Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext


Schwere Arbeit — „Aber Lerr Schimmke,

Sie sind ja so erschöpft, — stärken Sie sich doch erst mal 'n bißchen."
— „Nee, Fräulein Balzer, — erst, wenn ich mit Ihnen getanzt habe."

Die Erziehung fürs neue Leben

Emil Klobig, der frühere gewandte und vielseitige Anter-
nehmer, dem jetzt aber die Börsenspekulationen allein schon
ein genügendes Tätigkeitsfeld bieten, hat bekanntlich in der
Person des Freiherrn Kurt von Schlohfing, der offiziell als
sein Privatsekretär auftritt, für sich und seine Familie einen
kundigen Führer durch die neue Sphäre des vornehmen
Lebens gewonnen. In letzterZeit
hat Lerr von Schlohfing wieder
einiges immerhin Bemerkens-
werte mit Klobigs erlebt.

Lerr und Frau Klobig pro-
menieren an schönen Nachmit^
tagen gern ein bißchen in der
Stadt. Es ist ja so angenehm,
an den vornehmen Läden vorbei
zu spazieren in dem sicheren Be-
wußtsein, stch kaufen zu können,
was man will. Lerr von Schloh-
fing hat mit Bedauern bemerkt,
daß es Klobig dabei ganz egal
ist, welche Seite er seiner Frau
Gemahlin überläßt: mal geht
er rechts von ihr, mal links, —
wie es ihm grade paßt.

„Gestatten Sie mir, Lerr
Klobig," erllärt er, „die Be-
merkung, daß Sie Ihrer Frau
Gemahlin, wenn Sie mit ihr zu-
sammen gehn, die rechte Seite
überlaffen sollten."

Klobig fieht den Grund zu-
nächst nicht ein. „Ranu, ich bin
doch nicht auf dem linke» Ohr
schwerhörig."

„Die rechte Seite ist der
Ehrenplatz, Lerr Klobig, und der
gebührt natürlich der Dame."

„Aha, so ist das gemeint.

Schön, werd' ich mir merken."

Klobig ist ganz einverstanden.

62

Lerr von Schlohfing möchte noch einen
Schritt weiter gehn. Er doziert: „Ich möchte
Ihnen aber empfehlen, nun nicht starr an diesem
Prinzip festzuhalten. Anter Amständen kann
nämlich grade die der Dame gegenüber gebo-
tene Nücksicht ersordern, daß es doch der Lerr
ist, der die rechte Seite einnimmt, — in einer
schmalen, womöglich belebten Straße auf einem
engen Gehsteig. In diesem Fall ist es angezeigt,
daß der Lerr aus der Außenseite geht, weil
doch nahe der Bordschwelle die Fuhrwerke ver-
kehren."

Aber jetzt ist Klobig nicht mehr einver-
standen. „Nee, mein Lieber, — wenn ich dann
außen gehe, und die Straße ist naß, und es

fliht 'n Auto vorbei,-da werde ich ja

womöglich bespritzt."-

Klobigs haben in ihrer großartigen Mlla
wieder einmal Besuch gehabt, Bekannte aus
früheren Zeiten, die in bescheidenen Verhält-
niffen geblieben sind. Klobig hat die Lerrschaf-

ten oder vielmehr-na, in diesem Fall

können wir sagen: die Leute herumgeführt, und
Lerr von Schlohfing hat ein bißchen dabei aus-
gepaßt. Rachher ermahnt er: „Ich möchte so
srei sein, Lerr Klobig, es nicht ganz richtig zu finden, daß
Sie Ihren Besuchern, denen Sie Ihren Besitz mit durchaus
berechtigtem Stolz zeigen, bei jedem Stück erzählen, was es
gekostet hat."

Da lacht Emil Klobig. „Was es gekostet hat? Fällt
mir ja gar nicht ein, lieber Baron, — ich sag' immer das
Doppelte."-

August Schlämp, ein Vetter
Klobigs, von dem nicht genau
bekannt ist, wie er sich durch's
Leben bringt, und in dessen Da°
sein überhaupt einige dunkle
Punkte sein mögen, ist für ein
paar Tage zu Besuch gekommen.
Klobig fllhrt ihn in der Stadt
umher und kehrt dabei mit ihm
in der vornehmen Ceylon Tee-
stube ein. Lerr von Schlohfing
ist mitgekommen und muß zur
Belästigung seiner Rerven erle-
ben, daß Schlamp, während er
seinen Tee sehr hörbar schlürft,
den Löffel, mit dem er intensiv
umgerührt hat, in der Taffe läßt.
Er kann das nicht mehr aus-
halten und beugt sich zu Klobig:
„Würden Sie vielleicht die Gllte
haben, Lerrn Schlamp darauf
aufmerlsam zu machen, daß er

den Löffel-"

Aber das hat Klobig schon
gelernt. „Nimm den Löffel fort,
August!" fagt er.

Am Abend dieses Tages aber
muß Klvbig Lerrn von Schloh-
fing eine Eröffnung machen. „Da
haben Sie heute was Schönes
angerichtet mit Ihren Vorschrif-
ten! Schlamp hat den Löffel
mitgenommenl"


— „Meier soll des Amtes müde sein." — „Nach
einer andern Lesart soll das Amt seiner müde sein."

—on.
 
Annotationen