Aber so stnd die Menschen
begießen doch Ihre Pflan-
zen, Sie gießen anscheinend
recht reichlich. And das
Wasser tropft durch, es
tropft auf meinen Balkon,
der doch etwas hervor-
springt, verstehen Sie. Neu-
lich, als ich eben einge-
schlafen war, bin ich ganz
naß geworden. And ein-
mal, als ich gerade gähnte,
habe ich eine ganze Ladung
in den Mund gekriegt, —
das war scheußlich. Das
schmeckte wie-Sie
düngen wohl auch, Lerr
Schnalzer?"
„And ob! Soll etwa
auf meinem Balkon nichts
ordentlich wachsen, bloß
weil Ihnen das nichtpaßt?"
meinte Schnalzer nun auch
ohne Ruhe.
„Ia, und gestern habe
ich eine Tasse Kaffee neben
mir stehen gehabt, —- da
ist es auch hineingetropft.
Ich habe dann den Kaffee
nicht mehr trinken mögen.
And es war Bohnenkaffee,
Lerr Schnalzer!"
„So, — ich kann mir
keinen Bohnenkaffee lei-
sten," sagte Schnalzer grob.
„Spannen Sie 'nen Regen-
schirm auf, wenn Sie auf
Ihrem Balkon Orgien
feiern."
„Das habe ich nicht nö-
tig, ich will auch denSonnen-
schein genießen. Aber wir können das doch friedlich erledigen,
Lerr Schnalzer. Ich meine ja nur, Sie sollten lieber am
Abend gießen, wenn ich nicht mehr auf meinem Balkon bin."
„Ach was, ich gieße, wann ich will. Sie können auch auf
IhremBalkon machen, wasSie wollen,—ich werdemich nicht
beschweren," sagte Schnalzer und wollte sich auf nichts mehr
einlaffen, denn er drehte sich um und ging die Treppe hinauf.
„Nanu, man kann doch ein bißchen Rllcksicht auf ein-
ander nehmen," rief Gelderlein ihm nach, nun doch ein biß-
chen empört. Aber Schnalzer ging in seine Wohnung und
schmiß die Tür zu.
Gelderlein war etwas traurig. Zufällig aber hatte er
Gelegenheit, noch am gleichen Tage seine Not Priebe zu
klagen, der im dritten Stock wohnt. Priebe ist zwar nur
Kaufmann, aber er könnte auch Diplomat sein. Sein Grund-
satz ist: Man muß die Menschen nehmen, wie sie sind. (Bei
der Ware tut er das als Kaufmann in neuerer Zeit auch;
früher hat er in dieser Beziehung anders gedacht.) Priebe
ist ein ganz gefälliger Mann. „Kleinigkeit!" erklärte er.
„Das mache ich im Landumdrehen. Paffen Sie auf: der
Kerl wird Sie nicht mehr mit seinem Gießen ärgern."
Priebe hat keinen Balkon,aber er kann aus einem seincr
Fenster auf denjenigen Schnalzers hinuntersehen. Das tat
er nun, während Schnalzer bei seinen Pflanzen hantierte.
„Ei, ei, so fleißig!" rief er
hinunter.
Schnalzer freute sich
über diese Anerkennung.
„Na ja, man will doch auch
mal'n bißchen ernten. Wo-
zu hat man denn seinen
Balkon!"
„Da haben Sie recht,"
meinte Priebe wohlwol-
lcnd. „Aber glauben Sie
ja nicht, daß das so leicht
ist, Lerr Schnalzer. Ein
Vetler von mir hat auch
einen Balkon, einen großen
Balkon, und da hat er alles
Mögliche ziehen wollen,
aber es ist nichts geworden.
War allerdings seine eigene
Schuld; er hat das Gießen
nicht ordentlich besorgt."
