Der dreilausendsle Badegast
zwischen Flundershöst und Schwippermünde einen entschei-
dendenSieg erringen; er wollte Schwippermünde aufs Laupt
schlagen — dafür war er ja Lauptmann. Bei Schluß der
vorigen Saison war Schwippermünde ein wenig im Vor-
teil gewesen; es hatte 28l3 Badegäste gehabt, Flunders-
höst nur 2795. Diesmal aber sollte Flundershöft mehr als
3000 Gäste bekommen, und wenn das Schwippermünde nicht
auch gelang, dann war mit der entscheidenden Zahl 3000 eine
so markante Grenze gezogen, datz Flundershöfts Aeberlegen-
heit nicht mehr bestritten werden konnte. Beides, Flunders-
höst genügend Gäste zuzuführen und der Gefahr zu be°
gegnen, daß sie nach dem Nachbarort abschwenkten, gedachte
der neue Badedirektor durch ein ganz einfaches Manöver
zu erreichen: Flundershöft mußte den dreitausendsten Bade-
gast belohnen, auszeichnen, krönen. So erschien denn zu An-
fang des Iuni in den für die Propaganda der Ostseebäder
geeigneten Organen die lockende Ankündigung, daß Flunders-
höft, der rüstig aufstrebende Badeort in diesem Sommer
den dreitausendsten Besucher aus vier Wochen völlig frei,
und zwar in vorzüglicher Weise aufnehmen werde.-
Die Kosten dieser Prämiierung sollten übrigens nicht der
Badedirektion zu Last fallen: Die Gastwirte von Flunders-
höft hatten stch bereit erklärt, sie gemeinschaftlich zu tragen.
Natürlich erwarteten ste große Vorteile von der Veran-
staltung des Lerrn Badedirektors, den deshalb höchlichst zu
loben sie sich sehr veranlaßt fühlten.
Vorteile aber Pflegen, wie die besten Sorten Aepfel und
Birnen, oft erst spät reis zu werden. Die Saison begann:
Schwippermünde bekam Badegäste wie gewöhnlich, aber in
Flundershöft wollten sie sich nicht in wünschenswerter Zahl ein-
stellen. Schwippermünde triumphierte, Flundershöft knirschte
mit den Zähnen. Erst allmählich dämmerte in den beteiligten
Köpfen die Erkenntnis der Gründe dieses nicht erwarteten
Zustandes. Freilich: die Ankündigung der Flundershöfter
Badedirektion war von sehr vielen Leuten gelesen worden,
und von diesen sehr vielen hatte eine ganze Menge gedacht:
„Donnerwetter, vier Wochen umsonst an der Ostsee — das
kann man sich gefallen lassen! Das muß versucht werden;
am Ende gelingt es; vielleicht ist das Glück so gefällig, zu
lächeln, — es mag sich ja doch so fügen, daß grade ich der
dreitausendste bin." Aber diese Leute, die so spekulierten,
wären ja furchtbar dämlich gewesen, wenn sie nun sofort
nach Flundershöft geeilt wären. Damit hätten sie sich in
ganz voreiliger Weise um jede Aussicht gebracht. Denn es
war doch klar: Flundershöst hatte im vorigen Iahre 2795
Badegäste gehabt, — also konnte doch unmöglich diesmal
schon zu Anfang der Saison das dritte Tausend überschrit-
ten werden. Nein, es war weise, abzuwarten; es war so-
gar gerissen. —
Im Iuli fingen dann aber die Schulferien an, und da
kamen nun die Familien nach Flundershöft, die eben der
Kinder wegen auf diese Zeit angewiesen waren. Es kamen
mehr als sonst; es waren sogar frühere Stammgäste von
Schwippermünde darunter, die es diesmal in Flundershöft
versuchen wollten. Sie hatten gedacht: „Na, probieren wir's
mal! Glückt es nicht, dann können wir ja immer noch nach
unserm lieben alten Schwippermünde übersiedeln." — Es
glückte nicht, aber sie blieben dann doch; sie hätten ja sonst
zweimal Kurtaxen und Trinkgelder zahlen müssen. Ietzt
fing man an, in Schwippermünde verdrießlich zu werden.
Vier Tage nach Ferienbeginn, nachdem die Äauptmasse
der Gäste angelangt war, stand der Pegel der Flunders-
höfter Badeliste auf 2513. Im Laufe des Iuli kamen dann
noch 463 Nummern hinzu, und nun wandelte sich die bis-
herige behagliche Erwartung zu immer stärker werdender
Spannung. Die Zahl 3000 würde leicht erreicht, ja ziem-
lich überschritten werden, das stand fest, wenn auch die
Schwippermünder, die es diesmal erst auf 2600 gebracht
hatten, fchimpften und fluchten, — denn mit Fluchen und
Schimpfen werden niemals Tatsachen aus der Welt ge-
schafft, so oft das auch fchon versucht worden ist. Wer
aber würde der Glückliche sein, der den Preis gewinnen
würde? Oder die Glückliche? Oder das Glückliche? — ein
Kind nämlich. Was hatte das Schicksal beschlossen?
