Ein kleiner Schieber -rwn-Pcker Robinsvn
„Man müßte wahrhaftig auch anfangen, ein bißchen zu
schieben!"
Das haben schon viele Leute gesagt. Lugo Miesefink
hat es auch schon oft gesagt, und dann hat er, was die Ver-
treter solcher, der Verwirklichung aber meist aus verschiedenen
Gründen entzogenen Ansicht gewöhnlich auch tun, geseufzt
und hinzugesetzt: „Aber freilich, — etwas Geld gehörke dazu,
»ur ein kleines Anfangskapital. Wenn man nur mal ein
Paar größere Scheine zwischen die Finger bekäme, — Donner-
wetter, dann sollte es losgehn! Nanu, das müßte doch mit
dem Teufel zugehn, wenn man das nicht auch könnte l"-
Lugo Miesefink ist ein Kopist. Aber nicht beim Gericht
oder der Polizei oder sonst einer Behörde, wo er Akten oder
andere Schriftstücke, über deren Wichtigkeit sich streiten ließe,
zu kopieren hätte, — nein, solch ein heutzutage verhällnis-
mäßig gar nicht mal so schlecht bezahlter Kopist ist er nicht.
Er steht überhaupt in keinem Anstellungsverhältnis, er ist
ein selbständiger Kopist. Er kopiert nämlich Bilder, — alte
Meister, was durchschnittlich nicht so gut bezahlt wird wie
das Kopieren von Akten.
Man darf aber daraus nicht
schliesen, daß die alten Mei-
ster weniger wert seien als die
Akten, oder daß etwa das
Kopieren der Akten schwie-
>>ger sei als das der alten
Meister, — das hat mit der
Geldfrage nicht das geringste
)U tun. Zwischendurch, wenn
" grade mal Glück hat und
svlch einen Auftrag bekommt,
^riigt Lugo Miesefink auch
^orträts an, — nach Photo
Kraphien, die ihm zu diesem
3>veck leihweise überlassen
werden. Meist handelt es stch
^abei um teure Verstorbene,
^rren Andenken in solcher
^eise geehrt werden soll,
und Miesefinks Werke sind
rigentlich nicht viel mehr als
sarbige Vergrößerungen der
>>hvtographien. Aber er gibt fich viel Mühe dabei und erntet
^ach manche Anerkennung, — wobei freilich zu berückstch-
i>gen ist, daß die Originale der Porträts eben nicht mehr
" stnd und nicht zum Vergleich herangezogen werden kön-
Trohdem: das alles hat niemals gereicht, Miesefink
^af einen grünen Zweig zu bringen. Er hat immer nur auf
^wem dürren Ast gesessen, stets ein bißchen in Furcht, daß
wser unker ihm brechen und er ganz und gar hinunter-
arzeli, könnte. !lnd deshalb sprach er so oft: „Man müßte
ahrhaftig auch anfangen, ein bißchen zu schieben. Aber
^'lich, etwas Geld gehörte dazu usw."-
. ^a starb eines Tages Miesefinks Tante Barbara Lutzen-
" ' Sie war aber nicht etwa, wie man nun vcrmuten
desn Erbtante von ihm gewesen. Das hatte sie schon
a.bhalb „icht sein können, weil noch ein gewisser Iakob
zu ^"laub da war. Ihr Gatte nämlich. Der erbte, und das
2ak ^"^anden, lagen auch nicht die geringsten Gründe vor.
Gatt E>utzenlaub nun wünschte nachträglich ein Bild seiner
w z„ besitzen, ein Oelbild, und es war brav von ihm
er d "" ^swandte sollen sich was zukommen lassen — daß
auch^' ^iuitrag seinem Neffen gab. Aebrigens wußte er
v» keinem andern Künstler, der ihm so was gemacht
hätte. Lugo Miesefink tat sein Bestes, sein Allerbestes, und
das Porlrät der seligen Tante Barbara wurde so schön,
daß Onkel Iakob zu Tränen gerührt war. Das Bild war
nach einer alten Photographie aus dem Iahre 1890 ange-
fertigt, stellte also ein Iugendbildnis dar, und die Tante
trug darauf eine kleine Vrosche mit einem Kaiser Friedrich-
Zwanzigmarkstück. Dieses hatte der Künstler mit ganz be-
sonderer Sorgfalt ausgeführt.
Onkel Iakob war also zu Tränen gerührt. Wenn der
Mensch zu Tränen gerührt ist, läßt er sich mitunter zu einer,
ihm sonst vielleicht unbegreiflichen Großmut hinreißen. Was
tat Onkel Iakob? Zuerst drückte er seinem Neffen beide Lände,
und dann drückte er ihm noch cinmal extra die Nechte und
ließ dabei in der so gedrückten Land jenes Kaiser Friedrich-
Zwanzigmarkstück aus Tante Barbaras Brosche zurück, als
hohen Lohn sür das schöne Bild. Das war eine mediceische
Bezahlung, ja noch mehr, denn die Medici hätten beim besten
Willen keinen Künstler mit einem Kaiser Friedrich-Zwanzig-
markstück bszahlen können. And dabei bemerkte Onkel Iakob
noch ausdrücklich, der Neffe möchte das Goldstllck getrost
seiner irdischen Bestimmung
zuführen.
