— „Das dürfen Sie n»cht wieder inachen, Gnädigste, daß Sie so
Weit hinausschwimmen, — ich hielt Sie schon für verloren."
— „Dann hätten Sie mir nachschwimmen sollen."
— „Anmöglich, — mir zilterten alle Glieder vor Angst um Sie."
Brümineckes
sie ja nicht fortgeschickt, sondern Emma hatte,
wie es in dem Zeugnis stand, selbst gehn wollen.
„Nun, man will sich doch mal verändern," er°
klärte sie auf eine Frage meiner Frau. Das
war eine etwas unklare Auskunft, aber weiter
zu fragen, wäre unzart gegen die uns unbe-
kannten Brümmeckes gewesen, bei denen Emma
vielleicht dies oder jenes nicht gefallen haben
mochte.
Als Lohn beanspruchte Emma Knäksch hun-
dert Mark für den Monat. Meine Frau hatte
eigentlich nur fünfundsiebzig Mark geben wollen,
aber davon lönnte gar keine Rede sein, erklärte
Emma. Denn bei Brümmeckes hätte sie hundert
Mark gehabt, und sie wollte sich natürlich nicht
verschlechtern. Damit hatte sie recht; dagegen
ließ sich gar nichts einwenden, niemand durfte
sie deshalb tadeln. Zu tadeln war höchstens
Brümmecke,weil er unverständig genug gewesen
war. einen so hohen Lohn zu bewilligen. Leider
aber gibt es bei dem großen Mangel an einiger-
maßen zuverlässigen Dienstboten viele Leute,
die, weil sie es dazu haben und gar nicht zu
rechnen brauchen, den Köder eines fetten Loh-
nes auswerfen. Meine Fiau und ich beiprachen
das und fanden, daß so etwas sich nicht gehörte,
und daß man eigentlich prinzipiell solche Preis-
treibereien nicht mikmachen dürfte. Aber bei
Emma Knätsch mußte nun schon eine Ausnahme
gemacht werden. Oskar Brümmecke hatle durch
sein böses Beispiel eine gute Sitte — die näm-
lich, keinen zu hohen Lohn zu zahlen — ver-
dorben; er hatte sich sehr unpassend benommen.
Diese Feststellung bedeutete den ersten Keim
einer nach und nach wacbsenden Empörung über
diesen Mann und seine Sitten und Gewohn-
heiten.
Emma Knätsch trat ihre Stelle an. Wirk-
lich, sie erschien, — wenn auch lange nach der
verabredeien Tageszeit. Sie kam spät, aber sie kam doch, —
wie der Graf Isolani, der von Schiller haupisächlich zu dem
Zweck in die Literatur gebracht worden ist, damir man zu
spät kommende Leute mit einer gesälligen und geiüreichen
Wendung begrüßen kann. Wir waren sehr froh, und dazu
hatten wir allen Grund. Denn wenn man auch ein Dienst-
mädchen gemietet beziehungsweise eine Lausgehilfin engagiert
hat, — ob sie sich auch wirklich einstellt, kann man nie vorher
wissen; das hängt ganz von ihrem Belieben, ihrer Stim-
mung und vielen, vorher unmöglich in Berücksichtigung zu
ziehenden Zusällen ab.
Von dem ihr zugewiesenen Zimmer war Emma nicht
besonders begeistert. Es ginge an, meinke sie, aber bei
Brümmeckes hätte ste ein viel schöneres Zimmer gehabt.
Einen großen Waschtisch mit einer richtigen Marmorplatte
hätte sie da gehabt und einen Teppich und einen Schrank
mil Spiegellür und überhaupt alles Mögliche. Aber es könnte
ja schließlich nicht überall so sein wie bei Brümmeckes, be-
merkle sie zum Schluß mit einer Art gutmüligen Entgegcn-
kommens. Nur eines ginge wirklich nicht. Die von der
Mitte der Zimmerdecke herabhängende Lampe genügte nicht;
sie brauchte unbedingt noch eine Stehlampe. Denn sie hätte
doch Briefe zu schreibcn, und manchmal etwas lesen wollte
sie auch, aber sie hätte gar keine Lust, sich die Augen zu
verderben. Bei Brümmeckes hätte sie eine Stehlampe gehabt.
eine schöne große Stehlampe mit einem grünseidenen Schirm
und einer G ühbirne von 32 Kerzen Leuchtkraft. Ia. was
war da zu machen? Wir hatten grade keine überflüssige
Stehlampe, also nahm ich die von meinem Nachttisch und
gab sie Emma Knätsch. damit sie doch nicht gleich bei ihrem
Einzug eine Enttäuschung erlcbte. Es war zwar nur eine
Birne von 25 Kerzen darin, aber ich hoffte, Emma würde
es nicht merken. Ich bin gewöhnt, vor dem Einschlafen noch
etwas im Bett zu lesen. Das mußte ich diesmal bei dem
kümmerlichen Licht einer Stearinkerze tun, und nachher taten
mir die Augen weh. Ich fluchte deshalb ein bißchen auf
Brümmecke.
Am nächsten Morgen blieb Emma zunächst unstchtbar.
Vei uns wird früh aufgestanden, denn meme Töchter mllffen
in die Schule und haben eincn weiten Weg. Es wäre also
ganz angenehm gewesen, wenn Emma sich gezeigt und ein
bißchen gearbeiket hätte. Aber erst um neun Llhr tauchte sie
auf, recht verschlafen aussehend. Nun, sie war am Abend
vorher wohl lange aufgeblieben, um ihren Koffer auszupacken
und ihre Sachen zu ordnen. Wir sagten nichts dazu; wir
nahmen an, daß es Emma wohl selbst unangcnehm wäre,
so spät in Funktion zu treten. Aber sie ließ sich nichts davon
merken; sie wußte sich gut zu beherrschen.
Doch am Tage darauf kam sie auch erst wieder um neun
Llhr an. War das am Ende doch für sie die gewohnte Zeit
US