Kerl hier auf, und nachher seh ich mein Bild mit der Llnter-
schrift ,Seehund am Strand' in'ner illustrierten Zeitung!"
Straßenreinigung
Ich bin an und für sich ein leidlich sauberer Mensch.
Lier stock ich schon: sagt man in diesem Falle nicht besser
und richtiger an und für mich? Iawohl, ich beginne wieder!
Ich bin an und fllr mich ein leidlich sauberer Mensch
und habe viel für Lygiene übrig. Iedesmal, wenn das Loch
in unserem Badeofen frisch verlötet ist, bade ich. Das ge-
schieht alle vier Wochen. Ich kann nichts dazu, daß es so
oft vorkommt.
Ich bin begeisterter Anhänger der Schwemmkanalisation
und der Rachendesinfektion. Ich gurgle täglich mit Bene-
diktiner und feiere alljährlich die Entdeckung des Sublimats.
Der 79. Mai, der Tag. an dem vor einigen 50 Iahren das
erste W. C. seiner Bestimmung zugeführt wurde, ist mein
höchster Feiertag. Ich bin auch Ehrenvorsitzender des Ver-
eins zur Bekämpfung der Magenbazillen durch Magen-
bitter und anderer keimtötender Korporationen.
Deshalb wird man sich wundern, daß ich so absoluter
Gegner der Straßenreinigung bin. Ich habe meine Gründe.
Es gibt viele unerbittliche Dinge auf der Welt. Dichter
nennen das Schicksal und den unaufhaltsam vorwärtsstür-
menden Zahn der Zeit. Ich füge von mir aus noch dazu:
kalte Füße, das Finanzamt und die eitrige Mandelentzün-
dung. Aber das ist alles nichts gegen das unerbittliche
Walten der Straßenreinigung.
Schon als Kind brachte mich harmlose Llnkenntnis und
löblicher Wissensdurst unter eine städtische Kehrmaschine.
Sie sind so konstruiert, daß sie Apfelsinenschalen, Streich-
holzschachteln und Zahnkremetuben zur Seite fegen, nur
kleine Kinder nicht, die führen sie kilometerweit mit sich.
Die Straße, in der ich das erlebte, war mit Gottes Lilfe
eine halbe Meile lang. Während ich mich im enigegen-
gesetzten Sinne wie der Kehrbesen drehte, überlegte ich mir
meine Chancen. Wenn der Kutscher nicht unterwegs von
einem Streik ergriffen worden wäre, ich glaube, ich wäre
heute nicht mehr so passabel, wie ich es immerhin noch bin.
Meine Eltern erkannten mich zunächst nicht wieder. Ich
war ein Mießnick geworden und bekam Lebertran.
Der viele Lebertran hat furchtbar auf mich gewirkt.
Mein ganzes Anterbewußlsein war voll Lebertran. Ich
träumte jahrelang nur immer von dem Mann mit dem
Dorsch. Ich wurde langsam und zähflüssig.
So kam es, daß ich mich relativ spät verlobte. Erst mit
vierzig Iahren. Es war gerade Winter und Glatteis, als
ich zum ersten Nendezvous ging. Ein Mann mit einer blauen
Mütze und einem Sack um die Schulter ging neben mir her
und bewarf mich mit Sand. Ich merkte bald, daß es kein
Zufall war, sondern daß System darin war, und hielt glei-
chen Schritt mit ihm. Ich wollte doch sehen, wie weit es
dieser Mann treiben würde. Er trieb es weit. Ich wan-
delte in einem Samum. Ieder Wurf war ein Treffer. Ich
konnte nicht glauben, daß der Mann dies fortsetzen würde,
aber er tat es.
Ich kam zu meiner Braut, die Augen voll Sand, den
— „Den ganzen Vormittag läusst du schon mit dem Spaten 'rum, Papa. Nun buddel doch end-
lich mal 'ne ordentliche Grube, — das wird dir gut tun."
— „Nee — ich muß dann immer daran denken, wieviel ich bei den Tiesbauaktien verloren hab'."
