Iochen «naak und setn« Familie
Zähnen, ein echter Strandpatriarch, stand gelaffen da und
schaute aufs Meer hinaus, als wollte er die Wetterlage
beurteilen. Am die zahlreichen Spaziergänger, von denen
fie neugierig angestarrt wurden, kümmerten fich die Leute
nur insofern, als fie diesen Fremden ab und zu einen Blick
zweifelloser Geringschätzung gönnten.
Ich war gerührt. Das flnd nun, sprach ich zu mir, die
letzten vom Stamme jener, denen einst dieser ganze Strand-
fleck von Rechtswegen zukam, und die hier lebten und wirk-
ten, wie es an dieser Stätte schön und natürlich war. Alle
andern hat das Weltbad beiseite geschoben, unterdrückt, ver-
schluckt. Diese nur haben stch noch trotzig erhalten; fie wollen
stch nicht beugen, sie wollen leben, wie ihre Ahnen lebten,
ob auch all der fremde Glanz ringsherum aufgeschoffen ist.
Sie könnten ja ein viel leichteres Leben haben. Das Grund-
stllck würde ihnen sofort sür ein Äeidengeld abgekauft wer-
den. Das alte Ehepaar könnte fich zur Ruhe setzen, die
Söhne mit einem Motorboot vortreffliche Geschäfte machen,
die Töchter eine Blumenhalle, einen Landel mit Bernstein-
artikeln oder sonst etwas Aehnliches aufmachen. Aber nein,
fie verschmähen die Möglichkeiten, die eine unverhoffte, von
ihnen wohl nur mit Bilterkeit betrachtete Entwickelung ihnen
bietet; ste verkaufen fich nicht der neuen Zeit, fie bleiben aus
einem schönen natürlichen Empfinden kerniges Fischervolk-
Ia, das find fürwahr brave Leute.
Ich bin dann noch östers zu dem Fischerhäuschen ge-
gangen, und jedesmal sah ich seine Bewohner in irgend
einer ihnen entsprechenden Weise beschäftigt. Einmal ver-
kauften fie sogar Fische, Flundern, die die Männer natür-
lich gefangen und die Frauen geräuchert hatten. Viele Bade-
gäste drängten sich heran, die von der willkommenen Gelegen-
heit Gebrauch machen wollten, die so angenehmen Fische doch
einmal aus der erstenLand, gewiffermaßen an der natllrlichen
Luelle zu erhalten. Aber fie schienen nicht besonders höf-
lich bedient zu werden. Auch das gefiel mir; ich fand es
ganz recht, daß die wackeren Leute bei ihren rauhen, aber
ehrlichen Manieren blieben und den zwar Geld ins Land
bringenden, aber auch alles Alte zerstörenden Fremdlingen
keine knechtischen Löslichkeiten beweisen wollten. An einem
Sonntagnachmittag aber gab es ein besonders reizvolles
Bild. Da saßen Vater und Mutter einträchtig, behaglich
finnend, auf der Bank vor dem Läuschen; die Töchter, fest-
käglich gewandet, lasen, anscheinend in ihren Gesangbüchern;
der eine Sohn schnitzelte etwas, das ein Lolzschuh werden
zu sollen schien, und der andere mustzierte zu alledem. Er
spielte eine Ztehharmonika, die ja auch Schifferorgel ge-
Nannt wird und nach E. Th. A. Loffmann, der stch auf so
etwas verstanden hat, das ausdruckfähigste aller Mustk-
'nstrumente sein soll. Es klang zwar etwas gedämpft, denn
der junge Mann saß dabei im Lausflur, aber flott spielte
*r: „Auf, Matrosen, die Anker gelichtetl" Ia, das klang
rcht, das war tüchtig empfunden.-
Dieses Fischeridyll inmitten des Weltbades hatte mich
so erquickt, daß ich meinem Aufenthalt noch ein paar Tage
zulegie. Das traf stch gut, denn grade am letzten Tage noch
^okanr ich von einem Bekannten einen Brief mit einer Be-
fiellung, die in dem Badeort auszurichten war. Sie galt
den, Major a. D. Thomas, der hier schon seit gegen dreißig
2ahren lebte, auch im Winter. Er hatte stch, alS der Ort
"och wenig entwickelt war, ein kleines Laus gebaut, das
letzt in die neue Amgebung gar nicht mehr recht hinein
paßte. Aber man hatte ja die gewaltige Entwicklung nicht
vraussehn können. Freilich: wenn er sie geahnt hätte,
ann hätte fich der Major Thomas jedensalls gar nicht hier
Der Sparsame
Ia, wo is denn mei' G'wand-1
113
Zähnen, ein echter Strandpatriarch, stand gelaffen da und
schaute aufs Meer hinaus, als wollte er die Wetterlage
beurteilen. Am die zahlreichen Spaziergänger, von denen
fie neugierig angestarrt wurden, kümmerten fich die Leute
nur insofern, als fie diesen Fremden ab und zu einen Blick
zweifelloser Geringschätzung gönnten.
