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Minchens schündliches Tagebuch

Der Lerr Rechtsanwalt hat zu seiner Frau gesagt, sie inüßten
jetzt endlich auch Msiglieder in der „Larmonie" werden. Es
wäre nur schade, daß er sich mit Amtsrichter Bock, der doch
Vorstand von der „Larmonie" ist, nicht besser stellen könnte.
Aber der Amtsrichter wäre nun mal so ein verärgerter Lerr,
er hätte wohl auch Sorgen, er müßte noch Schulden aus
seiner Studentenzeit abzahlen.

Die Frau Nechtsanwalt hat gemeint, die Frau Amts-
richter täte ihr deshalb leid; sie müßte sich so einrichten
und so sparsam wirlschaften. Sie müßte aber eine ganz
nette Frau sein, und sie möchte sie gern mal zum Kaffee
einladen.

Die Frau Nechtsanwalt hat gesagt, ich wäre viel zu billig.

4. August 1902.

Bei Frau Postdirektor Schlutius. Bratklops mit viel
Kartoffel darin. Sehr ungemütlich. Max hatte Prügel be-
kommen, weil herausgekommen war, daß er aus seiner Spar-
büchse was genommen hatte. Ich habe ihn gestern gesehen,
wie er aus der Konditorei am Markt mit einer Tüte heraus-
kam. Frida Brümmer wartete aus ihn.

Frau Postdirektor hat zu ihrem Mann gesagt, er mllßte
eigentlich Vorstand von der„Larmonie" werden; Amtsrichter
Bock würde sich jetzt wohl das Saufen angewöhnen. Lerr
Postdireklor hat gesagt, das brauchte er sich gar nicht erst
anzugewöhnen. Beide haben sehr gelacht.

7. Ortober 1903.

Bei Frau Tierarzt Brümmer. Fleischbrühe mit dem
Suppenfleisch hinterher. Für Frida habe ich die Kleider
auslassen müssen, sie wächst jetzt so sehr. Ist doch ein sehr
nettes Mädchen.

Frau Brümmer war in Sorge, weil ihre Mutter krank

ist. Der Äerr Tierarzl hat gesagt: Dr. Äagemann wäre ein
Schafskopf. Den alten Äerrn Wendler hätte er falsch be-
handelt und unter die Erde gebracht.

20. März 1904.

Bei Frau Baumeifler Roggentien. Falscher Lase. Für
den Lerrn Baumeister ein Filet extra. Sie haben sehr leise
gesprochen. Der Lerr Baumeister hat gesagt, jetzt hätte er
die Sache bald gedeichselt, und dann wäre er aus allem her-
aus. Es wäre aber auch höchste Zeit.

Die Meta hat beim Essen immer mit den Beinen ge-
bammelt und mir gegen die Kniescheiben gestoßen. Eine
Kanaille ist das Mädchen.

2. April 1904.

Bei Frau Bürgermeister Denicke. Bohnen mit Speck.
Der Lerx Bürgermeister war sehr vergnügt. Baumeister
Noggentien hat sich Zigarren schicken lassen und ihm welche
zur Probe abgegeben. Ein Dutzend Kisten standen da.

Die Stadt wird jetzt ein Krankenhaus bekommen; Bau-
meister Noggenlien soll es bauen.

I?. September 1906.

Bei Frau Postdirektor Schlutius. Linsen mit Brat-
wurst, aber wenig. Der Äerr Postdirektor hat sich gestern
bei dem Festessen zur Einweihung des Krankenhauses den
Magen veidorben. Baumeister Noggentien wäre der größte
Gauner in Mirchau, hat er gesagt.

Meta Roggentien hat bei der Einweihung ein Gedicht
aufgesagt. Max Schlutius hat gesagt, sie hätte gemeckert
wie eine Ziege und auch so ausgesehen. Die Frau Post-
direktor hat gelacht und gemeint, die Mutter wäre gradeso.
Wenn Max das Abiturium gemacht hat, will er auf eine
technische Äochschule. Er trifft sich noch immer mit Frida
Brümmer.
 
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