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Der drettausendfie Badegast

schon herum gesprochen und wäre gar in die Zeitungen ge-
kommen, mit der Lieberschrist: Empörende Mißhandlung
von Badegästen. Nein, die Flundershöfter hatten Interesse
an einem starken Zustrom, und nun suchten sie, teils mit
Neklame, teils auch mit redlicher Bemühung, von der ge-
waltigen Menschenflut, die jeden Sommer die langgestreckte
deutsche Ostseeküste überfällt, möglichft viel für sich abzu-
fangen. Damit trat Flundershöft in Konkurrenz mit dem
nur etwa eine halbe Stunde entfernten Schwippermünde,
das auf ältere Vadetraditionen zurückblicken lonnte und
das Aufstreben des Nivalen natürlich mit Widerwillen be-
merkte. Der Konkurrenzkampf zwischen Flundershöft und
Schwippermünde wurde scharf, sehr scharf, fchärfer als ein
Rasiermeffer. Daß in diesem Kampfe die menfchlichen Be-
ziehungen zwischen den Flundershöftern und den Schwip-
Permündern ziemlich litten, ift zu bedauern, aber wohl zu
verstehen; die Leute von Nom und die von Albalonga
haben sich ja auch nicht miteinander vertragen können.

Bei Kämpfen sind die Oberbefehlshaber von Bedeutung.
Von großem Vorteil schien es deshalb für Fluncershöst,
daß es einen Badedireltor bekam und nun feine Ankündi-
gungen wohlklingend mit: „Die Badedirekrion" unterzeichnen
konnte, statt wie früher nur mit dem schlichten Wort: „Die
Gemeindeverwaltung." Denn ein großer Teil jenes Publi-
kums, das einen Sommeraufenthalt sucht und Bäderan-
kündigungen liest, wird die Einladung einer Vadevirektion
eher in Erwägung ziehen als die einer simplen Gemeinde-
verwaltung. Eine Gemeindeverwaltung hat ja noch an so

viele andere Dinge zu denken: an Schule und Ortspolizei,
an den Gemeindebullen und lokale Säuferlisten und sonst
noch alles Mögliche, — eine Badedirektion aber nur daran,
wie sie den werten Badegästen den Aufenthalt so angenehm
wie möglich gestalten könne.

Zn Schwippermünde empfand man die Errungenschaft
des nebenbuhlerischen Flundershöft als keinen leichten Schlag;
man versuchte zwar, Witze darüber zu machen, die aber
nicht recht gelingen wollten, denn im allgemeinen ift den
Bewohnern jener Gegend — sie werden das ja wohl nicht
übelnehmen — die Gabe munteren Witzes versagt. Ber-
liner aber, die das Witzemachen hätten besorgen können,
waren noch nicht da, denn es war im April, als Flunders-
höft seinen Badedirektor bekam. Ganz zufällig übrigens und
ohne sein Zutun. Ein gewisser Gröpel, Äauptmann a. D.,
hatte im Sommer vorher Flundershöft als Badegast be-
sucht und in einer Fremdenpension gewohnt, die von einer
unvermählten Dame betrieben wurde. Flundershöft hatte
ihm gefallen; die Fremdenpension hatte ihm auch gefallen,
und so heiratete er die Dame. Ob ihm diese auch gefallen
hatte, steht nicht fest. Nun waren Gröpels Intereffen mit
denen von Flundershöft verknüvft, und um beide zu för-
dern, bot er der Gemeinde so gut wie umsonst seine Dienste
als Badedirektor an. Man hätte überhaupt keinen billigeren
Badedirektor finden können.

Das Billige gilt als schlecht. Zn diesem Falle aber
sollte es nicht so sein, das wollte Gröpel beweisen. Gleich
im ersten Sommer seines Wirkens wollte er in dem Kampfe
(Fortsetzung Seite 57)

— „Sie sind viel zu etepetete, L>err Affessor. Sehen Sie mich an, wie ich mit den Leuten
hier im Dörfchen umgehel Mit dem Dorfdepp bin ich wie mit meinesgleichen."

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