4»e amerlkanische Erbschast
„Bitte, Sie irren stch wohl," sagte der Sekretär, etwas
gelangweilt. „Sie sind hier nicht auf der Post."
„Nein, nein - richtig angekommen sind die Dollars schon,
glücklicherweise. Aber nun habe ich einen andern Brief be-
kommen, von einem amerikanischen Advokaten und Sach-
walter, oder wie Sie seinen Titel übersetzen wollen. Lier ist
er; wollen Sie ihn lesen? Er ist aber englisch geschrieben."
Der Sekretär zog die schon ausgestreckte Land wieder
zurück; nein, er wollte den Brief nicht lesen. Lugo Gröhler
erzählte weiter: „Mein ältester Sohn hat mir den Brief
übersetzt. Es ist doch gut, wenn man seine Kinder etwas hat
lernen lafsen, — trotz allem, was jetzt dagegen gesagt wird.
Ia, und nun denken Sie sich: mein guter Vetter Felix ist
gestorben. !lnd in seinem Testa-
ment hat er mich zum Aniversal-
erben eingesetzt. And eine halbe
Million Dollars hat er hinter-
lassen, rund fünfmalhunderttau-
send Dollarsl"
Lier wurde der Sekretär
beiseite geschoben; der höchste
im Büro anwesende Beamte,
jedenfalls ein Finanzrat oder
dergleichen, übernahm die An-
gelegenheit. „Aber bitte, wollen
Sie nicht Platz nehmen!" sagte
er sehr liebenswürdig. „Also Er-
be einer halben Million Dollars
stnd Sie. Da kann man freilich
gratulieren; das ist ja eine ge-
waltige, eine ganz ungeheure
Summe. Das sind ja, wenn wir
den Dollar zu 200000 rechnen,
rund 100 Milliarden Mark.
Donnerwetter noch mal, Sie
haben aber Glück, solch einen
Vetter gehabt zu haben."
„Freilich, freilich!" Lugo
Gröhler lächelte ein bißchen.
„Aber nun wollte ich mich mal
wegen der Erbschaftssteuer er-
kundigen.Von denIOO Milliarden
muß ich doch was abgeben, nicht
wahr? Iedenfalls sogar eine
ganze Menge."
„Allerdings wird das Ihre
Pflicht sein," sagte der Finanz-
rat oder dergleichen freundlich.
Er hätte ja nun gleich ausrechnen
können, wieviel Erbschaftssteuer
Lugo Gröhler zu zahlen haben
würde, aber er wollte ihm nicht
gleich die erste große Freude ver-
derben.Er meinte also nur:„Ia,es
wirdschon eineganz hübscheSum-
we für uns herausspringen."
„Das habe ich mir gedacht,"
nickte Lugo Gröhler. „Wenn
kch nun aber die ganze Erbschaft
nhießen lasse, wenn ich mich
deir Teufel um die halbe Million
Dvllars kümmere?"
Der Finanzrat oder der-
Swichen wurde ganz blaß. Er
Sparmeister
hob beschwörend die Lände. „Aber das werden Sie doch
nicht tun! Das wäre ja der hellste Wahnstnn! Bedenken
Sie: mit der Zahlung der Erbschaftssteuer, wenn sie auch
hoch ist, erfüllen Sie doch eine vaterländische Pflicht, — na,
und wir lassen Ihnen doch immerhin eine nette Menge übrig."
Lugo Gröhler nickte wieder. „Das habe ich mir auch
gedacht. Ich habe was von der Erbschaft, und das Finanz-
amt hat auch was davon, Iedem das Seine!"
Der Finanzrat oder dergleichen freute sich, einen so ver-
nünftigen Staatsbürger vor sich zu haben. „Ia, so müssen
Sie die Sache ansehen; das ist der richtige Standpunkt."
„Wir haben also beide ein Interesse an der halben
Million Dollars, nicht wahr?"
„Allerdings." tFortsehung Seite 127)
— „And wenn ich unter der Last meines Gepäcks zu er-
liegen drohe, gibt mir neue Kräfte der Gedanke, daß die
Eisenbahn seit gestern die Frachttarife verdoppelt hat."
