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Der Trompeter von Knippelsbiihl

And als das neue Iahr. nun kam,

Lat er ihm seinen Grutz geblasen;

Er blies so schön, er blies so laut,

Er blies ganz über alle Maßen.

Doch als er dann hinunter sollt',
Wollt' er das Wagstück nicht mehr proben:
„Ich bleib' gleich bis zum nächsten Mal
!lnd noch für andre Male obenl"

kin Silvesterabend der wilden Männer

die entsprechende Instrumente beherrschen, und tun ste das
Ihre! Spielen Sie drei Stücke! Zwei will ich Ihrer klugen
Wahl überlassen, aber beginnen müssen Sie mit: Genieht
den Reiz des Lebens! Denn dieses schöne Lied liebt der
Lerr Bürgermeister besonders. Fangen Sie punkt zehn !lhr
an und geben Sie stch rechte Mühe, Lerr Mackenroth! Bei
exakter Ausführung dieses Auftrages und vor allem, wenn
Sie die Aufforderung, den Reiz des Lebens zu genietzen,
recht kräftig herausbringen, soll es mir morgen auf noch-
mals acht Thaler nicht ankommen."

Darüber hatte sich Mackenroth gefreut und sehr bedankt,
denn acht Thalec waren ein schönes Stück Geld, und die
Loffnung, ste gar zu verdoppeln, weckte den Vorsah, zu
beweisen, was Kunst, Kraft und Pflichtgefühl vermögen.

Lerr Orlovius aber hatte stch zu einem gewissen Knorr
begeben, der sich nur Musikus nannte, aber die gleichen
stnternehmungen wie Mackenroth veranstaltete, weshalb der
Konkurrenz wegen zwischen ihm und seiner Bande einerseits
und Mackenroth und dessen Genossen andererseits eine stadt-
bekannte tiefe Kluft klaffte, aus der nicht selten Flammen
der Zwietracht hoch emporschlugen. Lerr Orlovius hatte
zu Knorr gesagt: „Einige Freunde und ich beabsichtigen,
heute Abend dem Lerrn Vürgermeister ein Ständchen brin-
gen zu lassen, wozu die polizeiliche Erlaubnis bereits ein-
geholt ist. Lier sind acht Thaler Courant, Lerr Knorr!
Nehmen Sie drei Kollegen und vollbringen Sie das Werk!
Drei Stücke werden genug sein, zwei dürfen Sie selber aus-
wählen, aber den Anfang machen Sie mit: Wir sthen so
fröhlich beisammen. Das ist das Lieblingslied des Lerrn
Bürgermeisters. Punkt zehn !lhr muß es losgehn. Wenn
Sie Ihre Sache gut machen und besonders recht kräflig ver-
sichern, daß man so fröhlich beisammen sitze und einander
so lieb habe, dann sollen Sie morgen noch einmal acht
Thaler haben."

Darüber hatte sich Knorr gefreut und sehr bedankt.

Ein Stübchen schuf man hoch im Turm,

Da konnte Iochen Vahsen hausen.
Zwölfmal noch blies zu Neujahr er,

Dann sah den Tod er ohne Grausen.

Man ließ ihn feierlich hinab,

Daß man ihn ehrenvoll bestatte:

Er war der beste Posaunist,

Den Knippelsbühl wohl jemals hatte. -on.

denn acht Thaler waren ein schönes Stück Geld, und die Mög-
lichkeit, sie zweimal zu erwischen, gab alle Veranlassung, zei-
gen zu wollen, was man könnte.

Lerr Stübben schließlich hatte einen gewissen Kanzenell
aufgesucht, der Chorist beim Stadttheater war und heute
Abend - denn Silvester war das Theater geschlossen — nichts
zu tun hatte. Er hatte zu ihm gesagt: „Einige Freunde
und ich beabstchtigen, heute Abend dem Lerrn Bürgermei-
ster ein Ständchen bringen zu lassen, wozu die polizeiliche
Erlaubnis bereils eingeholt ist. Am besten geeignet erschei-
nen uns einige gute Gesangsvorträge. Lier sind acht Tha-
ler Courant, Lerr Kanzenell! Nehmen Sie drei tüchtige
Kollegen und singen Sie etwas schönes. Drei Lieder dürf-
ten genügen. Zwei können Sie selber aussuchen, aber an-
fangen müssen Sie mit dem deutschen Kriegsliede von Cra-
mer, nach der Melodie von Gläser. Das hört nämlich der
Lerr Bürgermeister so sehr gern. Beginn Punkt zehn !lhr.
Wenn Sie es gut machen und besonders das deutsche Kriegs-
lied recht mächtig ertönen lassen, können Sie bestimmt mit
nachträglicher Verdoppelung des Lonorars rechnen."

Darüber hatte sich Kanzenell gefreut und fehr bedankt,
denn acht Thaler Courant waren ein schönes Stück Geld, und
wenn gar sechzehn daraus werpen mochten, durfte man die
Kehlen schon tüchtig anstrengen.-

Weinhändler Stübben hatte die Lampe im Zimmer aus-
gelöscht; die Lerren wollten lieber am dunklen Fenster sit-
zen und nicht von der Straße gesehen werden. Drüben im
Lause des Bürgermeisters, der wohl eine größere Gesell-
schaft eingeladen hatte, waren alle Fenster erleuchtet. Aber
die Vorhänge waren fest zugezogen; es bestand dort für
niemand Veranlassung, nach der Straße hinauszuschauen.

Ganz verlassen lag der Breite Markt da; nicht einmal
ein Sicherheitskommissarius ließ sich blicken; die tranken jeht
auch alle ihren Silvesterpunsch. Da, fünf Minuten vor zehn
!lhr, kam von Osten her ein Trupp von vier Mann ange-
stapft, und gleichzeitig näherte sich von Westen eine ebenso

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