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schrift ,Seehund am Strand' in'ner illustrierten Zeitung!"
Straßenreinigung
Ich bin an und für sich ein leidlich sauberer Mensch.
Lier stock ich schon: sagt man in diesem Falle nicht besser
und richtiger an und für mich? Iawohl, ich beginne wieder!
Ich bin an und fllr mich ein leidlich sauberer Mensch
und habe viel für Lygiene übrig. Iedesmal, wenn das Loch
in unserem Badeofen frisch verlötet ist, bade ich. Das ge-
schieht alle vier Wochen. Ich kann nichts dazu, daß es so
oft vorkommt.
Ich bin begeisterter Anhänger der Schwemmkanalisation
und der Rachendesinfektion. Ich gurgle täglich mit Bene-
diktiner und feiere alljährlich die Entdeckung des Sublimats.
Der 79. Mai, der Tag. an dem vor einigen 50 Iahren das
erste W. C. seiner Bestimmung zugeführt wurde, ist mein
höchster Feiertag. Ich bin auch Ehrenvorsitzender des Ver-
eins zur Bekämpfung der Magenbazillen durch Magen-
bitter und anderer keimtötender Korporationen.
Deshalb wird man sich wundern, daß ich so absoluter
Gegner der Straßenreinigung bin. Ich habe meine Gründe.
Es gibt viele unerbittliche Dinge auf der Welt. Dichter
nennen das Schicksal und den unaufhaltsam vorwärtsstür-
menden Zahn der Zeit. Ich füge von mir aus noch dazu:
kalte Füße, das Finanzamt und die eitrige Mandelentzün-
dung. Aber das ist alles nichts gegen das unerbittliche
Walten der Straßenreinigung.
Schon als Kind brachte mich harmlose Llnkenntnis und
löblicher Wissensdurst unter eine städtische Kehrmaschine.
Sie sind so konstruiert, daß sie Apfelsinenschalen, Streich-
holzschachteln und Zahnkremetuben zur Seite fegen, nur
kleine Kinder nicht, die führen sie kilometerweit mit sich.
Die Straße, in der ich das erlebte, war mit Gottes Lilfe
eine halbe Meile lang. Während ich mich im enigegen-
gesetzten Sinne wie der Kehrbesen drehte, überlegte ich mir
meine Chancen. Wenn der Kutscher nicht unterwegs von
einem Streik ergriffen worden wäre, ich glaube, ich wäre
heute nicht mehr so passabel, wie ich es immerhin noch bin.
Meine Eltern erkannten mich zunächst nicht wieder. Ich
war ein Mießnick geworden und bekam Lebertran.
Der viele Lebertran hat furchtbar auf mich gewirkt.
Mein ganzes Anterbewußlsein war voll Lebertran. Ich
träumte jahrelang nur immer von dem Mann mit dem
Dorsch. Ich wurde langsam und zähflüssig.
So kam es, daß ich mich relativ spät verlobte. Erst mit
vierzig Iahren. Es war gerade Winter und Glatteis, als
ich zum ersten Nendezvous ging. Ein Mann mit einer blauen
Mütze und einem Sack um die Schulter ging neben mir her
und bewarf mich mit Sand. Ich merkte bald, daß es kein
Zufall war, sondern daß System darin war, und hielt glei-
chen Schritt mit ihm. Ich wollte doch sehen, wie weit es
dieser Mann treiben würde. Er trieb es weit. Ich wan-
delte in einem Samum. Ieder Wurf war ein Treffer. Ich
konnte nicht glauben, daß der Mann dies fortsetzen würde,
aber er tat es.
Ich kam zu meiner Braut, die Augen voll Sand, den
— „Den ganzen Vormittag läusst du schon mit dem Spaten 'rum, Papa. Nun buddel doch end-
lich mal 'ne ordentliche Grube, — das wird dir gut tun."
— „Nee — ich muß dann immer daran denken, wieviel ich bei den Tiesbauaktien verloren hab'."
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