Lwig, gestern, morgen, heute
(Zeht äes Oienstes Sang.
Frieärich saß im Postgebäuäe
Kn äem Morsestrang.
Mit äem Morsetaster spielte
Zeine flinke Hanä,
Unä äabei im Herzen fühlte
Cr sich liebentbrannt.
Ooch äer Pflicht vergaß er nich:
Frieärich
Strichballade mit pünktlichem Schluß
6lonä war sie, unä sie hietz Ellen
(vater Uechnungsral)
Iene, äie mit herzschen Mellen
llhn bezaubert hat.
Linmal schrieb er in spontaner
wallung einen Vrief,
Unschuläsvoll wie ein primaner
Unä äurchaus naiv:
Cllen, ach ich liebe äich!
Uomm, laß auf äas Slück uns bauen
Unä ins weite ziehn,
llns zum Lhebunä zu trauen,
Uomm nach Sretna Sreen!
Irgenäwo ist eine Hütte,
5ei sie noch so klein.
Liebe Lllen, bitte, bitte,
Uomm uitä weräe mein!
Oreu äich liebenä §rieäerich.
Lllen war nicht graä bacchantisch,
(vater Uechnungsrat)
Unä sie sprach ganz unromantisch:
„Frieäerich ist faä!"
Zucht im Ueichskursbuch vergebens,
Sretna Sreen sucht sie,
Oenkt äeshalb: Herr meines Lebens!
Oer ist lüttiti!
Unä sie schrieb ihm: Meinst vu mich?
Minchens schändliches Tagebuch
einige längere der nicht leichten Ueberlegung gefolgt waren,
wer denn nun an ihre Stelle treten sollte, da man durch sie
doch einigermaßen verwöhnt worden war. Weiter war dann
von ihr zunächst nicht mehr die Nede gewesen. Was von
ihren Angelegenheiten noch zu regeln gewesen war, hatte
der No ar besorgt, dem sie bereits vor längerer Zeit ihr
Testament übergeben hatte Sie hatte nicht unansehnliche Er-
sparnisse und bereits von den Eltern ererbtes solides Mobiliar
besessen und alles lamt und
sonders ihrem Neffen To-
bias Schwerdtfeaer hinter-
lassen, der beim Mirchauer
Magistrat als Schreiber
angestellt war. Aber: diese
Erblchast war mit einer so-
genannten „Auflage" ver-
knüpft gewesen. Lermine
Stübke hatte angeordnet,
daß der Neffe und Erbe
von einem im obersten
Schubfach der Kommode
aus Birnbaumholz vorzu-
findenden, die Aufschrift
„Tagebuch"tragenden Lefte
eine genaue und saubere
Vervielsältigung in vier°
undzwanzig Exemplaren
herzustellen und diese den
auf einem beigefügten Zet-
tel angegebenen Personen
einzuhändigen habe.
Tobias Schwerdtseger
war zuerst nicht sehr erfreut
überdiesenAuftraggewesen
— zu schreiben hatte er ja
ohnehin schon genug. Als
er aber das Tagebuch erst
einmal flüchtig durchge-
blättert und darauf zwei-
mal hintereinander mit Er-
götzen und immer mehr
Oiese Flntwort, sehr lakonisch,
Vracht man ihm ins Haus.
Lr seuszt: „läch, sie wirä ironisch!
Nun ist alles aus!"
Unä er ging nach vienstesschlusse
Unä erfüllter Pflicht
Mehmutsvoll zum nahen §lusse,
Ooch er hat sich nicht,
Mie man glaubt, hineingetunkt.
Dr. A. W.
steigendem Behagen genau gelesen hatte, — da hatte er so-
fort das beste geleimte Schreibpapier, das zu haben war,
sich besorgt, mit Lektographenrinte eine Abschrift gemacht
und dann mittels gar nicht billiger Lektographenplatten
— aber das gehörte zu den Ankosten der Erbschaft! — eine
Auflage nicht von 21, sondern von 30 Exemplaren hergestellt.
Denn ein paar wollte er für sich selbst behalten, zum Ver-
gnügen. Er hatte dann, an einem Sonntag vormittag,
seinen besten Rock angezogen und die ihm bezeichneten Läuser
aufgesucht, in jedem ein
Exemplar abgebendmitdem
Bemerken, es hantelte sich
um einen letzten Wunsch sei-
ner seligen Tante, des den
Lerrschaften ja bekannten
Fräulein Lermine Slübke.
Lier und dort hatte er einen
Schnaps oder eine Zigarre
bekommen, da man — über-
all hatte die unvermutete
Gabe natürlich Verwunde-
rung erregt — derMeinung
gewesen war, man härte
da irgend etwas Nettes,
eine freundliche, reizende
Ueberraschung nachträglich
von dem braven Minchen
erhalten.
Ia, und dann hatte
man also gelesen, was Ler-
mine Slübke einem größeren
Kreise zugänglich zu machen
für gut befunden hatte.
Man hatte mit Erstaunen,
mit Bestürzung und mit
Tmpörung geleien. And
nun war das Anheil fertig.
Es war furchtbar! Es war
entsetzlich! Es war eine
Katastrophe! Es war so-
gar sehr unangenehm und
peinlich!
— „Was spielt denn der Kerl da unten?"
— „Geige — Lerr Baron!" — „Esel, ich meine
den Komponisten I" — „Der — spielt nicht mit!"
