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— „Nicht schießeri — hören Sie — nach 10 Ahr darf ja im Lause nicht mal Klavier gespielt werden!"

Kindliche Vorstellung

Vor einigen Tagen ging ich mit meinem dreijährigen
Töchterchen, einem sehr aufgeweckten und wißbegierigen Kind,
durch die Maximiliansstraße; am Maxmonument angekom-
mm, fragte es mich: „Papale, was ist das?" Auf meine
Anlwort, daß dies das Maxmonument sei, wollte es so-
gleich wiffen: „Wo ist das Moritzmonument?"

Minchens schändliches Tagebuch Von Peter Robinson

Es war furchtbar! Es war entsetzlich! Es war eine
Katastrophe! Es war sogar sehr unangenehm und peinlich.
And das hatte Minchen mit ihrem Tagebuch getan.

Es ist nun zunächft von diesemMinchen zu berichten, daß ihr
Name Lermine Slttbke, ihr Familienstand, wie die Behörden
sagen, der einer ledigen Weibsperson und ihr Beruf der einer
Flicknäherin gewesen war. Dreißig Iahre lang war sie an
den Wochentagen beinahe jeden Morgen srüh durch die Gassen
der kleinen Stadt Mirchau gehuscht, hatte an irgend einem
der besseren Läuser bescheiden geklingelt und dann darin einen
fttr sie bestimmten Fensterplatz eingenommen, um den ganzen
Tag über allerlei Ober- und Anterkleidungsftücke, Tisch- und
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Bettwäsche und was sonst aus einem mehr oder minder reichen
Besitz an Gewebeprodukten vorzeitige Erscheinungen des
Verfalls aufwies, fleißig und gut, ja geradezu vorzttglich
auszubessern und wieder in Ordnung zu bringen. Bei den
notwendigen Mahlzeiten itt diesen Läusern hatte sie an den
verschiedenen Eßtischen stets eine allgemein als musterhast
anerkannte Zurückhaltung beobachtet, artig hinuntergegessen,
was ihr vorgesetzt worden war, und sich niemals mit einem
Wort, mit einer Silbe in die Anterhaltung des jeweiligen
Familienkreises eingemengt. Aeberhaupt: was da in all den
Läusern, in die sie in all den Zahren so oft gekommen war,
gesprochen worden war, schien für Minchen gar nicht da
gewesen zu sein; es war gewesen, als ob sie in dieser Be-
ziehung gar keine Ohren gehabt hätte. And deshalb hatte
man sie überall geschätzt und, ganz abgesehen von der Vor-
trefflichkeit ihrer Arbeit, die sie zudem sehr billig geleistet
hatte. in jedem Lause sie gern gesehen und von einem „Fräulein
Stübke" über die Zwischenstufe eines „Fräulein Lermine"
allmählich zum „Minchen" avancieren lassen.

An einer Grippe war dann Lermine Slübke unerwartet
schnell dahingeschieden. Zhrer so großen Nützlichkeit wegen
hatte man in allen Läusern, die ihre Kundschaft gewesen
waren, ein paar kurze Worte des Bedauerns gefunden, denen
 
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