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„Bitte, Sie irren stch wohl," sagte der Sekretär, etwas
gelangweilt. „Sie sind hier nicht auf der Post."
„Nein, nein - richtig angekommen sind die Dollars schon,
glücklicherweise. Aber nun habe ich einen andern Brief be-
kommen, von einem amerikanischen Advokaten und Sach-
walter, oder wie Sie seinen Titel übersetzen wollen. Lier ist
er; wollen Sie ihn lesen? Er ist aber englisch geschrieben."
Der Sekretär zog die schon ausgestreckte Land wieder
zurück; nein, er wollte den Brief nicht lesen. Lugo Gröhler
erzählte weiter: „Mein ältester Sohn hat mir den Brief
übersetzt. Es ist doch gut, wenn man seine Kinder etwas hat
lernen lafsen, — trotz allem, was jetzt dagegen gesagt wird.
Ia, und nun denken Sie sich: mein guter Vetter Felix ist
gestorben. !lnd in seinem Testa-
ment hat er mich zum Aniversal-
erben eingesetzt. And eine halbe
Million Dollars hat er hinter-
lassen, rund fünfmalhunderttau-
send Dollarsl"
Lier wurde der Sekretär
beiseite geschoben; der höchste
im Büro anwesende Beamte,
jedenfalls ein Finanzrat oder
dergleichen, übernahm die An-
gelegenheit. „Aber bitte, wollen
Sie nicht Platz nehmen!" sagte
er sehr liebenswürdig. „Also Er-
be einer halben Million Dollars
stnd Sie. Da kann man freilich
gratulieren; das ist ja eine ge-
waltige, eine ganz ungeheure
Summe. Das sind ja, wenn wir
den Dollar zu 200000 rechnen,
rund 100 Milliarden Mark.
Donnerwetter noch mal, Sie
haben aber Glück, solch einen
Vetter gehabt zu haben."
„Freilich, freilich!" Lugo
Gröhler lächelte ein bißchen.
„Aber nun wollte ich mich mal
wegen der Erbschaftssteuer er-
kundigen.Von denIOO Milliarden
muß ich doch was abgeben, nicht
wahr? Iedenfalls sogar eine
ganze Menge."
„Allerdings wird das Ihre
Pflicht sein," sagte der Finanz-
rat oder dergleichen freundlich.
Er hätte ja nun gleich ausrechnen
können, wieviel Erbschaftssteuer
Lugo Gröhler zu zahlen haben
würde, aber er wollte ihm nicht
gleich die erste große Freude ver-
derben.Er meinte also nur:„Ia,es
wirdschon eineganz hübscheSum-
we für uns herausspringen."
„Das habe ich mir gedacht,"
nickte Lugo Gröhler. „Wenn
kch nun aber die ganze Erbschaft
nhießen lasse, wenn ich mich
deir Teufel um die halbe Million
Dvllars kümmere?"
Der Finanzrat oder der-
Swichen wurde ganz blaß. Er
Sparmeister
hob beschwörend die Lände. „Aber das werden Sie doch
nicht tun! Das wäre ja der hellste Wahnstnn! Bedenken
Sie: mit der Zahlung der Erbschaftssteuer, wenn sie auch
hoch ist, erfüllen Sie doch eine vaterländische Pflicht, — na,
und wir lassen Ihnen doch immerhin eine nette Menge übrig."
Lugo Gröhler nickte wieder. „Das habe ich mir auch
gedacht. Ich habe was von der Erbschaft, und das Finanz-
amt hat auch was davon, Iedem das Seine!"
Der Finanzrat oder dergleichen freute sich, einen so ver-
nünftigen Staatsbürger vor sich zu haben. „Ia, so müssen
Sie die Sache ansehen; das ist der richtige Standpunkt."
„Wir haben also beide ein Interesse an der halben
Million Dollars, nicht wahr?"
„Allerdings." tFortsehung Seite 127)
— „And wenn ich unter der Last meines Gepäcks zu er-
liegen drohe, gibt mir neue Kräfte der Gedanke, daß die
Eisenbahn seit gestern die Frachttarife verdoppelt hat."
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