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Lle ge»cyrnNrn dret Mtnuten
zwar gasz ansehnlich gerundet gewesen,
aber von einer eigenartigen Welkheit
wie nach langem Entbehren jeden Tages-
lichts; tief über die Stirn hätte ihm
fleckig graues Äaar gehangen, und wenn
die nicht gleichmäßig langen, eher zackig
gewachsenen Strähnen nachher, als der
Mann sprach, bei heftigeren Bewegungen
seines Kopfes zu bammeln anfingen, dann
hätte er fie immer sofort wieder herunter-
und glatt gestrichen, als wäre darunter
etwas zu verbergen.

So also war der fremde Mann Stievenfoot erschienen.
Eine Anknüpfung ergab sich dann, als Stievenfoot, mit der
zweiten Flasche wacker beginnend, die trübseligen Erzäh-
lungen der altenTante noch im Gedächtnis, vorfich hinsummte:
„Glücklich ist, wer vergißt, was nicht mehr zu ändern ist!"

„Recht so, mein Lerrl" sagte da der fremde Mann.
„Recht fol Vergessen oder, wenn das nicht gehn will, denn
manche Dinge setzen sich mit ekligen Widerhaken im Lirn
fest, dann wenigstens nie bereuen! Die Reue gilt gemein-
hin als eine löbliche Gemütsregung. Das ist Torheit, aber
begreiflich durch Mangel an Wissen. Bedenken Sie, mein
Lerr: der Mensch bedauert also etwas Getanes, weil er
meint, daß es gut wäre, wenn es nicht getan worden wäre.
Ia, aber wenn nun sein Bedauern, nehmen wir das einmal
an, das Geschehene wirklich rückgängig machen könnte, nun
jedoch dafür, denken wir uns auch solch eine Verknüpfung,
etwas anderes einträte, das noch viel, viel schlimmer wäre —

würde der Mensch da sein Bedauern nichr
verfluchen, es einen Wahnsinn nennen?
Ich spreche das als Wissender; ich habe
das jenseits der gewöhnlichen mensch-
lichen Möglichkeiten Liegende erfahren,

das große Geheimnis-aber

Sie gestatten, mein Lerr, ich bin so frei!"

L>ier setzte sich der fremde Mann an
Stievenfoots Tisch und ließ sich auch gleich
sein Glas füllen, goß den Inhalt mit
einem Ruck hinunter und schob es wieder
hin. Dann begann er zu erzählen, ohne
weiter an seine letzten Worte anzuknüpfen. „Es war vor
36 Iahren, mein Lerr, im Iahre 1889. Ich hatte das Studium
derIurisprudenz hinter mir und grade Veranlassung zusingen:

Glücklich ist, wer vergißt-Denn ich hatte das Referendar-

examen nicht bestanden,in hohem Grade nicht bestanden. Meine
Mama — so pflegten sich damals in den besseren Kreisen die
Mütternennen zu lassen- bedauerteihren armenIungen sehr;
nur Krankh^'t wäre schuld, dachte sie, meine Nerven wären
durch das Studium erschöpft. Zu dieser Diagnose war sie
gekommen, weil sie gemerkt hatte, daß mir morgens beim
Frühstück immer die Lände so sehr zitterten. In Wahrheit
lag das aber daran, daß ich dann noch keine Gelegenheit
gehabt hatte, ein paar Schuß Kognak zu nehmen. Ich hatte
mir nämlich seit einiger Zeit das Kognaksaufen angewöhnt,
und wenn man das länger und ausgiebig getrieben hat, muß
man bekanntlich schon srühmorgens mit Kognak anfangen,
um sorsch zu sein. Schön; meine Nerven waren also krank, ich
sollte mich erholen. Meine gute Mama — wir waren ein

ljat Sejichte — nie gehörte,
lllirä ein Teuergeisi, ein Zchaumel,
Lebt im lvahn, äer ihn betörte,
lllirä ein vichter, wirä ein Lräumer.

„6i äer Laulenä!" siirnberun^elt
kürgerßnn äes vichters Locken.
fiber siulle ljeister schmun/ielt:
„Ha äie §ocken — meine §ocken!"

r. K.

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