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Irn Kaufhaus

Ein verzeihlicher Irrtum

— „Ia, was ist denn das? Sie dulden hier eine Nauserei?"
— „O, das ist unser-

Gänseleberpastete

Winkler ist ein nervöser, leicht verstimmter, selbst aus
geringfügigen Arsachen schnell beeinflußter Mensch. Groll
ist robust, keinerlei Suggestion zugänglich und schert sich um
überhaupt nichts. Außerdem gibt Winkler sein Geld leicht
aus, während Groll insam geizig ist. Wenn die beiden nicht
so verschieden geartet wären, dann wäre auch diese Ge-
schichte nicht passtert. Aber aus der Verschiedenheit der
menschlichen Anlagen entstehen eben die meisten Geschichten.

Winkler und Groll haben einander getroffen und sich
in ein Frühstückslokal begeben. Winkler ißt gern was
Gutes und bestellt sich Gänseleberpastete. Groll ißt auch
gern was Gutes, aber er bestellt sich nur einen Käse, —
weil er doch so infam geizig ist. !lnd nun sitzen sie da und
warten, daß ihnen der Kellner das Bestellte bringe.

Auf einmal macht Groll ein versonnenes, träumerisches
Gesicht. „Ach ja, Gänseleberpastete!" sagt er. „Etwas
Gutes, etwas Vorzügliches! Aeberhaupt die Gans, — ein
außerordentlich schmackhaftes Tier! Man möchte aber bei-
nahe sagen: leider. Denn andrerseits ist die Gans auch ein
sehr anheimelndes, ein sehr liebenswürdiges und dem Men-
schen in hohem Grade zugetanes Geschöps. And gar nicht
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dumm, durchaus nicht. Es ist ganz verkehrt, zu einer weib-
lichen Person „Dumme Gans I" zu sagen. Gescheit sind sie,
kann ich Ihnen sagen, sehr gescheit. Run ja, man hat ja
auch schon dressierte Gänse gesehn. Ich habe oft Gänse
beobachtet, sehr oft. Nührcnd, kann ich Ihnen sagen, wirk-
lich rührend. Mit welch vergnügtem Geschnatter sie ihren
Eigentümer oder die sie betreuende Person oder sonstjemand
aus der Familie, vorzüglich Kinder, begrüßen, wie ste dabei
die Köpfchen schief halten und freundlich mit den Augen
blinzeln! Gänse schließen den Menschen in's Lerz, glauben
Sie mirl Wen sie gern haben, dem laufen sie auf Schritt
und Tritt nach. Ich habe Leute gekannt, die haben ge-
weint, wenn sie eine Gans schlachten mußten. Ia, ich habe
sogar welche gekannt, die eine ihnen lieb gewordene Gans
überhaupt nicht schlachteten, sondern sie in Ehren hielten
und alt und grau werden ließen. Na, Sie werden 's ja
noch aus der Schule wissen: Philemon und Baucis, die
hatten auch so eine alte Gans."

„Ia, ja!" sagt Winkler. Er sieht etwas gequält aus.

Groll schmatzt ein bißchen. „Aber trotzdem, — die
Tiere schmecken so gut. And Gänseleberpastete — alle Ach-
tung! Bedauerlich ist nur, daß man die Gänse darum so
quälen muß. Sie werden doch wiffen: um eine recht große,
fette Leber zu erzielen, muß man die Gans besonders be-
handeln. Eigentlich ein scheußliches Verfahren! Sie kennen
es nicht? Passen Sie auf! Man sperrt die Gans in einen
kleinen, ganz engen Käfig, in dem sie sich überhaupt nicht
rühren kann. Nur den Kopf kann sie durch die Latten
stecken, um aus einem bereit stehenden Troge Waffer zu
saufen. And dann wird die Gans gemästet; gestopft nennt
man das oder auch genudelt. Zweimal täglich. Die Per-
son, die das besorgt, hält die Gans mit den Beinen fest,
öffnet ihr mit der linken Land den Schnabel und stopft ihr
mit der Rechten Maiskörner oder Mehlklöße in den Lals,
bis oben hin, bis überhaupt nichts mehr hineingeht, bis die
Gans beinahe Platzt. Drei Wochen lang wird das so ge-
macht. !lnd dabei kann das unglückliche Tier sich niemals
rühren, bleibt immer so eingezwängt. Eigentlich Tier-
quälerei, nicht wahr? Aber dann ist die Gans auch so fett,
daß sie beinahe platzt, und die Leber ist außerordentlich groß
und besonders sett geworden." <Fortsetzung Seüe 4Z>

— „Die tragen g'wiß verbotene politische Schristen. An-
zeigen sollt' ma's!"

— „Bal ma halt wüßt, ob's net von der eigenen Partei san I"
 
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