181
(Zeht äes Oienstes Sang.
Frieärich saß im Postgebäuäe
Kn äem Morsestrang.
Mit äem Morsetaster spielte
Zeine flinke Hanä,
Unä äabei im Herzen fühlte
Cr sich liebentbrannt.
Ooch äer Pflicht vergaß er nich:
Frieärich
Strichballade mit pünktlichem Schluß
6lonä war sie, unä sie hietz Ellen
(vater Uechnungsral)
Iene, äie mit herzschen Mellen
llhn bezaubert hat.
Linmal schrieb er in spontaner
wallung einen Vrief,
Unschuläsvoll wie ein primaner
Unä äurchaus naiv:
Cllen, ach ich liebe äich!
Uomm, laß auf äas Slück uns bauen
Unä ins weite ziehn,
llns zum Lhebunä zu trauen,
Uomm nach Sretna Sreen!
Irgenäwo ist eine Hütte,
5ei sie noch so klein.
Liebe Lllen, bitte, bitte,
Uomm uitä weräe mein!
Oreu äich liebenä §rieäerich.
Lllen war nicht graä bacchantisch,
(vater Uechnungsrat)
Unä sie sprach ganz unromantisch:
„Frieäerich ist faä!"
Zucht im Ueichskursbuch vergebens,
Sretna Sreen sucht sie,
Oenkt äeshalb: Herr meines Lebens!
Oer ist lüttiti!
Unä sie schrieb ihm: Meinst vu mich?
Minchens schändliches Tagebuch
einige längere der nicht leichten Ueberlegung gefolgt waren,
wer denn nun an ihre Stelle treten sollte, da man durch sie
doch einigermaßen verwöhnt worden war. Weiter war dann
von ihr zunächst nicht mehr die Nede gewesen. Was von
ihren Angelegenheiten noch zu regeln gewesen war, hatte
der No ar besorgt, dem sie bereits vor längerer Zeit ihr
Testament übergeben hatte Sie hatte nicht unansehnliche Er-
sparnisse und bereits von den Eltern ererbtes solides Mobiliar
besessen und alles lamt und
sonders ihrem Neffen To-
bias Schwerdtfeaer hinter-
lassen, der beim Mirchauer
Magistrat als Schreiber
angestellt war. Aber: diese
Erblchast war mit einer so-
genannten „Auflage" ver-
knüpft gewesen. Lermine
Stübke hatte angeordnet,
daß der Neffe und Erbe
von einem im obersten
Schubfach der Kommode
aus Birnbaumholz vorzu-
findenden, die Aufschrift
„Tagebuch"tragenden Lefte
eine genaue und saubere
Vervielsältigung in vier°
undzwanzig Exemplaren
herzustellen und diese den
auf einem beigefügten Zet-
tel angegebenen Personen
einzuhändigen habe.
Tobias Schwerdtseger
war zuerst nicht sehr erfreut
überdiesenAuftraggewesen
— zu schreiben hatte er ja
ohnehin schon genug. Als
er aber das Tagebuch erst
einmal flüchtig durchge-
blättert und darauf zwei-
mal hintereinander mit Er-
götzen und immer mehr
Oiese Flntwort, sehr lakonisch,
Vracht man ihm ins Haus.
Lr seuszt: „läch, sie wirä ironisch!
Nun ist alles aus!"
Unä er ging nach vienstesschlusse
Unä erfüllter Pflicht
Mehmutsvoll zum nahen §lusse,
Ooch er hat sich nicht,
Mie man glaubt, hineingetunkt.
Dr. A. W.
steigendem Behagen genau gelesen hatte, — da hatte er so-
fort das beste geleimte Schreibpapier, das zu haben war,
sich besorgt, mit Lektographenrinte eine Abschrift gemacht
und dann mittels gar nicht billiger Lektographenplatten
— aber das gehörte zu den Ankosten der Erbschaft! — eine
Auflage nicht von 21, sondern von 30 Exemplaren hergestellt.
Denn ein paar wollte er für sich selbst behalten, zum Ver-
gnügen. Er hatte dann, an einem Sonntag vormittag,
seinen besten Rock angezogen und die ihm bezeichneten Läuser
aufgesucht, in jedem ein
Exemplar abgebendmitdem
Bemerken, es hantelte sich
um einen letzten Wunsch sei-
ner seligen Tante, des den
Lerrschaften ja bekannten
Fräulein Lermine Slübke.
Lier und dort hatte er einen
Schnaps oder eine Zigarre
bekommen, da man — über-
all hatte die unvermutete
Gabe natürlich Verwunde-
rung erregt — derMeinung
gewesen war, man härte
da irgend etwas Nettes,
eine freundliche, reizende
Ueberraschung nachträglich
von dem braven Minchen
erhalten.
Ia, und dann hatte
man also gelesen, was Ler-
mine Slübke einem größeren
Kreise zugänglich zu machen
für gut befunden hatte.
Man hatte mit Erstaunen,
mit Bestürzung und mit
Tmpörung geleien. And
nun war das Anheil fertig.
Es war furchtbar! Es war
entsetzlich! Es war eine
Katastrophe! Es war so-
gar sehr unangenehm und
peinlich!
— „Was spielt denn der Kerl da unten?"
— „Geige — Lerr Baron!" — „Esel, ich meine
den Komponisten I" — „Der — spielt nicht mit!"
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