Dte Wcthnachtsdollars
ganze Wohnung kalk. Natürlich, warum hätken sie heizen
sollen! Sie hatten ja gedacht, bis zwölf!lhr bei Onkel Lorenz
zu bleiben.
„Pfui Teufel, ist es hier kaltl" sagte jetzt Onkel Lorenz.
And nun ging er daran, sich warm zu machen, und der Ober-
postsekretär mußte zusehn. Da war das alte, behagliche Ka-
napce. Am liebsten hätte Onkel Lorenz das jetzt so durch-
wühlk, wie der Oberpostsekretär die Matratze. Aber er machte
es dann doch gnädig und begnttgte sich mit tiichtigem Fühleu
und Betasten. Ferner war eine Vitrine da. In der brauchte
man nicht zu suchen; keinem Menschen wird es einfalle», in
ein so durchsichtiges Möbel Dollars zu legen. Aber dann
kam der Schreibtisch, der Sekretär. Ia, den hütte man ei-
gentlich zuerst ansehn sollen; von dem war zunächst zu ver-
muten, daß die Dollars darin steckten.
„Das glaube ich nicht," sagte der Oberpostsekretär, der
jetzt auf einmal zaghaft geworden war. „Ich benutze deu
Schreibtisch ja schon so lange."
Onkel Lorenz ließ sich nicht darein reden. Er sah den
Schlüssel stecken, er zog den Sekretär auf und dan» alle die
kleinen Fächer, — zehn oder gar ein Dutzend waren es.
Dollars waren sreilich nicht darin, aber jedes Fach war mit
Briefmarken gesiillt, mit allen möglichen Briefmarken aller
möglichen Länder. Onkel Lorenz freute sich. „Aha, du machst
wohl gute Geschäfte mit Briefmarken."
„Das geht dich doch nichts an!" sagte der Oberpost-
sekretär verdrießlich. „Warum soll ich mich nicht für Brief-
marken interessieren!"
„Nun freilich: es ist durchaus begreiflich, daß du In-
teresse für Briefmarken hast, wo du doch bei der Post bist,"
sagte Onkel Lorenz kühl. Dann zog er alle Fächer ganz
heraus, um nach irgend einem versteckte» Gelaß, einem Ge-
heimfach zu suchen. Aber es war keines da, und also auch
keine Dollars.
Der Oberpostsekretär war so kleinmütig, als wäre er auf
einmal in die unterste Gehaltsstufe gekommen. „Ia, nun bleibt
nichts übrig, als daß wir uns bei Dr. Skempel in Köl» er-
kundigen, wie das damals mit den Dollars gewordcn isk. Ich
erbiete mich, das zu besorgen. Aber nun wartet noch; ich
werde euch ein Schuäpschen holen — wege» der Kälte."
Dieses Angebot war ihm gewiß nicht leicht gefallen, aber
er wollte Milde verbreiten, wegen der Briefmarken. So ging
cr, den Schnaps zu holen, und seine Gattin mit ihm, um
ihm zu helfen.
Aber was tat nun Onkel Lorenz? Mit beiden Länden
griff er in die aufgestapelten Briefmarken und stopfte sich
alle Taschen damit voll, die §>osentaschen, die Westen-, die
Rock- und die Manteltaschen. Der Oberpostsekretär schrie
auf vor Entsetze», als er mit dem Schnaps zurttckkam und
dcn Raub bemerkte. „Ia, was fällt denn dir ein? Was
soll das heißen?"
„Was das heißen soll? Entfchäbigung soll das heißen?"
erklärte Onkel Lorenz grimmig, aber kühl. „Du bist schuld
an dem Schaden, der angerichtet ist. Ich werde die Brief-
marken verkaufcn; vielleicht reicht es sür Fräulein Bause-
weins ausgefallene Klavierstunden und die Suppenterrine
und die Roßhaarmatratze."
Dabei blieb er und ging. Er war sonst wirklich gut-
mütig, aber heute hatte er sich doch zu sehr geärgert, daß
ihm der Weihnachtsabend so verdorben wordeu war.-
Der Oberpostsekretär schrieb noch in derselben Nacht
an den Dr. Stempel in Köln, wobei er sich über das hohe
Porto ärgerte. Acht Tage fpäter kam die Antwort: Ia,
schrieb Dr. Stempel, er hätte die Dollars versprochen gehabt.
aber im Drange der Geschäfte hätte er es dann doch ver-
gessen, und Tante Bertha hätke thn wohl nicht erinnern
mögen. Aber ste hätte ja sowieso keinen Gebrauch mehr da-
von machen lönnen. Leider, leider!
