehr auf-
zufinden war, und ähnliche, ganz und gar nicht interessante
52
Fälle. Auch eine Verteidigung hatte
Dr. Rübeland gehabt, aber sein Klient
war kein Millionendefraudant gewesen,
kein Lochverräter, kein Massenmörder
oder sonst ein tüchtiger Verbrecher, der
feinen Anwalt bekannt machen konnte,
sondern nur eine Milchfrau, die Wasser
in die Milch gegossen hatte, ein Fall,
der also wirllich keinen Anlaß zu einem
großartigen Plaidoyer geben konnte, an
dem sich noch einmal die späte Nachwelt
würde erbauen können, wie etwa an den
Reden des römischen Rechtsanwalts Ci-
cero. Cicero hat eben bessere Fälle ge-
habt; er hat niemals Milchfrauen ver-
teidigt, die Wasser in die Milch gegossen
hatten.
Dr. Lugo Rübeland fand also in sei-
nem Beruf vorläufig nicht ganz die
Befriedigung, reiche Beschäftigung und
vielseitige Anerkennung, die er erwartet
hatte oder vielmehr: die feine Tante
Laura für ihn erwartet hatte. Denn
Tante Laura, nämlich ein Fräulein Laura
Pottgießer, hatle diesem ihrem verwais-
ten Neffen Lugo, nachdem sie ihn auf-
gezogen und aufs Gymnastum geschickt
hatte, das Rechtsstudium vorgeschlagen.
„Es ist mein Wunsch," hatte sie gesagt,
„und du wirst ihn gewiß achten, da ich
fchon so viel für dich getan habe und noch
mehr zu tun gedenke. Du mußt Rechts-
anwalt werden, Lugo. Einen schöneren
Berus kann ich mir überhaupt nicht den-
ken. Dem Rechte und der Wahrheit zum
Siege zu verhelfen, boshaft Gekränkten
oder Geschädigten Genugtuung zu ver-
schaffen, unschuldig Verfolgte und Eingekerkerte vom Ver-
dacht zu reinigen und zu befreien, — elwas Lerrlicheres
kann es doch gar nicht für einen Mann geben! Ach, lieber
Lugo, ich werde Freudentränen weinen, wenn du zum ersten
Mal einen Verbrecher frei gekriegt hast, — das heißt, ich
meine natürlich einen unschuldig eines Verbrechens Ange-
klagten. Einen wirklichen Verbrecher darfst du selbstverständ-
lich nicht herausreden oder auch'nur entschuldigen; da mußt
du im Gegenteil zusehn, daß ihn die Strafe auch gehörig
trifft, denn es wird ja deine Pflicht sein, dem Rechte zu
dienen und nicht dem Anrecht."
Fräulein Laura Pottgießer wußte also nichts von der
besonderen Gestaltung, die der Beruf eines Rechtsanwalts
in dieser rauhen und unfreundlichen Welt bekommen hat;
sie sah ihn etwa so, wie er vielleicht in einem Idealstaat
sein würde. Ihr Neffe Lugo ließ sie auch bei dieser Mei-
nung. Ihm kam es vor allen Dingen darauf an, daß Tante
Laura ihm die ansehnlichen jährlichen Zuschüsse, die sie
ihm fllr die ersten Iahre versprochen hatte, pünküch in
Monatsraten bezahlte. Das tat ste auch, denn sie hatte
gesagt: „Natürlich wirst du anfangs noch nicht viel zu tun
haben. Allmählich aber wirst du dir einen guten Nuf als
tüchtiger Rechtsanwalt erwerben; ich werde also nach und
nach meinen Zuschuß verringern und schließlich ganz auf-
hören lassen." — Einen Termin, wann dieses Aufhören des
Zuscbusses eintreten sollte, hatte Tante Laura nicht angegeben.
Der Rechtsanwalt Dr. Nübeland aber wünschte natürlich, daß
dieser Termin möglichst weit vertagt werden möchte.
— „Ich arbeite in einer Parfümfabrik."
— „Das kann aber doch kein Menfch riechen!"
DerProzeß gegen den unschuldigen Wurmlinger
Von Peter Nobinson
Der Rechtsanwalt Dr. Lugo Rübeland war seit einem
Iahre beim Amtegericht und beim Landgericht zugelafsen.