Ich war gerührt. Das flnd nun, sprach ich zu mir, die
letzten vom Stamme jener, denen einst dieser ganze Strand-
fleck von Rechtswegen zukam, und die hier lebten und wirk-
ten, wie es an dieser Stätte schön und natürlich war. Alle
andern hat das Weltbad beiseite geschoben, unterdrückt, ver-
schluckt. Diese nur haben stch noch trotzig erhalten; fie wollen
stch nicht beugen, sie wollen leben, wie ihre Ahnen lebten,
ob auch all der fremde Glanz ringsherum aufgeschoffen ist.
Sie könnten ja ein viel leichteres Leben haben. Das Grund-
stllck würde ihnen sofort sür ein Äeidengeld abgekauft wer-
den. Das alte Ehepaar könnte fich zur Ruhe setzen, die
Söhne mit einem Motorboot vortreffliche Geschäfte machen,
die Töchter eine Blumenhalle, einen Landel mit Bernstein-
artikeln oder sonst etwas Aehnliches aufmachen. Aber nein,
fie verschmähen die Möglichkeiten, die eine unverhoffte, von
ihnen wohl nur mit Bilterkeit betrachtete Entwickelung ihnen
bietet; ste verkaufen fich nicht der neuen Zeit, fie bleiben aus
einem schönen natürlichen Empfinden kerniges Fischervolk-
Ia, das find fürwahr brave Leute.
Ich bin dann noch östers zu dem Fischerhäuschen ge-
gangen, und jedesmal sah ich seine Bewohner in irgend
einer ihnen entsprechenden Weise beschäftigt. Einmal ver-
kauften fie sogar Fische, Flundern, die die Männer natür-
lich gefangen und die Frauen geräuchert hatten. Viele Bade-
gäste drängten sich heran, die von der willkommenen Gelegen-
heit Gebrauch machen wollten, die so angenehmen Fische doch
einmal aus der erstenLand, gewiffermaßen an der natllrlichen
Luelle zu erhalten. Aber fie schienen nicht besonders höf-
lich bedient zu werden. Auch das gefiel mir; ich fand es
ganz recht, daß die wackeren Leute bei ihren rauhen, aber
ehrlichen Manieren blieben und den zwar Geld ins Land
bringenden, aber auch alles Alte zerstörenden Fremdlingen
keine knechtischen Löslichkeiten beweisen wollten. An einem
Sonntagnachmittag aber gab es ein besonders reizvolles
Bild. Da saßen Vater und Mutter einträchtig, behaglich
finnend, auf der Bank vor dem Läuschen; die Töchter, fest-
käglich gewandet, lasen, anscheinend in ihren Gesangbüchern;
der eine Sohn schnitzelte etwas, das ein Lolzschuh werden
zu sollen schien, und der andere mustzierte zu alledem. Er
spielte eine Ztehharmonika, die ja auch Schifferorgel ge-
Nannt wird und nach E. Th. A. Loffmann, der stch auf so
etwas verstanden hat, das ausdruckfähigste aller Mustk-
'nstrumente sein soll. Es klang zwar etwas gedämpft, denn
der junge Mann saß dabei im Lausflur, aber flott spielte
*r: „Auf, Matrosen, die Anker gelichtetl" Ia, das klang
rcht, das war tüchtig empfunden.-
Dieses Fischeridyll inmitten des Weltbades hatte mich
so erquickt, daß ich meinem Aufenthalt noch ein paar Tage
zulegie. Das traf stch gut, denn grade am letzten Tage noch
^okanr ich von einem Bekannten einen Brief mit einer Be-
fiellung, die in dem Badeort auszurichten war. Sie galt
den, Major a. D. Thomas, der hier schon seit gegen dreißig
2ahren lebte, auch im Winter. Er hatte stch, alS der Ort
"och wenig entwickelt war, ein kleines Laus gebaut, das
letzt in die neue Amgebung gar nicht mehr recht hinein
paßte. Aber man hatte ja die gewaltige Entwicklung nicht
vraussehn können. Freilich: wenn er sie geahnt hätte,
ann hätte fich der Major Thomas jedensalls gar nicht hier
Der Sparsame
Ia, wo is denn mei' G'wand-1
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