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ich 'ne Abendstimmung damit malen?"

Dahnböcks Lebensgestaltung

Dr. Krauß war in sichtlich guter Stimmung, als der
Schriftsteller Dahnböck bei ihm eintrat.

„Aha — er wird verlegen!" konstatierte Dahnböck und
war sehr zusrieden mit dieser Festftellung, denn Dr. Krauß
war Verleger.

„Na — wie geht's noch?" eröffuete Dr. Krauß jovial
das Gespräch.

„Gott, Lerr Doktor — Sie wissen ja: wir armen
Schriststeller —"

„Aber erlauben Sie mal, Äerr Dahnböck! das können
Sie doch nicht sagen! Wenn man Sie so ansieht —"

Dahnböck sah wohlgefällig an seinem elegant umhllllten
Embonpoint vorbei zu seinen fabelhasten Shimmyschuhen
hinunter: „Na ja — Sie haben ja recht. Ich bilde ge-
wissermaßen eiue Ausnahme. Das liegt,eben daran, daß
sich die von mir entdeckte Beziehung zwischen lebendiger
Kunstgestaltung und Lebensgestaltung des Kllnstlers als
richtig und im Falle bewußter Äerstellung als Mittel
zur kllnstlerischen Lebensgestaltung erwies, so daß-"

„Am Gottes willen, L>err Dahnböck! Lalten Sie ein!"
rief Dr. Krauß hilflos. „And welche Beziehung ist es denn,
die Sie da neu entdeckt haben?"

„Ich werde vom Beispiel ausgehen." setzte Dahnböck
an. „Wissen Sie, was es war, was mich in die Kunst
einfllhrte?"

„Nein. Aber Sie wollten doch vom Beispiel ausgehen."

„Der Kllnstler ist stets sein eigenes Beispiel," sagte
Dahnböck und suchte vergebens nach einem Bleistift, um
diesen Aphorismus der Nachwelt zu erhalten. „Es ist näm-
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lich bezeichnend, daß ich einen guten Witz machte, als ich
mich zum ersten Male der Literatur widmete."

Dr. Krauß stimmte gern durch ein langgezogenes
„Lm!" zu, durch das er zugleich eine boshafte Be-
merkung llber Treppenwitze unterdrllckte.

„Als mich nämlich — ich war damals achtzehn
Iahre alt — meine erste Liebe treulos verließ, machte
ich llber diesen Fall ein lyrisches Gedicht und einen
Witz und schickte beides an eine Zeitschrist. Der Witz
wurde angenommen, fllr das Lonorar betrank ich
mich schändlich und hatte nachher die Genugtuung,
daß letzten Endes doch ich mit ihr gebrochen hatte."

„Sehr gut!" lachte Dr. Krauß. „Aber die Be-
ziehung?"

„Zunächst noch ein Beispiel," meinte Dahnböck
unbarmherzig. „Als ich hierher kam, hatte ich total
zerrissene Schuhe und keinen Pfennig Geld. Kurz
entschlossen borgte ich mir ein paar neue, verfaßte
ein Gedicht ,Der Wanderschukst, das Sie damals die
Gllte hatten mir abzunehmen, und bezahlte von dem
Lonorar die gepumpten Treter. - Soweit die ersten Bei-
spiele. Ich komme jetzt zur Vertiesung des Gesagten."

„Darf ich Ihnen eine Zigarette anbieten?" fragte
Dr. Krauß besorgt und ahnungsvoll.

„Danke sehr . . . Also die Sache ift einfach die:
mit jedem Erlebnis, das er hat, und mit jedem Gegen-
stand, den er sich erwirbt, tritt ein neues Etwas in
das Leben des Künstlers, das von vornherein nach
dichterischer Gestaltung schreit. Meine zertretene Liebe
und meine zertretenen Schuhe schrien —"
knarrten, wollten Sie sagen —"

„Nein, schrien!! und ich sormte diesen Schrei.
Zu Kunst und Geld. Auf dieser Basis also kann der
Künstler durch wirklich lebendige Kunstgestaltung zu
lllnstlerischer Lebensgestaltung gelangen. Das ist nicht mehr
als recht und billig, und das ist die von mir entdeckte Be-
ziehung. Verstehen Sie nun?"

„Allerdings," sagte Dr. Krauß erlöst. „Nur scheint mir,
man könnte dies alles weit einfacher ausdrücken."

„Dem Kllnstler ist nichts einfach!" bemerkte Dahnböck
und suchte wiederum einen Vleistift. „Aebrigens habe ich
diese Beziehung später und seither immer bewußt herge-
stellt. Als ich mir ein Fahrrad gekauft hatte — um nur
bei den Beförderungsmitteln zu bleiben — schrieb ich eine
kleine Deteklivskizze ,Der Fahrradmarderch die Sie mir
wiederum abnahmen. Leider hat mir dann der Mann, den
ich als Studienobjekt fllr die Fahrradmarderpsyche benutzt
hatte, das Rad wirklich gestohlen. Ich erstand dann ein
kleines Motorrad, ,1 wandte mich, durch den Rhyth-
mus des Auspuffmotors angeregt, dem noch heute von
mir besahrenen Gebiet des Dramas zu und schrieb einen
Einakter mit dem Titel ,1 ?5', den ich als Sketch an
das Kabarett,Laubfrosch' verkauste."

„Der ,Laubfrosch"? Lat der nicht Pleite gemacht?"

„Ia. Aber erst, nachdem mein Sketch drei Wochen
gelaufen war. Das Motorrad habe ich bezahlt."

„Sie sind ein Glückspilz," sagte Dr. Krauß.

„Glückspilz? Na ja — man kann so sagen," erwiderte
Dahnböck gekränkt. „Aber die Glllckspilze des Kllnstlers
wuchern auf dem Boden des eigenen Lerzens!"

Dr. Krauß reichte ihm einen Bleifiift.

„Danke ... Es geht mir denn auch, wie Sie selbst fest-
stellten, ganz gut. Der arme und doch leidlich begabte Mül-
lerbeer dagegen, mit dem ich kürzlich eine Tour in meinem
Aulo unternahm —"
 
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