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Ein schöner Weihnachtstraum

O, könnt' man stets so
spionieren!

Lecht möchte, eh' das
Wunder flieht,
Sich schnell noch alles
aufnotieren.

Da geht die Tür, und er
erwacht

Aus dem so int'ressanten
Traume.

Die Gattin ist's; sie mahnt
ihn sacht,

!1nd bald strahlt's auch bei
Lechts am Baume,

And manches Schöne gibt
es da,

Was reichliches Gehalt
gestattet,

Nur ist der Gatte und Papa

Von dem Erlebnis noch
ermattet.

Seitdem erwägt Finanzrat
Lecht,

Ob ein Gesetz nicht kommen
solle,

Das dem Finanzamt gibt
das Recht,

Am Weihnachtsabend zur
Kontrolle,

Wenn's keiner ahnt, im
Zickzacklaus

Beamtenscharen zu ent-

senden,-

Was ähnlich wohl mit
Vorteil auf

Geburtstagsfeste anzuwenden.

Die Weihnachtsdollars Von Peter Robinson

„Kinder, nun sage mir mal jeder von euch: was wünscht
er sich nächstes Iahr zu Weihnachten?"

Diese Frage klingt eigentlich etwas merkwürdig, nicht
wahr? Denn man übersehe nicht, daß dabei vom Weihnachts-
fest eines nächsten Iahres die Rede ist, und eine so weit-
reichende Erkundigung zieht man doch gewöhnlich nicht ein.
Tante Bertha — nämlich das alte Fräulein Ieschke — war
es, die so fragte, im vorigen Iahre, und zwar, was die Frage
vollends seltsam machte, am Weihnachtsabend selbst, ziemlich
bald nach der Bescherung, die sie ihren wie schon seit Iahren
bei ihr versammelten Verwandten aufgebaut hatte. Diese
Verwandten, die sie „meine Lieben" zu nennen Pflegte, ob-
gleich manche von ihnen manchmal gar nicht lieb sich auf-
führten, waren folgende Leute:

Ihr Vetter, der Oberpostsekretär Schädler und seine
Frau, die in kinderloser Ehe lebten. „Gott sei Dank, das
sehlte uns noch grade I" pflegten sie zu sagen, und hiermit dürfte
ihre Charakteristik schon zu einem guten Teil erledigt sein.

Ihr Bruder, Onkel Lorenz, der alte Iunggeselle. „Leider,
leider!" seufzte er oft, „Ich hab' den Anschluß verpaßt, es
ist mir nicht geglückt." Liermit dürfte auch seine Charakte-
ristik schon zu einem guten Teil erledigt sein.

Ihre Schwägerin Emilie Ieschke, die Witwe eines schon
verstorbenen Bruders von Tante Bertha und Onkel Lorenz,
und ihre Tochter Liesbeth.

Ein altes Fräulein namens Bausewein, dessen verwandt-
schaftliches Verhältnis zu Tante Bertha so weitläufig und ver-
wickelt war, daß auf eine Erklärung lieber verzichtet werden
möge. Vielleicht grade, weil sie so weit verwandt war, stand sie
Tante Bertha besonders nahe. Fräulein Bausewein erwarb
ihren Lebensunterhalt als eine bescheidene Klavierlehrerin.

Außerdem war noch ein gewisser Dr. Stempel, Chemiker,
zugegen, der Sohn einer verstorbenen Schwester Tante Ber-
thas. Er war aber nur zufällig hereingeschneit; er wohnte
fern, in Köln, wo er eine chemische Fabrik besaß. Er hatte
auch nichts von Tante Bertha beschert bekommen. Nur ein
paar Mürbkuchen konnte er kriegen, die er sehr gern aß, und
die Tante Bertha vorzüglich zu backen verstand. An ihn war
ihre Frage auch gar nicht gerichtet gewesen, sondern nur an
die anderen.

„Kinder, nun sage mir mal jeder von euch: was wünscht
er sich nächstes Iahr zu Weihnachten?" fragte also Tante
Bertha im vorigen Iahre, nachdem sie ihre Verwandten,
ihre „Lieben", soeben erst sehr anstündig und mit viel Ver-
ständnis beschenkt hatte. Sie hielt auch schon ihr Notizbuch
bereit und wartete nun aus die Wünsche.

Onkel Lorenz wunderte sich. „Aber liebste Bertha, wer
wird denn an so etwas jeht denken! Eben bist du so spen-

dabel gewesen, und nun sollen wir schon-na, wir sind

doch nicht so gierig."

Der Oberpostsekretär ärgerte sich über Onkel Lorenz.
Eigentlich hätte er sich über ihn freuen sollen, denn Onkel
Lorenz hatte ja eben ein sehr günstiges Arteil über alle An-
wesenden ausgesprochen. „Was man sich wünschen soll?"
meinte er bedächtig. „Ia, das kann man doch noch nicht
wissen, das muß man doch reiflich überlegen, damit muß man
sich Zeit lassen."

„Freilich!" bestätigte seine Frau. „Sonst fällt einem
nachher was Besseres ein."

Tante Bertha gab jetzt eine Erklärung ihrer merkwür-
digen Frage. „Ia, seht einmal, Kinder: cs macht mir doch
immer Freude, euch Weihnachten bei mir zu sehn und jedem
dann etwas nettes zu schenken. Aber wie wird es damit im
tFortsehung Seike 13N 1Z7
 
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