Die ersten drei Monate hatte er voll Angeduld und Ehrgeiz
auf Mandanten und Fälle gewartet, in Gesellschaft seines
Schreibers, der aber nicht so ungeduldig war, was wohl
daran lag, daß er sich die Zeit mit Fliegenfangen vertrieb,
eine Beschäftigung, die seinem Prinzipal natürlich nicht an-
gestanden hätte. Der Äerr Rechtsanwalt las statt dessen und
zwar Reichsgerichisentscheidungen und Detektivromane, aber
mehr von den letzten, die ja auch zweifellos viel angenehmer
zu lesen sind. Vom werten Monat an hatten sich dann so
nach und nach einige Mandanten eingestellt, aber die Rechts-
fälle, die ste brachten, waren kaum angetan, dem Ehrgeiz
eines jungen Iuristen zu genügen, — es war keine Ehre
dabei einzulegen, höchstens Berufung. Da war ein Prozeß
gegen eine Feuerversicherungsgesellschaft, die einen alten
Schlafrock nicht bezahlen wollte, trotzdem er einen ersicht-
lichen Brandschaden aufwies, — nämlich ein von einer Zi-
garre hineingebranntes Loch. Dann ein Streit zwischen Laus-
wirt und Mieter wegen Wanzen in einer Wohnung, eine
Feststellungsklage bezüglich derNutznießung an einem gerade
auf der Grenze zweier Grundstücke gewachsenen Apfelbaum,
der aber nur Lolzäpfel trug, denn er war nicht veredelt
worden, die Klage eines Zahnkünstlers auf Bezahlung eines
gelieferten Gebisses, wobei aber der Beklagte nicht mehr auf-
zufinden war, und ähnliche, ganz und gar nicht interessante
52
Fälle. Auch eine Verteidigung hatte
Dr. Rübeland gehabt, aber sein Klient
war kein Millionendefraudant gewesen,
kein Lochverräter, kein Massenmörder
oder sonst ein tüchtiger Verbrecher, der
feinen Anwalt bekannt machen konnte,
sondern nur eine Milchfrau, die Wasser
in die Milch gegossen hatte, ein Fall,
der also wirllich keinen Anlaß zu einem
großartigen Plaidoyer geben konnte, an
dem sich noch einmal die späte Nachwelt
würde erbauen können, wie etwa an den
Reden des römischen Rechtsanwalts Ci-
cero. Cicero hat eben bessere Fälle ge-
habt; er hat niemals Milchfrauen ver-
teidigt, die Wasser in die Milch gegossen
hatten.
Dr. Lugo Rübeland fand also in sei-
nem Beruf vorläufig nicht ganz die
Befriedigung, reiche Beschäftigung und
vielseitige Anerkennung, die er erwartet
hatte oder vielmehr: die feine Tante
Laura für ihn erwartet hatte. Denn
Tante Laura, nämlich ein Fräulein Laura
Pottgießer, hatle diesem ihrem verwais-
ten Neffen Lugo, nachdem sie ihn auf-
gezogen und aufs Gymnastum geschickt
hatte, das Rechtsstudium vorgeschlagen.
„Es ist mein Wunsch," hatte sie gesagt,
„und du wirst ihn gewiß achten, da ich
fchon so viel für dich getan habe und noch
mehr zu tun gedenke. Du mußt Rechts-
anwalt werden, Lugo. Einen schöneren
Berus kann ich mir überhaupt nicht den-
ken. Dem Rechte und der Wahrheit zum
Siege zu verhelfen, boshaft Gekränkten
oder Geschädigten Genugtuung zu ver-
schaffen, unschuldig Verfolgte und Eingekerkerte vom Ver-
dacht zu reinigen und zu befreien, — elwas Lerrlicheres
kann es doch gar nicht für einen Mann geben! Ach, lieber
Lugo, ich werde Freudentränen weinen, wenn du zum ersten
Mal einen Verbrecher frei gekriegt hast, — das heißt, ich
meine natürlich einen unschuldig eines Verbrechens Ange-
klagten. Einen wirklichen Verbrecher darfst du selbstverständ-
lich nicht herausreden oder auch'nur entschuldigen; da mußt
du im Gegenteil zusehn, daß ihn die Strafe auch gehörig
trifft, denn es wird ja deine Pflicht sein, dem Rechte zu
dienen und nicht dem Anrecht."
Fräulein Laura Pottgießer wußte also nichts von der
besonderen Gestaltung, die der Beruf eines Rechtsanwalts
in dieser rauhen und unfreundlichen Welt bekommen hat;
sie sah ihn etwa so, wie er vielleicht in einem Idealstaat
sein würde. Ihr Neffe Lugo ließ sie auch bei dieser Mei-
nung. Ihm kam es vor allen Dingen darauf an, daß Tante
Laura ihm die ansehnlichen jährlichen Zuschüsse, die sie
ihm fllr die ersten Iahre versprochen hatte, pünküch in
Monatsraten bezahlte. Das tat ste auch, denn sie hatte
gesagt: „Natürlich wirst du anfangs noch nicht viel zu tun
haben. Allmählich aber wirst du dir einen guten Nuf als
tüchtiger Rechtsanwalt erwerben; ich werde also nach und
nach meinen Zuschuß verringern und schließlich ganz auf-
hören lassen." — Einen Termin, wann dieses Aufhören des
Zuscbusses eintreten sollte, hatte Tante Laura nicht angegeben.
Der Rechtsanwalt Dr. Nübeland aber wünschte natürlich, daß
dieser Termin möglichst weit vertagt werden möchte.