Das Rezept
Bezirksrichter erhob sich und rief mit schnarren-
der Stimme: „Ich beantrage den Angeklagten
zu lebenslänglicher Indigestion zu verurteilen!"
Schmissig erwachte, in Schweiß gebadet.
Er hielt es nicht länger aus, die Llngewiß-
heit mußte beendet werden. Sofort machte er
sich auf den Weg zu Krischan, um sich nach der
Kuh zu erkundigen. Krischan ösfnete die Stalltür
und sagte: „Pst! Sie schläft!"
Ein intensives Schnarchen ließ sich hören.
„Schläft denn Ihre Frau im Stall?" „Nee,
LerrPrafiser, dat is deKauh!" Schmissig wollte
nach dem Nezept fragen, aber er traute sich nicht.
Scheu betrachtete er die Kuh, sie sah sehr fried-
lich aus, lag auf der rechten Seite und streekte
alle Viere von sich, und dabei schnarchte sie
tief und menschlich.
„Krischan," sagte Schmissig, „das ist eine
treffliche Medizin. Paß auf, wenn sie drei Tage
so weiter schläft, dann ist das garnicht schlimm,
sondern ganz in der Ordnung." Krischan nickte,
äußerte aber Bedenken, und fragte, ob er die
Kuh dann im Schlaf melken solle, aber Schmissig
empfahl sich eilig. Also doch! Die Kuh hatte
das Morphium und die Frau Bezirksrichter
— o, es war nicht auszudenken. Er wollte
eigentlich in die Apotheke zurückgehen und seinen
Kummer in Lethe ertränken, aber unwidersteh-
lich zog es ihn an den Ort der Tat. Ohne daß
er selbft wußte, wie, hatte er plötzlich die Klingel
bei Bezirksrichters gezogen.
Der Bezirksrichter war sehr höflich und
tat äußerst erfreut, aber es war ein gewisser An--
terton da, der Schmissig nicht gefiel und den er
argwöhnisch zu beobachten sich vornahm. Es war
doch riesig nett von Schmisstg, sich so teilnahms-
voll nach dem Ergehen der Frau Bezirksrichter
zu erkundigen. Zwar die Gattin sei indisponiert
und bedaure aufrichtig, ihn nicht empfangen zu
können. Sie hätte gerade heute so gerne mit
ihm gesprochen.
„Das war eine Medizin," suhr der Bc-
zirksrichter fort, „meine Frau ist krank davon
geworden."
„Krank?" schrie Schmissig auf und über-
legte, ob es jetzt der richtige Zeitpunkt sei, sein
Versehen zu bekennen, aber sein Gegenüber
fuhr fort:
„Ia, kränker, als sie vorher war, vor Aer-
ger." Schmissig horchte auf. „Ia, vor Aerger,"
unterstrich der Bezirksrichter, „eine solche
bodenlose Taktlosigkeit von dem Dr. Knippen-
hagen! Lesen Sie, Verehrtester, dieses Rezept!
Meine Frau hat natllrlich nichts eingenommen,
sie will mit dem sauberen Mediziner nichts
mehr zu tun haben, und ich auch nicht, nicht
einmal seine Nezepte werden wir mehr brau-
chen, und es wird zu einem großen Krach kom-
men. Ich werde mir diese ordinäre Anpöbelei
nicht gefallen lassen. Lesen Sie, Lerr Provisor,
lesen Sie!"
Schmissig las das Rezept. Es war ein
starkes Drastikum, er hatte es heute morgen ge-
macht. And darunter stand:
Für Frau Bezirksrichter Lähnisch.
Der Kuh auf einmal ins Fressen zu schütten!
^ L 8 L n 8
?3l6vt-ü086ll!rir!686!lUt2-8tl'6if6N
erlislt Agrgntiert äis ?ssson unä ^üZeltglle'unä verliütet Kniebeulen,
Incisne!»8t:r>lL»pizLe»Oe!-i«:IiäLt«»u,iü8c:I,iieitl6r«!eu
r:rti Llt1!di, vvo nicbt, srkolZt Verssnct ASZen Vorkssse octer btgckngbme.
