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Bauernhaus bei Davos

BrümmeckeS

zum Aufstehn? Meine Frau erlaubte sich eine bescheidene
Anfrage, verknüpft mit dem Linweis auf die unleugbaren
Vorteile, die ein früher Beginn der Arbeit für emen ordent-
lichen Laushalt hat. Emma schüttelte sehr verwundert den
Kopf. Nein, das hätte sie bei uns nicht erwartet, meinte sie.
Bei Brümmeckes wäre sie immer erst um neun Ahr aufge-
standen, und das hätte vollkommen genügt, denn die Lerr-
schaften hätten erst um zehn sthr das Bett verlassen. - Ja, aber
wie wäre es denn mit den Kindern gewesen? erkundigte sich
meine Frau; die hätten doch wohl zur Schule gemußt. Das
bestätigte Emma. Aber die beiden jungen Fräulein, erzählte
sie, das Fräulein Cäcilie und das Fräulein Lermine, — o,
die hätten sich ihr Frühstück selbst zurecht gemacht und wären
dann ganz still davon gegangen. Das wären überhaupt sehr
nette Mädchen gewesen. Sie könnte gar nicht begreifen, daß
wir nicht länger schliefen, schloß Emma ihre Aussührungen.
Brümmeckes wären so feine Leute gewesen, und feine Leute
ständen immer spät auf. Es schien unzweckmäßig, etwas da-
rauf zu erwidern. Wenn man Emma jetzt erzählt hätte, daß
Friedrich der Große schon um drei Uhr aufzustehn und sich
an die Arbeit zu setzen Pflegte, dann hätte sie vielleicht ge-
sagt, Friedrich der Große wäre eben lange nicht so fein
gewesen wie der Lerr Brümmecke.

Brümmeckes schienen überhaupt der Maßstab zu sein,
nach dem Emma Knätsch die übrige Menschheit bewertete,
vorzüglich aber uns. Sie legte in den nächsten Tagen diesen
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Maßstab sehr oft an und teilte uns dann das Resultat ganz
offenherzig mit. Da war zuerst einmal die Verpflegung.
Emma kochte sich zum ersten Frühstück zwei Eier, — ohne
zu fragen, wie selbstverständlich. Das gefiel meiner Frau
nicht, aber Emma gesiel es nicht, daß es meiner Frau nicht
gefiel. Ia, warum sollte sie denn nicht Eier zum Frühstück
haben dürfen? Bei Brümmeckes hätte sie immer welche
gehabt; Brümmeckes wären nicht so gewesen. Zum Mittag-
essen aber verlangte Emma ein halbes Pfund Fleisch und nach-
mittags Bohnenkaffee und abends eine ordentliche Portion
Wurst oder etwas Geräuchertes. Den bescheidenen Linweis
daraufldaß sich das gegenwärtig nichtimmer ermöglichen ließe,
und daß sich das deutsche Volk einige Einschränkungen aufer-
legen müßte, — dieser nicht ganz unberechtigten Vorstellung
begegnete Emma mit der Erklärung, Lerr Brümmecke hätte
gesagt, sparen müßte man schon, aber ja nicht mit dem Essen.

Nun, Brümmeckes schienen auch sonst nicht sehr gespart
zu haben. Emma verbrauchte in den ersten acht Tagen so
viel Gas in der Küche, daß die unerfreuliche Aussicht auf
eine Monatsrechnung von etwa zweihundert Mark drohend
am Lorizont auftauchte. Zweihundert Mark? Nun ja, meinte
Emma, so viel hätte die Monatsrechnung bei Brümmeckes
immer gemacht. Das Gas wäre eben so teuer, aber ohne
Gas ginge es doch nicht. Lerr Brümmecke hätte immer ge-
sagt: Was sein muß, das muß seinl

In anderen Beziehungen schien Brümmecke aber doch
wieder ganz bescheiden gewesen zu sein. Emma liebte es
 
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