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Der ^eik » . . . » » Von Peter Robinson

Ja, eigeiitlich wollte ich schreiben: der Leithammel. Llber
das geht doch nicht; ich kann es nicht über mich bringen.
Denn in dieser Geschichte bin ich selbst derjenige, der geleitet
hat, und deshalb paßt mir der Lammel nicht. Man wird
dieses Gefühl verstehen und würdigen. Es müßte also ein an-
deres Geschöpf genannt werden, das sich auch leitend zu be-
nehmen Pflegt. Mir fällt aber im Augenblick keins ein;
dazu bin ich naturwissenschaftlich viel zu wenig gebildet.
Ich habe in der Naturgeschichtsstunde niemals aufgepaßt;
da habe ich lieber hinter dem Rücken meines Vordermannes
etwas Schönes gelesen. Ich könnte nun behaupten, daß ich
Shakespeare, Goethe, Byron und andere große Dichter ge-
lesen hätte, und es würde vielleicht auch Leute geben, die
so furchtbar dämlich sind, daß sie mir das glauben würden.

Weil aber sehr viele andere Leute in solchen
Dingen doch Bescheid wiffen, will ich lieber
die Wahrheit sagen und bekennen, daß ich
damals ganz andere Lektüre getrieben habe,
— z. B. die Geschichte des Grafen von Monte
Christo und eine weniger berllhmt gewordene,
aber auch sehr schöne, viele tausend Seiten um-
fassende Geschichte eines anderen Grafen, näm-
lich: Graf Bogumil Kaminski, der unschuldig
des Mordes Angeklagte und zum Tode Ver-
urteilte oder dasunheimlicheLaus in Warschau.
!lnd dann vor allen Dingen natürlich Karl
May, dessen Stern damals grade im Auf-
steigen begriffen war. —

Also: der Leit. Ieder möge das

Wort ergänzen, wie er will. Aber natürlich
mit etwas Schönem, Klugen, Edlen, — das
möchte ich mir ausgebeten haben. And dann
möge er diese Geschichte zur Kenntnis nehmen.

Ich wohne in einem der letzten Läuser der
Stadt. Man Pflegt in solchem Fall zu sagen,
daß man an der Peripherie der Stadt wohne.
Das ist aber nicht ganz richtig; ein einzelnes
Individuum kann unmöglich an der Peripherie
wohnen, denn die geht um die ganze Stadt
herum, — es kann sich immer nur um einen
einzelnen Punkt der Peripherie handeln. An
dem fllr mich än Betracht kommenden Punkt
nimmt ein schöner alter Park seinen Anfang,
der sich weit in den freien Landbezirk hinauszieht. Von
Spaziergängern aus dem Innern der Stadt wird der Park
sehr wenig besucht. Die Leute scheinen diese Gegend noch
gar nicht zu kennen, und das ist eine sehr angenehme !ln-
kenntnis, — für die andern nämlich, die da draußen wohnen.

Nun fiel es aber einmal zu Anfang eines Sommers
einem mir persönlich nicht bekannten Menschen, auf den ich
deshalb sehr gern den sogenannten ersten Stein gcworfen
hätte, und zwar einen ganz gehörig großen und dann gleich
noch einen zweiten, dritten und vierten hinterdrein — es
fiel also jenem Menschen ein, daß man dort im Park eine
Freilichtbühne errichten und auf dieser ein biblisches Schau-
spiel vorführen könnte. Die Verwirklichung dieses Einfalls
stieß leider nicht auf jene Schwierigkeiten, die sich anderen,
nützlicheren und vernünftigeren Anternehmungen in den
Weg zu stellen Pflegen. Sehr bald war aus allerlei kunstlos

Das Kindermädchen

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