ßreis per ?LLr O.-iHK. 1.80 krsnko.
/Meinfabl'ikAnt: ?nitr ?686i') ssnankfuk't a.!V>.
lVIkggencloi'fsl'-LlLltei' ^I^. 1775. I. lanuai' 1925. ^eiZenpreis süräiebZesp.^tiN^
Lerlin, Llkklkw, Oresclen, HkrNe A.8.. ^lKmbuncr, ^lttnndktm, Iillwcb?n. > itrnbk'r?. Sllittssnrt. f'rkik'. ^ltricb.
LestellunZen dei sllen 8ucb-unct Kunstbsnäluneen, ^eitunLs-bxpeäitionen unct üen beutscben postäintern. VVocbenausxsbe: V isrts I j s b rs - V d o n n ems n t (13 blumrnsrn,
kür veutscblsnct obns ^ustellunA p.-bl. 3.60 vvertbsstgnctis: nncb Oesterreicb Kr. 60.000.—, nacb cter IscbeckosIovLlcsi Kc. 35.—, nsck 6er Lcbvveix br. 5.—. b.gcb ctem udnAen
tVusIsnä: p.-IVt. 5.—. pesvnäers in Scbutrpsppe verpgcbte ^usLube: VI s rts I i sbrs--t b on n em en t innsrbsld Oeutscklgnäs, postdsruZ oäsr postübervvelsunA vom
VsrlLZ sus P.-M. 4.20 vverldestZnüiL. Mnrelne Kummer: In Osutscblsnct P.-I>1. -.30 vverlbsstgnctiA, in bänctern mit bocbcvsrtiZer Vglutg Lcbxvsixsr-Prs. -.50 octer ctsren 6.urscvert.
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Bezirksrichter erhob sich und rief mit schnarren-
der Stimme: „Ich beantrage den Angeklagten
zu lebenslänglicher Indigestion zu verurteilen!"
Schmissig erwachte, in Schweiß gebadet.
Er hielt es nicht länger aus, die Llngewiß-
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sich auf den Weg zu Krischan, um sich nach der
Kuh zu erkundigen. Krischan ösfnete die Stalltür
und sagte: „Pst! Sie schläft!"
Ein intensives Schnarchen ließ sich hören.
„Schläft denn Ihre Frau im Stall?" „Nee,
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nach dem Nezept fragen, aber er traute sich nicht.
Scheu betrachtete er die Kuh, sie sah sehr fried-
lich aus, lag auf der rechten Seite und streekte
alle Viere von sich, und dabei schnarchte sie
tief und menschlich.
„Krischan," sagte Schmissig, „das ist eine
treffliche Medizin. Paß auf, wenn sie drei Tage
so weiter schläft, dann ist das garnicht schlimm,
sondern ganz in der Ordnung." Krischan nickte,
äußerte aber Bedenken, und fragte, ob er die
Kuh dann im Schlaf melken solle, aber Schmissig
empfahl sich eilig. Also doch! Die Kuh hatte
das Morphium und die Frau Bezirksrichter
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eigentlich in die Apotheke zurückgehen und seinen
Kummer in Lethe ertränken, aber unwidersteh-
lich zog es ihn an den Ort der Tat. Ohne daß
er selbft wußte, wie, hatte er plötzlich die Klingel
bei Bezirksrichters gezogen.
Der Bezirksrichter war sehr höflich und
tat äußerst erfreut, aber es war ein gewisser An--
terton da, der Schmissig nicht gefiel und den er
argwöhnisch zu beobachten sich vornahm. Es war
doch riesig nett von Schmisstg, sich so teilnahms-
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ihm gesprochen.
„Das war eine Medizin," suhr der Bc-
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„Krank?" schrie Schmissig auf und über-
legte, ob es jetzt der richtige Zeitpunkt sei, sein
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fuhr fort:
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