Die irdische Bestimmung
eines goldenen Zwanzigmark-
fiücks war früher die, aus-
gegeben zu werden, im ge-
wöhnlichen Wege des Be-
zahlens. Gegenwärtig läßt
sich über die irdische Bestim-
mung eines Goldstücks ftrei-
ten. Die Reichsbank behaup-
tet bekanntlich, die irdische
BestimmungeinesGoldstücks
wäre die, bei ihr gegen
Papiergeld umgetauscht zu
werden. Es gibt aber Leute,
die das für Blödsinn, ja für
Idiotismus erklären, — na-
türlich nicht die Behauptung
der Reichsbank, denn die
Reichsbank behauptet nic-
mals ekwas Blödsinniges
oder Idiotisches, sondern das
Amtauschen in Papiergeld, sofern cs bei der Reichsbank voll-
zogen wird. Sie sagen vielmehr, man müßte das Gold,
wenn man es, was vielleicht noch besser wäre, nicht noch
länger aufheben könnte, an andern, in reicher Anzahl zu
findenden Stellen gegen viel mehr Papier verkaufen, als die
Reichsbank jemals gutwillig dasür hergeben würde. —
Lugo Miesefink war beinahe daran gewesen, den Blöd-
sinn und Idiotismus zu begehen. Glllcklicherweise traf er
noch im letzten Augenblick, grade vor der Tür der Neichs-
bank, einen Bekannten, der ihn auf das durchaus Anzweck-
mäßige seiner Abstcht aufmerksam machte und auch in der
Lage war, ihm eine sür den Verkauf einer Goldmünze viel
mehr geeignete Stelle anzugeben. Willig ließ er sich belehren,
kehrte der Reichsbank den Nllcken und besaß eine halbe
Stunde später ein Summe Papiergeldes, die um 75 Pro-
zent das überstieg, was ihm die Reichsbank gegeben hätte.
Das Gelo im ganzen machte ihn froh, das nicht erwartele
Plus von 75 Prozent aber stolz. Es schien ihm das Resultat
eines wohl gelungenen Unternehmens, der verheißungs-
volle Beginn einer langen Reihe glänzender Geschäfte. „Ietzt
geht es los!" sprach er mutvoll zu stch; „jeyt wird ge-
schoben!"
Zivecklvs — „Diese langen Abende I Eigentlich könnte
ich mich ein bitzchen weiter bilden, aber das
macht sich jetzt ja doch nicht mehr bezahlt."
65
„Man müßte wahrhaftig auch anfangen, ein bißchen zu
schieben!"
Das haben schon viele Leute gesagt. Lugo Miesefink
hat es auch schon oft gesagt, und dann hat er, was die Ver-
treter solcher, der Verwirklichung aber meist aus verschiedenen
Gründen entzogenen Ansicht gewöhnlich auch tun, geseufzt
und hinzugesetzt: „Aber freilich, — etwas Geld gehörke dazu,
»ur ein kleines Anfangskapital. Wenn man nur mal ein
Paar größere Scheine zwischen die Finger bekäme, — Donner-
wetter, dann sollte es losgehn! Nanu, das müßte doch mit
dem Teufel zugehn, wenn man das nicht auch könnte l"-
Lugo Miesefink ist ein Kopist. Aber nicht beim Gericht
oder der Polizei oder sonst einer Behörde, wo er Akten oder
andere Schriftstücke, über deren Wichtigkeit sich streiten ließe,
zu kopieren hätte, — nein, solch ein heutzutage verhällnis-
mäßig gar nicht mal so schlecht bezahlter Kopist ist er nicht.
Er steht überhaupt in keinem Anstellungsverhältnis, er ist
ein selbständiger Kopist. Er kopiert nämlich Bilder, — alte
Meister, was durchschnittlich nicht so gut bezahlt wird wie
das Kopieren von Akten.
Man darf aber daraus nicht
schliesen, daß die alten Mei-
ster weniger wert seien als die
Akten, oder daß etwa das
Kopieren der Akten schwie-
>>ger sei als das der alten
Meister, — das hat mit der
Geldfrage nicht das geringste
)U tun. Zwischendurch, wenn
" grade mal Glück hat und
svlch einen Auftrag bekommt,
^riigt Lugo Miesefink auch
^orträts an, — nach Photo
Kraphien, die ihm zu diesem
3>veck leihweise überlassen
werden. Meist handelt es stch
^abei um teure Verstorbene,
^rren Andenken in solcher
^eise geehrt werden soll,
und Miesefinks Werke sind
rigentlich nicht viel mehr als
sarbige Vergrößerungen der
>>hvtographien. Aber er gibt fich viel Mühe dabei und erntet
^ach manche Anerkennung, — wobei freilich zu berückstch-
i>gen ist, daß die Originale der Porträts eben nicht mehr
" stnd und nicht zum Vergleich herangezogen werden kön-
Trohdem: das alles hat niemals gereicht, Miesefink
^af einen grünen Zweig zu bringen. Er hat immer nur auf
^wem dürren Ast gesessen, stets ein bißchen in Furcht, daß
wser unker ihm brechen und er ganz und gar hinunter-
arzeli, könnte. !lnd deshalb sprach er so oft: „Man müßte
ahrhaftig auch anfangen, ein bißchen zu schieben. Aber
^'lich, etwas Geld gehörte dazu usw."-
. ^a starb eines Tages Miesefinks Tante Barbara Lutzen-
" ' Sie war aber nicht etwa, wie man nun vcrmuten
desn Erbtante von ihm gewesen. Das hatte sie schon
a.bhalb „icht sein können, weil noch ein gewisser Iakob
zu ^"laub da war. Ihr Gatte nämlich. Der erbte, und das
2ak ^"^anden, lagen auch nicht die geringsten Gründe vor.