„O, da bin ich tüchtig
hinterher," sagte Schnalzer
mit einem wohlgefälligen
Lächeln, das allmählich in
ein Grinsen überging. Das
wohlgefällige Lächeln ent-
stammte dem Bewußtsein
seiner Tüchtigkeit, das
Grinsen dcm Behagen an
GelderleinsVerdruß wegen
des Gießens. „Ich gieße sehr
gewissenhast.SchonamVor-
mittag gieße ich manchmal"
Priebe zeigte ein er-
schrockenes Gcsicht. „Aber
das hat jamein Vetter auch
getan, Lerr Schnalzer, —
das ist ja grade das Ver-
kehrte. Gift ist es fllr die
Pflanzen, sage ich Ihnen,
das reine Gist. Ist doch klar: die Erde in den Kästen ist
ganz durchfeuchtet, und dann brennt womöglich die Sonne
'raus, und die Erde w:rd knochentrocken und kriegt große
Risse, — da gehn ja die zarten Würzelchen zum Teufel.
Na, und dann das Leitungswaffer! Das bekommt den
Pflanzen auch nicht, so frisch aus der Leitung. Da muß
man frühmorgens einen Eimer voll absüllen, und den läßt
man tagsüber stehn und wenn man dann damit spät abends
gießt, — das bekommt den Pflänzchen, da gedeihen sie, da
blühen sie, da tragen sie Früchte. Mein Vetter hat das nach-
her auch eingesehn, aber da war es zu spät. Nichts hat
er geerntet auf seinem Balkon. Die Laare hat er sich aus-
gerissen vor Aerger. Ich habe seine letzte Photographie da,
— Sie können sehn, was er jetzt für eine Glatze hak."
„Donnerwetter, was man alles wissen muß!" sagte
Schnalzer erfreut. „Da bin ich Ihnen wirklich dankbar, daß
Sie mir den Fingerzeig gegeben haben. Ich hätte mich
auch furchtbar geärgert. Denn man will doch Nutzen von
seinem Balkon haben."
Ietzt gießt Schnalzer seine Pfl.inzen immer zwischen zehn
und elf Ahr abends. Einzig und allein, weil es so nützlich
für ihn sein soll, nicht aus Nücksicht auf Gelderlein, den nicht
mehr ärgern zu können ihm sogar ein bißchen leid tut.
Aber so sind die Menschen.
— „Ich fürchte, Vetter, mit uns wird das nichts. Ich will
mal einen gescheiten Mann haben, aber du treibst nichts
Vernünftiges, — jetzt lernst du gar boxen." — „Na,
Käthe: gul boxen können, wird bald das Gescheiteste sein."
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begießen doch Ihre Pflan-
zen, Sie gießen anscheinend
recht reichlich. And das
Wasser tropft durch, es
tropft auf meinen Balkon,
der doch etwas hervor-
springt, verstehen Sie. Neu-
lich, als ich eben einge-
schlafen war, bin ich ganz
naß geworden. And ein-
mal, als ich gerade gähnte,
habe ich eine ganze Ladung
in den Mund gekriegt, —
das war scheußlich. Das
schmeckte wie-Sie
düngen wohl auch, Lerr
Schnalzer?"
„And ob! Soll etwa
auf meinem Balkon nichts
ordentlich wachsen, bloß
weil Ihnen das nichtpaßt?"
meinte Schnalzer nun auch
ohne Ruhe.
„Ia, und gestern habe
ich eine Tasse Kaffee neben
mir stehen gehabt, —- da
ist es auch hineingetropft.
Ich habe dann den Kaffee
nicht mehr trinken mögen.
And es war Bohnenkaffee,
Lerr Schnalzer!"
„So, — ich kann mir
keinen Bohnenkaffee lei-
sten," sagte Schnalzer grob.
„Spannen Sie 'nen Regen-
schirm auf, wenn Sie auf
Ihrem Balkon Orgien
feiern."
„Das habe ich nicht nö-
tig, ich will auch denSonnen-
schein genießen. Aber wir können das doch friedlich erledigen,
Lerr Schnalzer. Ich meine ja nur, Sie sollten lieber am
Abend gießen, wenn ich nicht mehr auf meinem Balkon bin."
„Ach was, ich gieße, wann ich will. Sie können auch auf
IhremBalkon machen, wasSie wollen,—ich werdemich nicht
beschweren," sagte Schnalzer und wollte sich auf nichts mehr
einlaffen, denn er drehte sich um und ging die Treppe hinauf.
„Nanu, man kann doch ein bißchen Rllcksicht auf ein-
ander nehmen," rief Gelderlein ihm nach, nun doch ein biß-
chen empört. Aber Schnalzer ging in seine Wohnung und
schmiß die Tür zu.
