Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Wie Tobias Klückmann in die Anstalt reiste

luxuriösen Gewohnheiten einer üppigen Vergangenheit ab-

gekommen und brauchen nicht mehr so viele Anzüge.

Die Leute, die von Schneidermeister Zängler ihre An-
züge nicht zur Zeit bekommen hatten, waren natürlich är-
gerlich, und einige von ihnen sagten bei Gelegenheit zu
Dr. Veerland, der sür diesen Fall in Betracht kommenden
medizinischen Autorität, so dürfte das mit Tobias Klück-
mann nicht weiter gehen, und er müßte nun doch wohl in
die „Anstalt" kommen. Die Anstalt aber, das war eine im
Volksmunde, der manchmal ebenso liebenswürdig wie manch--
mal auch grob sein kann, dort gebräuchliche freundliche Ab-
kürzung sür Provinzial-Zrrenanstalt. Dr. Veerland hatte
jedoch wenig Lust, diesem mehr impulsiven als wohlüber-
legten und nur durch den pfingstlichen Bekleidungsverdruß
ausgelösten Wunsche nachzugeben. Auch ging das damals
mit dem Einsperren in solchem Falle nicht so rasch; jeder
Patient in der Anstalt kostete dem Staate Geld, und der
Staat war noch sparsam, ja beinahe ein Geizhals. Und
eigentlich lag auch bei Tobias Klückmann noch keine Ver-
anlassung vor zu solcher doch immerhin etwas harten Maß-
regel, — die Prügel, die er ausnahmsweise einmal dem
Schneidermeister Zängler verabsolgt hatte, genügten noch
nicht, sie zu rechtfertigen, solange er sich sonst friedlich
verhielt.

Tobias Klückmann war Drechslermeister in Müsken-
burg und ein arbeitsamer, ordentlicher, wenn auch un-
beweibter Mann. Küchengeräte, Kegel und Kegelkugeln,
Pfeisenrohre, Spazierstöcke und solche Dinge waren die
schätzbaren Resultate seines Fleißes; daneben schnihte er
auch mit einiger Kunstfertigkeit merkwürdige Pfeifenstopfer

mit ungewöhnlich häßlichen und Puppenköpfe mit herkömm-
lich schönen Gesichtern, welche letzten sehr gesucht waren,
denn damals gab es noch keine große Spielzeugindustrie.
In regelmäßigen Zeitabständen besuchte er, denn die kleine
Stadt Müskenburg allein hätte ihm nicht genügenden Ab-
satz ermöglicht, die Iahrmärkte der Provinz, und so arbeitete
und verdiente er genug und führte ein stilles, dem Staate,
seinen Mitbürgern und auch einer älteren Base, die seinen
Laushalt besorgte, durchaus wohlgesälliges Leben.

Dann aber, als er über die Mitte der Vierzig war,
fing es mit seinem Leiden an. Er ließ die Arbeit manchmal
tagelang liegen und rumorte nutzlos im Äause herum; an
seinem Stammtische störte er die Anterhaltung durch trotziges
Aufbegehren und Knurren, wenn sehr verständige Meinungen
vorgebracht wurden, und seine Kundschaft ärgerte er dadurch,
daß er jetzt die Pfeifenstopfer hübsch und die Puppenköpfe
häßlich machen wollte, was doch gegen alle vernünftige
Regel war. Schließlich kam er zu Dr. Veerland und ver-
traute sich ihm an. Also: Kopfschmerzen hätte er manchmal,
solch ein Bohren und Stechen im Schädel, aber das wäre
nicht das Schlimmste, — das Niederträchtige dabei wäre
die Anruhe im Kopf und der Aerger über den gemeinen
Arheber dieser Schmerzen, -er kein anderer wäre als ein
gewisser Daniel Mitzlaff. Mit diesem Mitzlaff hatte Klück-
mann vor langen Iahren irgendwo zusammen als Geselle
gearbeitet. Es mußte da eine Liebesgeschichte — über diesen
Punkt wollte Klückmann sich nicht weiter äußern — gegeben
haben, bei der Daniel Mitzlaff der begünstigte Nebenbuhler
gewesen war, was wohl bittere Kränkung mit lange nach-
wirkendem Nagen im Gemüte verursacht haben mochte.

(Fortsetzung Seite 7)
 
Annotationen