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Parkszene

Eine Schwierigkeit — „Sie mllssen Ihren Antraq schrifrl'ch ein-
reichen, lassen Sie ihn sich doch vonIhrem Schullehrer aufietzen." — „Za mei,
wir möchten doch grad' beantragen, daß wir den Schulmeister losweroen."

Von Kurt GrooS

Tkeobald batke einen Park.

An Parlbäumen waren vertreten: Peter-
silie, rwei Kohlraben und eine Zuckcrrllbe.

Außerdem noch ein Stachelbeerstrauch.

Man gehe aber, bitte, nicht so leichtsinnig
darllber hinweg.

Ich wiederhole: In Theobalds Garten
stand ein Stachelbeerstrauch.

Ein Wesen nur hatte Theobald auf dieser
Welt, das er wirklich und innig liebte, eben jenen
Stachelbeerstrauch. Nebenbei sei gesagt, daß der
Strauch die Größe einer Kohlrllbe hatte und der
Garten im Geviert sechs Meter groß war.

Aber einParkwares krotzdemund immerhin.

Tagsllber saß der Besitzer des Parkes in
einem Bllro und sührte ein Kontokorrent. Ein-
mal hätte man ihn fast entlassen, da der Chef
auf Folio neunhundertvierundvierzig, Konto
Frosch L Bachkröte, einen Stachelbeerstrauch
abgezeichnet fand. —

Sprach Theobald mit seinen Kollegen, sah
er gen Limmel, seufcke ichwer uno sagte dann
gewichtig: „Diese vielen Regenschauer tun dem
Obst auch nichl gerade gut."

Mil Obst meinte er den bewußten Slrauch.

Abends setzte stch der Parkier neben den Beerenstrauch
und machte zarte Gedichte. Diese Gedichte wollte Theobald
spärer veröffentlichrn, „Parkstimmung" sollte das in roten
Saffian einzubmdende Buch betitelt werden.

Einmal veranftaltete Theobalv auch ein Parkfest. Aber
nur ein einziges Ncal. Damals hatte ein Frevler seinen
Stachetbe rbaum ein „verkrllppeltes Gewächs" genannt. Ob-
gleich ein Menich derarnges nur bei unklai em Verstand von
sich geben konnte, unterließ Theobald solche Veranstaltungen
für alle Zukunst. — —

Acht Iahre lang schon lebte der Stachelbeerbaum neben
Mülleimern und einem Rübenbeet dahin, nie aber hatten
Frllchte ihn geziert.

„Er ift ein Eunuche unter den Stachelbeerfträuchern,"
sagte der Nachbar, der Schuft, der Lump, der Ehrabschneider.

Im neunten Iahi e aber geschah ein Wunder. Theobalbs
glllckselige Kinderaugen entdeckten zwei lleine Stachelbeeren.
Er stllrcke llber den Mlllleimer und weinte zwei Stunden.

Wochenlang trug er das Geheimnis mit sich herum.
Wie ein Bräutigam, der ewig an seine Braut denken muß,
so kam sich der Äerr des Parkes vor.

Als seine Stachelbeeren Erbsengröße erreicht hatten,
lagen in den Schauienftern schon dicke, ausgereifte Früchte.

Veröchtlich ichrittTheo-
bald vorllber.

„WerwirddiesesDreck-
zeug da essen," sinnierte er,

„diese verbolzten, bitteren
Früchte. die durch hundert
profane Liänbe gegangen
sind?"

Es ging doch nichts
llber selbst gezogenes Obft l

Nachts wälzte sich
Theobald schlaflos auf sei-
nerMatratze unv überle.ste,
ob er Wein aus den Bee-
ren bereiten, sie auf den
Markt werfen oder im eige-
nen Laushalt verwenden
sollte.

Sonntags sttzte sich der
Glllckliche in den Park und
sah zu, wie die beiben
Früchte wuchsen.

Dazwischen machte er Gedichte.

Etwa so:

„Die Petersilie duftet sinnlich schwer.

In prallen Dolden reift das Obst..."

Theobald war Sachse. Das soll keine Entschuldigung
sein, nur eine Erläuterung.

Eines Nachts aber hatte Theobald schwere Träume, ein
Berg stllrzte über ihn, das Tinkenfaß über das Kontokorrent,
Blitze zuckten herab, Donner grollte, und aus dem Kanal im
Park kam mit stampfigen Schritten ein Llngeheuer. —

Mit schrillem Schrei erwachte der Träumer.
Fürchterliches schwante ihm.

Mit einem Satz sprang Theobald in die Lose, riß die
Tür auf und rannte in den Park.

Dichte Gewitterwolken ballten sich unheimlich grau llber
Gesträuch und Pekersilie.

Theobald sah undeutlich die Konturen des Stachelbeer-
strauches, ein Zllndholz flammte auf.

Ein fürchterlicher Aufschrei durchgellte die sinstere Nacht.
Theobald ftllrzte zu Boden und schluchzte. Das Leiligste
hatte man ihm geraubt.

Das Odst war verschwunden.

Räuber, Parkschänder, Gesindel hatten mit frevler Land

die Früchte gebrochen.

Als zwei dicke, grllne
Naupen das Schluchzen hör-
ten, sahen sie sich bebcu-
tungcvoll an und machten
sich aus dem Staube.

Am nächften Tag fie-
berte Theobald und faselte
von zerstörtem Lebensglllck
Befriedigt aber erblick-
ten später seine rachedursti-
gen Augen das große In-
serat, das mithelfen sollke
amRachewerk. Esstand da:

„LoheBelohnung,evkl.
auch 50 Pi oz. des geraubten
Gutes, zahle ich demjenigen,
der mirdie Obsträuber nam-
haft macht, die Samstag
Nacht meinen Park an der
Lellerauer Straße heimge-
sucht haben."

— „Lören Sie, ich habe doch Nierenbraten bestellt. Wo
ist denn da die Niere?" — „Die kommt gleich. Die
Köchin sucht sie noch überall, es war eine Wanderniere."

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