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Der Mexikaner

„Es sind sehr viele Deutsche unter den Artisten, nicht
^ahr?" fragte ich, so nebenbei.

Er nickte. „Ia, eine Menge. Nette Kollegen. Ich habe
sie ganz gern, die Deutschen."

Nun wußte ich Bescheid, was kommen würde. Also
^ieder einmal einer von der Sorte. Aber diesen wollte ich
"icht so leicht los laffen; ich hatte ihn ja auch sest, aussteigen
kvnnte er nicht. Ich merkte, wie er schon gierig auf die Frage
^artete, die ich ihm nun, und allerdings nicht ohne Reugier,
^vrlegte. „Ah, Sie sind nicht Deutscher, — ich hatte Sie
bestimmt dafllr gehalten. Was sind Sie denn?"

„O, ich bin Mexikaner!" sagte er prompt und es war
iu crkennen, daß er das lchon manchmal in ähnlichen Si-
^uationen gesagt hatte. Mit einer zufälligen Geste deutete
^ dabei in die Ferne, weit, weit über das Meer.

Die Deutfchen haben eine für sie typische Redensart,
*venn fle für irgend etwas geringe Einschähung bekunden
wvllen. „Das ist nicht weit herl" sagen sie. Ia, was so recht,
^cht weit her ist, — das gilt etwas, das imponiert. !lnd
^bhalb versehte der junge Mann seine Wiege nach Mexiko.
^ ich bin Mexikanerl" erklärte er stolz. Aber er sagte
"^eck-si", und das war schon dumm; wenigstens hätte er
"'iisen müffen, wie er das Wort auszusprechen hatte.

„Aha, Mexikanerl" meinte ich interessiert und sprach
^uch „Meck-si" aus, um ihn in Sicherheit zu lullen u»d auf
. ?ur fürwitzig belretenen Pfade weiter wandeln zu lassen,
grüudlich hinunterplumpsen würde. „Ia, Mexiko! Ein
)°nes, ein aufblühendes, ein zukunftsreiches Landl Aus
"'"cher Ltadt denn?"

"Monterey," antwortete er sofort, ohne Bestnnen, und
^raus war gleichfalls zu merken, daß er das auch schon

manchmal gesagt hatle. Er hatte stch also wohl doch einmal
die Landkarte angesehn. Immerhin war es einigermaßen
geschickt, daß er nichl einfach die Lauptstadt Mexiko genannt
hatte oder Vcra Cruz; das wäre doch plump gewesen.

„Ah, aus Monterey!" sagte ich. „Wie interessant! Aber
Sie sind dort nicht aufgewachsen, — schon als Kind fort-
gekommen, uach Deutschland, nicht wahr?"

Das verdroß ihn nalürlich. „Vor zwei Iahren erst,"
sprach ec mit Nachdruck. Solch eine Antwort ungefähr halte
ich haben wollen, die konnte ich gut gebrauchen. Ich saß
neben dem Schorustein und rutschte nun aus dem Mond-
schein etwas in den Schatten, daß er mein Gesicht nicht sehn,
ich aber das seinc gut beobachten konnte. „Ia, Monterey!"
sprach ich, mit etwas künstlichem Schmelz in der Stimme.
„Eine entzückende Stadt, außerdem die gesündeste des ganzen
Landes. Diese herrliche Lage zwischen den Bergen, dem

Cerro de la Mitra und dem-wie heißt doch gleich der

andere?-de la Silla, nicht wahr? — — das roman-

tische Tal des Flusses, des Rio de Mvnterey, der eilenden

Laufes-ja, wohin fließt er doch gleich? Sagen Sie:

wohin fließt der Nio de Monterey?"

Ein ganz leichtes Zucken ging über sein Gesicht. „Ia,
wohin fließt er doch gleich? Na, ins Meer natürlich."

„Ins Meer? Erlauben Sie — jetzt fällt mirs ein: der
Rio de Monterey fließt noch lange nicht ins Meer, — der
fließt in den Pesquerto, und der wieder fließt in den Rio
Grande del Norte, und erst dieser ergießt sich in den Atlan-
lischen Ozean. Es ist doch die alte Sache: die Eingeborenen
wissen immer am wenigsten Bescheid."

„Na freilich, — das ist einmal so." Erst war er bei
meiner geographischen Auseinandersehung ein bißchen un-
ruhig geworden; jetzt war er wieder zufrieden.

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