Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Der Mexikaner

^gte er, die Worte etwas mühsam aneinander reihend.

„Ia, vor drei Zahren, vom November bis zum
^ärz. Dann fuhr ich südwärts, nach Tampico, — der
gewöhnliche Weg, wen» man wieder nach Europa will.
^ordwärts, durch die Vereinigten Staalen, ist das ja
^we unendliche Strecke. Sind Sie auch über Tampico
Sefahren?"

„Natürlich."

Damit hielt er diesen Punkt fllr glücklich er-
^edigt. Aber das war er nicht, o nein. Denn vor zwei
Tagen hatte ich einen sehr lehrreichen Artilel über
die mexikanischen Eisenbahnen gelesen. „Natürlich sind
Sie auch stolz auf die Eisenbahn nach Tampico be-
öiehungsweise nach dem Norden/ meinte ich. „Ich
habe nämlich noch keinen Einwohner von Monterey
gefunden, der sich nicht was Ordentliches auf diese
^ahn eingebildet hätte."

Jetzt wußte er nicht, was er sagen sollte. Tastend

i>ng er an: „Na ja-schwieriger Bau-die

vielen Tunnels.-"

Für einen Augenblick rückte ich aus dem Schatten
heraus, damit er sehen sollte, wie heftig ich den Kopf
schüttelte. „Aber nein, aber nein! Ia, wissen Sie denn
gar nicht die Lauptsache? Ist Ihnen denn nicht bc-
kannt, warum die Monkerey and Mexican Golf Eisen-
dahn die merkwürdigste Eisenbahn der ganzen Welt
sst? Aber ich bitte Sie: die Schienen dieser Eisenbahn
stegen doch auf Schwellen aus Mahagoni, aus echtem Ma-
hagoniholz, und alle Brücken sind aus weißem Marmor
gebaut."

„Ach so — das meinen Sie." Er tat zerstreut und streichelte
seinen Beppo. Ich fürchtete, er könnte mir ausreißen wollen,
und deshalb erzählte ich jetzt forsch darauf los: „Ia, Monterey
hat mir gut getan, sehr gut. Das Ktima macht alles. Natür-
stch bin ich auch ein paarmal der Form halber zum Doktor
^artholo gegangen, — der hat ja im Winter die ganze
Treindenpraxis. Sie kennen ihn selbstverständlich, ist ja eine
bekannlesten Persönlichkeiten der Stadt. Schon ein bißchen
uster Lerr, auch als Arzt altmodisch, liebt drastische Laus-
U'ittel. Man hat mir erzählt, daß er am liebsten mit Senf-
hstaster kuriert. Ich habe allerdings keins bekommen, häkte
ds auch nicht aufgepappt, aber sonst soll es sein Lauptmittel
stin. Senfpflaster und dazu Nhabarbertinktur, —stimmt das?"
„Ia, ja, das macht er gern." Der junge Mann versuchte
kleines Lachen. Nach seiner Ankenntnis bezüglich der
^isenbahn wollte er sich jetzt doch orientiert zeigen. „Freilich,
lreilich: Senspflaster und Rhabarbertinktur."

, „Aha, Sie haben wohl auch mal solch Pflasterchen von
'hn, bekommen und auch Nhabarbertropfen. Lat übrigens ein
sttachtvolles Laus, der Doktor Bartholo. Neben dem Re-
g'erungsgebäude, gegenüber der zweiten Brücke über den Rio,
^unnordwärtsgerechnet. Odernein, —ist es die dritte Brücke?

unnerwetter,jetzt weiß ich wahrhaftig nicht:wieviel Brücken
stnd denn über dem Fluß: drei oder vier?"

„Vierl"

„Vier? Wie leicht man das doch vergißt. Also dann
s^gt das Laus natürlich gegenüber der dritten Brücke. Sagen
befindet stch der große Balkon eigentlich im ersten oder
zweiten Stockwerk?"

»Im zweilen." Er zeigte große Sicherheit.

. "2m zweiten? Irren Sie sich da auch nicht? Ich entsinne
' ^ doch, datz man beinahe jemand hätte die Land reichen
"nen, der sich auf dem Balkon befand, — so hoch kann er
doch nicht gewesen sein."

— „Ausnahmsweise hat der kluge Caro das Spiel ver-
loren; — die Karten waren aber auch unterm Lundl"

Er tat, als ob er nachdächte und sich im Geiste das Laus
vorstellte. „Ia, Sie haben recht: der Balkon gehört zum
ersten Stock."

„Sehen Siel Manchmal saß da auf dem Balkon ein
entzückendes junges Mädchen. O, Sie werden sie oft gesehn
haben. Man erzählte mir, sie wäre eine Nichte oder ein Mün-
del des Doktor Bartholo. Nicht wahr, Sie erinnern sich?"

„O gewiß, die hab' ich gut gekannt." Ein bißchen kokett
versuchte er das zu sagen.

„Sie haben sie gekannt? Aber das ist ja famos. Dann
werden Sie mir auch sagen können, was aus der Geschichle
mit dem Offizier geworden ist. Mein Gastwirt hat mir da-
von erzählt; die Sache spielte aber noch, als ich abfuhr.
Das war vor drei Iahren; Sie sind ja aber erst zwei Iahre
aus Monterey fort. Wie war das doch gleich? Es war ja
ein richtiger kleiner Skandal. Man behauptete nämlich, der
brave alte Doktor Bartholo hätte ernstlich die Absicht ge-
habt, sein reizendes Mündel zu ehelichen, schon ihres statt-
lichen Vermögens wegen. Aber das junge Ding — hallo,
jetzt fällt mir auch der Name ein: richtig. Rosina hieß sie —
also Rosina wollte natürlich den alten Doktor nicht. Es kam
da auch noch eine kleine Liebesgeschichte hinzu, mit einem
Offizier der Nationalgarde, glaube ich. Die ganze Stadt
wußte Bescheid, bloß der Doktor Bartholo nicht. Wie hieß
doch der Offizier gleich? Ich meine: Almaviva hieß er. Nicht
wahr?"

„Ja, ja, so hieß er."

„Ia, und ganz Monterey hat gelacht, als dieser forsche
Kerl den Doktor Bartholo übertölpelte. Der fing nämlich
schließlich doch an, etwas zu merken, und hätte den Lerrn
Leutnant natürlich nie und nimmer ins Laus gelassen. !lnd
da schlich sich dieser Lerr Almaviva doch als angeblicher
Mustklehrer ein, um der schönen Rosina Klavierunterricht
zu geben. Ia, und bei der Geschichte war doch auch noch
der — na, was war er doch gleich? So eine Art Musik-
meister, glaube ich, — Direktor des städtischen Orchesters,
nicht wahr? Basilio hieß er. Labe ich recht?"

tForksetzung Seite 57) 55
 
Annotationen