Gatt E>utzenlaub nun wünschte nachträglich ein Bild seiner
w z„ besitzen, ein Oelbild, und es war brav von ihm
er d "" ^swandte sollen sich was zukommen lassen — daß
auch^' ^iuitrag seinem Neffen gab. Aebrigens wußte er
v» keinem andern Künstler, der ihm so was gemacht
hätte. Lugo Miesefink tat sein Bestes, sein Allerbestes, und
das Porlrät der seligen Tante Barbara wurde so schön,
daß Onkel Iakob zu Tränen gerührt war. Das Bild war
nach einer alten Photographie aus dem Iahre 1890 ange-
fertigt, stellte also ein Iugendbildnis dar, und die Tante
trug darauf eine kleine Vrosche mit einem Kaiser Friedrich-
Zwanzigmarkstück. Dieses hatte der Künstler mit ganz be-
sonderer Sorgfalt ausgeführt.
Onkel Iakob war also zu Tränen gerührt. Wenn der
Mensch zu Tränen gerührt ist, läßt er sich mitunter zu einer,
ihm sonst vielleicht unbegreiflichen Großmut hinreißen. Was
tat Onkel Iakob? Zuerst drückte er seinem Neffen beide Lände,
und dann drückte er ihm noch cinmal extra die Nechte und
ließ dabei in der so gedrückten Land jenes Kaiser Friedrich-
Zwanzigmarkstück aus Tante Barbaras Brosche zurück, als
hohen Lohn sür das schöne Bild. Das war eine mediceische
Bezahlung, ja noch mehr, denn die Medici hätten beim besten
Willen keinen Künstler mit einem Kaiser Friedrich-Zwanzig-
markstück bszahlen können. And dabei bemerkte Onkel Iakob
noch ausdrücklich, der Neffe möchte das Goldstllck getrost
seiner irdischen Bestimmung
zuführen.
Die irdische Bestimmung
eines goldenen Zwanzigmark-
fiücks war früher die, aus-
gegeben zu werden, im ge-
wöhnlichen Wege des Be-
zahlens. Gegenwärtig läßt
sich über die irdische Bestim-
mung eines Goldstücks ftrei-
ten. Die Reichsbank behaup-
tet bekanntlich, die irdische
BestimmungeinesGoldstücks
wäre die, bei ihr gegen
Papiergeld umgetauscht zu
werden. Es gibt aber Leute,
die das für Blödsinn, ja für
Idiotismus erklären, — na-
türlich nicht die Behauptung
der Reichsbank, denn die
Reichsbank behauptet nic-
mals ekwas Blödsinniges
oder Idiotisches, sondern das
Amtauschen in Papiergeld, sofern cs bei der Reichsbank voll-
zogen wird. Sie sagen vielmehr, man müßte das Gold,
wenn man es, was vielleicht noch besser wäre, nicht noch
länger aufheben könnte, an andern, in reicher Anzahl zu
findenden Stellen gegen viel mehr Papier verkaufen, als die
Reichsbank jemals gutwillig dasür hergeben würde. —
Lugo Miesefink war beinahe daran gewesen, den Blöd-
sinn und Idiotismus zu begehen. Glllcklicherweise traf er
noch im letzten Augenblick, grade vor der Tür der Neichs-
bank, einen Bekannten, der ihn auf das durchaus Anzweck-
mäßige seiner Abstcht aufmerksam machte und auch in der
Lage war, ihm eine sür den Verkauf einer Goldmünze viel
mehr geeignete Stelle anzugeben. Willig ließ er sich belehren,
kehrte der Reichsbank den Nllcken und besaß eine halbe
Stunde später ein Summe Papiergeldes, die um 75 Pro-
zent das überstieg, was ihm die Reichsbank gegeben hätte.
Das Gelo im ganzen machte ihn froh, das nicht erwartele
Plus von 75 Prozent aber stolz. Es schien ihm das Resultat
eines wohl gelungenen Unternehmens, der verheißungs-
volle Beginn einer langen Reihe glänzender Geschäfte. „Ietzt
geht es los!" sprach er mutvoll zu stch; „jeyt wird ge-
schoben!"
Zivecklvs — „Diese langen Abende I Eigentlich könnte
ich mich ein bitzchen weiter bilden, aber das
macht sich jetzt ja doch nicht mehr bezahlt."
65