Der Oberpostsekretür teilte diese Antwort den Verwand-
ten mit. Bei Onkel Lorenz tat er das schriftlich; den wollte
er nicht mehr besuchen, wegen der Briefmarken. Es wäre ihm
am liebsten,wenn dieseAngelegenheit nie mehrerwähnt würde.
Perspektiven — „Kollege Baumaffe ist neuer-
diugs im Stoff so archaistisch. Drollige Idee, den längst aus-
geflorbene» Typus Mensch mal wieder Plastisch zu beleben!"
Bezahlte Kraft
August Schiebedanz erwähnte zufällig, daß er als Weih-
nachtsbaum sich eine drei Meter hohe Edeltanne hätte schicken
lassen. — „Donner, der Baum wird sich imposant ausnehmen.
Den zu schmücken muß eiu Vergnügen sein. Machen Sie das,
Äerr Schiebedanz, oder die Frau Gemahliu?" — „Pak,
dafür laff' ich mir nakürlich 'nen Dekorateur kommen."
Vorbei geraten
Schuppe war auf dem Wege zum Bahnhof. „Ia, ich
muß unsere Gans aus der Pension abholen."
„2lh, das Fräulein Tochter kommt natürlich zum Fest
nach Äause."
„ilnsinu! 'ne Weihnachtsgaus haben wir draußen bei
einem Bauern zur Mast."
Berechtigte Forderung
— „Zehn Goldpfennige koftet jetzt das Wort im Telegramm,
und früher hat man nur fünf bezahlt. Das ist doch unver-
schämt. Wie kommt die Post dazu, jetzt das Doppelte zu
verlaugen?"
— „Na, sie braucht doch auch doppelt so viel Zeit wie früher,
bis sie ein Telegramm abliefert."
Weihnachtsgeschenke
— „Donnerwetter, was ich diesmal zu Weihnachten für Geld
habe ausgeben müssen!"
— „Nun,Lerr Miericke, da werden Sie Ihren Lieben aber auch
gewiß allerlei Schönes unter dem WeihnachtSbaum aufbauen."
— „Aufbauen? Ich bilte Sie, wie soll ich das aufbauen:
meiner Frau hab' ich das Sofa im Wohnzimmer neu be-
ziehen lassen, mein Aeltester hat ein Paar Stiefel besohlt,
mein Zweiter einen Anzug gewendet bekommen, und meine
Tochter hat sich 'nen Stiftzah» machen lassen müssen."
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ganze Wohnung kalk. Natürlich, warum hätken sie heizen
sollen! Sie hatten ja gedacht, bis zwölf!lhr bei Onkel Lorenz
zu bleiben.
„Pfui Teufel, ist es hier kaltl" sagte jetzt Onkel Lorenz.
And nun ging er daran, sich warm zu machen, und der Ober-
postsekretär mußte zusehn. Da war das alte, behagliche Ka-
napce. Am liebsten hätte Onkel Lorenz das jetzt so durch-
wühlk, wie der Oberpostsekretär die Matratze. Aber er machte
es dann doch gnädig und begnttgte sich mit tiichtigem Fühleu
und Betasten. Ferner war eine Vitrine da. In der brauchte
man nicht zu suchen; keinem Menschen wird es einfalle», in
ein so durchsichtiges Möbel Dollars zu legen. Aber dann
kam der Schreibtisch, der Sekretär. Ia, den hütte man ei-
gentlich zuerst ansehn sollen; von dem war zunächst zu ver-
muten, daß die Dollars darin steckten.
„Das glaube ich nicht," sagte der Oberpostsekretär, der
jetzt auf einmal zaghaft geworden war. „Ich benutze deu
Schreibtisch ja schon so lange."
Onkel Lorenz ließ sich nicht darein reden. Er sah den
Schlüssel stecken, er zog den Sekretär auf und dan» alle die
kleinen Fächer, — zehn oder gar ein Dutzend waren es.
Dollars waren sreilich nicht darin, aber jedes Fach war mit
Briefmarken gesiillt, mit allen möglichen Briefmarken aller
möglichen Länder. Onkel Lorenz freute sich. „Aha, du machst
wohl gute Geschäfte mit Briefmarken."
„Das geht dich doch nichts an!" sagte der Oberpost-
sekretär verdrießlich. „Warum soll ich mich nicht für Brief-
marken interessieren!"
„Nun freilich: es ist durchaus begreiflich, daß du In-
teresse für Briefmarken hast, wo du doch bei der Post bist,"
sagte Onkel Lorenz kühl. Dann zog er alle Fächer ganz
heraus, um nach irgend einem versteckte» Gelaß, einem Ge-
heimfach zu suchen. Aber es war keines da, und also auch
keine Dollars.