Gelderlein war etwas traurig. Zufällig aber hatte er
Gelegenheit, noch am gleichen Tage seine Not Priebe zu
klagen, der im dritten Stock wohnt. Priebe ist zwar nur
Kaufmann, aber er könnte auch Diplomat sein. Sein Grund-
satz ist: Man muß die Menschen nehmen, wie sie sind. (Bei
der Ware tut er das als Kaufmann in neuerer Zeit auch;
früher hat er in dieser Beziehung anders gedacht.) Priebe
ist ein ganz gefälliger Mann. „Kleinigkeit!" erklärte er.
„Das mache ich im Landumdrehen. Paffen Sie auf: der
Kerl wird Sie nicht mehr mit seinem Gießen ärgern."
Priebe hat keinen Balkon,aber er kann aus einem seincr
Fenster auf denjenigen Schnalzers hinuntersehen. Das tat
er nun, während Schnalzer bei seinen Pflanzen hantierte.
„Ei, ei, so fleißig!" rief er
hinunter.
Schnalzer freute sich
über diese Anerkennung.
„Na ja, man will doch auch
mal'n bißchen ernten. Wo-
zu hat man denn seinen
Balkon!"
„Da haben Sie recht,"
meinte Priebe wohlwol-
lcnd. „Aber glauben Sie
ja nicht, daß das so leicht
ist, Lerr Schnalzer. Ein
Vetler von mir hat auch
einen Balkon, einen großen
Balkon, und da hat er alles
Mögliche ziehen wollen,
aber es ist nichts geworden.
War allerdings seine eigene
Schuld; er hat das Gießen
nicht ordentlich besorgt."
„O, da bin ich tüchtig
hinterher," sagte Schnalzer
mit einem wohlgefälligen
Lächeln, das allmählich in
ein Grinsen überging. Das
wohlgefällige Lächeln ent-
stammte dem Bewußtsein
seiner Tüchtigkeit, das
Grinsen dcm Behagen an
GelderleinsVerdruß wegen
des Gießens. „Ich gieße sehr
gewissenhast.SchonamVor-
mittag gieße ich manchmal"
Priebe zeigte ein er-
schrockenes Gcsicht. „Aber
das hat jamein Vetter auch
getan, Lerr Schnalzer, —
das ist ja grade das Ver-
kehrte. Gift ist es fllr die
Pflanzen, sage ich Ihnen,
das reine Gist. Ist doch klar: die Erde in den Kästen ist
ganz durchfeuchtet, und dann brennt womöglich die Sonne
'raus, und die Erde w:rd knochentrocken und kriegt große
Risse, — da gehn ja die zarten Würzelchen zum Teufel.
Na, und dann das Leitungswaffer! Das bekommt den
Pflanzen auch nicht, so frisch aus der Leitung. Da muß
man frühmorgens einen Eimer voll absüllen, und den läßt
man tagsüber stehn und wenn man dann damit spät abends
gießt, — das bekommt den Pflänzchen, da gedeihen sie, da
blühen sie, da tragen sie Früchte. Mein Vetter hat das nach-
her auch eingesehn, aber da war es zu spät. Nichts hat
er geerntet auf seinem Balkon. Die Laare hat er sich aus-
gerissen vor Aerger. Ich habe seine letzte Photographie da,
— Sie können sehn, was er jetzt für eine Glatze hak."
„Donnerwetter, was man alles wissen muß!" sagte
Schnalzer erfreut. „Da bin ich Ihnen wirklich dankbar, daß
Sie mir den Fingerzeig gegeben haben. Ich hätte mich
auch furchtbar geärgert. Denn man will doch Nutzen von
seinem Balkon haben."
Ietzt gießt Schnalzer seine Pfl.inzen immer zwischen zehn
und elf Ahr abends. Einzig und allein, weil es so nützlich
für ihn sein soll, nicht aus Nücksicht auf Gelderlein, den nicht
mehr ärgern zu können ihm sogar ein bißchen leid tut.
Aber so sind die Menschen.
— „Ich fürchte, Vetter, mit uns wird das nichts. Ich will
mal einen gescheiten Mann haben, aber du treibst nichts
Vernünftiges, — jetzt lernst du gar boxen." — „Na,
Käthe: gul boxen können, wird bald das Gescheiteste sein."
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