Der Oberpostsekretär war so kleinmütig, als wäre er auf
einmal in die unterste Gehaltsstufe gekommen. „Ia, nun bleibt
nichts übrig, als daß wir uns bei Dr. Skempel in Köl» er-
kundigen, wie das damals mit den Dollars gewordcn isk. Ich
erbiete mich, das zu besorgen. Aber nun wartet noch; ich
werde euch ein Schuäpschen holen — wege» der Kälte."
Dieses Angebot war ihm gewiß nicht leicht gefallen, aber
er wollte Milde verbreiten, wegen der Briefmarken. So ging
cr, den Schnaps zu holen, und seine Gattin mit ihm, um
ihm zu helfen.
Aber was tat nun Onkel Lorenz? Mit beiden Länden
griff er in die aufgestapelten Briefmarken und stopfte sich
alle Taschen damit voll, die §>osentaschen, die Westen-, die
Rock- und die Manteltaschen. Der Oberpostsekretär schrie
auf vor Entsetze», als er mit dem Schnaps zurttckkam und
dcn Raub bemerkte. „Ia, was fällt denn dir ein? Was
soll das heißen?"
„Was das heißen soll? Entfchäbigung soll das heißen?"
erklärte Onkel Lorenz grimmig, aber kühl. „Du bist schuld
an dem Schaden, der angerichtet ist. Ich werde die Brief-
marken verkaufcn; vielleicht reicht es sür Fräulein Bause-
weins ausgefallene Klavierstunden und die Suppenterrine
und die Roßhaarmatratze."
Dabei blieb er und ging. Er war sonst wirklich gut-
mütig, aber heute hatte er sich doch zu sehr geärgert, daß
ihm der Weihnachtsabend so verdorben wordeu war.-
Der Oberpostsekretär schrieb noch in derselben Nacht
an den Dr. Stempel in Köln, wobei er sich über das hohe
Porto ärgerte. Acht Tage fpäter kam die Antwort: Ia,
schrieb Dr. Stempel, er hätte die Dollars versprochen gehabt.
aber im Drange der Geschäfte hätte er es dann doch ver-
gessen, und Tante Bertha hätke thn wohl nicht erinnern
mögen. Aber ste hätte ja sowieso keinen Gebrauch mehr da-
von machen lönnen. Leider, leider!
Der Oberpostsekretür teilte diese Antwort den Verwand-
ten mit. Bei Onkel Lorenz tat er das schriftlich; den wollte
er nicht mehr besuchen, wegen der Briefmarken. Es wäre ihm
am liebsten,wenn dieseAngelegenheit nie mehrerwähnt würde.
Perspektiven — „Kollege Baumaffe ist neuer-
diugs im Stoff so archaistisch. Drollige Idee, den längst aus-
geflorbene» Typus Mensch mal wieder Plastisch zu beleben!"
Bezahlte Kraft
August Schiebedanz erwähnte zufällig, daß er als Weih-
nachtsbaum sich eine drei Meter hohe Edeltanne hätte schicken
lassen. — „Donner, der Baum wird sich imposant ausnehmen.
Den zu schmücken muß eiu Vergnügen sein. Machen Sie das,
Äerr Schiebedanz, oder die Frau Gemahliu?" — „Pak,
dafür laff' ich mir nakürlich 'nen Dekorateur kommen."
Vorbei geraten
Schuppe war auf dem Wege zum Bahnhof. „Ia, ich
muß unsere Gans aus der Pension abholen."
„2lh, das Fräulein Tochter kommt natürlich zum Fest
nach Äause."
„ilnsinu! 'ne Weihnachtsgaus haben wir draußen bei
einem Bauern zur Mast."
Berechtigte Forderung
— „Zehn Goldpfennige koftet jetzt das Wort im Telegramm,
und früher hat man nur fünf bezahlt. Das ist doch unver-
schämt. Wie kommt die Post dazu, jetzt das Doppelte zu
verlaugen?"
— „Na, sie braucht doch auch doppelt so viel Zeit wie früher,
bis sie ein Telegramm abliefert."
Weihnachtsgeschenke
— „Donnerwetter, was ich diesmal zu Weihnachten für Geld
habe ausgeben müssen!"
— „Nun,Lerr Miericke, da werden Sie Ihren Lieben aber auch
gewiß allerlei Schönes unter dem WeihnachtSbaum aufbauen."
— „Aufbauen? Ich bilte Sie, wie soll ich das aufbauen:
meiner Frau hab' ich das Sofa im Wohnzimmer neu be-
ziehen lassen, mein Aeltester hat ein Paar Stiefel besohlt,
mein Zweiter einen Anzug gewendet bekommen, und meine
Tochter hat sich 'nen Stiftzah» machen lassen müssen."
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