Das Schicksal verfügte folgendes. Am 2. August ver-
ließ ein gewisser Eugen Schmatz sein Quartier zu Plötzen-
see bei Berlin, das ihm von Rechts wegen auf drei Monate
angewiesen gewesen war, weil seine Begriffe über die Er-
langung von Kredit mit den gänzlich anders gearteten, durch
das Strafgesehbuch für das Deutsche Reich bestimmten An-
schauungen einer Strafkammer in Konflikt gekommen waren.
Sonst aber war dieser Eugen Schmatz ein sehr liebenswür-
diger, flotter und unbekümmerter junger Mann, der in der
Welt was vorstellen konnte. Er beschloß, zunächst einmal
einen Baron von Freymann vorzustellen, weil er zufällig
entsprechende Papiere erhalten konnte, — von einer den
Behörden unbekannt gebliebenen Stelle, die ihm auch ein
nettes kleines Guthaben ausfolgte. Derart für die nächste
Zeit ausgerüstet, wollte Eugen Schmatz einen kleinen Er-
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^UkilliAo Ill86i-Lt6llu.llllLllm6: Kullolk IVIosse, ^.llll0ll06ll-Lxx»6t1LtLoll>
zwischen Flundershöst und Schwippermünde einen entschei-
dendenSieg erringen; er wollte Schwippermünde aufs Laupt
schlagen — dafür war er ja Lauptmann. Bei Schluß der
vorigen Saison war Schwippermünde ein wenig im Vor-
teil gewesen; es hatte 28l3 Badegäste gehabt, Flunders-
höst nur 2795. Diesmal aber sollte Flundershöft mehr als
3000 Gäste bekommen, und wenn das Schwippermünde nicht
auch gelang, dann war mit der entscheidenden Zahl 3000 eine
so markante Grenze gezogen, datz Flundershöfts Aeberlegen-
heit nicht mehr bestritten werden konnte. Beides, Flunders-
höst genügend Gäste zuzuführen und der Gefahr zu be°
gegnen, daß sie nach dem Nachbarort abschwenkten, gedachte
der neue Badedirektor durch ein ganz einfaches Manöver
zu erreichen: Flundershöft mußte den dreitausendsten Bade-
gast belohnen, auszeichnen, krönen. So erschien denn zu An-
fang des Iuni in den für die Propaganda der Ostseebäder
geeigneten Organen die lockende Ankündigung, daß Flunders-
höft, der rüstig aufstrebende Badeort in diesem Sommer
den dreitausendsten Besucher aus vier Wochen völlig frei,
und zwar in vorzüglicher Weise aufnehmen werde.-
Die Kosten dieser Prämiierung sollten übrigens nicht der
Badedirektion zu Last fallen: Die Gastwirte von Flunders-
höft hatten stch bereit erklärt, sie gemeinschaftlich zu tragen.
Natürlich erwarteten ste große Vorteile von der Veran-
staltung des Lerrn Badedirektors, den deshalb höchlichst zu
loben sie sich sehr veranlaßt fühlten.
Vorteile aber Pflegen, wie die besten Sorten Aepfel und
Birnen, oft erst spät reis zu werden. Die Saison begann:
Schwippermünde bekam Badegäste wie gewöhnlich, aber in
Flundershöft wollten sie sich nicht in wünschenswerter Zahl ein-
stellen. Schwippermünde triumphierte, Flundershöft knirschte
mit den Zähnen. Erst allmählich dämmerte in den beteiligten
Köpfen die Erkenntnis der Gründe dieses nicht erwarteten
Zustandes. Freilich: die Ankündigung der Flundershöfter
Badedirektion war von sehr vielen Leuten gelesen worden,
und von diesen sehr vielen hatte eine ganze Menge gedacht:
„Donnerwetter, vier Wochen umsonst an der Ostsee — das
kann man sich gefallen lassen! Das muß versucht werden;
am Ende gelingt es; vielleicht ist das Glück so gefällig, zu
lächeln, — es mag sich ja doch so fügen, daß grade ich der
dreitausendste bin." Aber diese Leute, die so spekulierten,
wären ja furchtbar dämlich gewesen, wenn sie nun sofort
nach Flundershöft geeilt wären. Damit hätten sie sich in
ganz voreiliger Weise um jede Aussicht gebracht. Denn es
war doch klar: Flundershöst hatte im vorigen Iahre 2795
Badegäste gehabt, — also konnte doch unmöglich diesmal
schon zu Anfang der Saison das dritte Tausend überschrit-
ten werden. Nein, es war weise, abzuwarten; es war so-
gar gerissen. —
Im Iuli fingen dann aber die Schulferien an, und da
kamen nun die Familien nach Flundershöft, die eben der
Kinder wegen auf diese Zeit angewiesen waren. Es kamen
mehr als sonst; es waren sogar frühere Stammgäste von
Schwippermünde darunter, die es diesmal in Flundershöft
versuchen wollten. Sie hatten gedacht: „Na, probieren wir's
mal! Glückt es nicht, dann können wir ja immer noch nach
unserm lieben alten Schwippermünde übersiedeln." — Es
glückte nicht, aber sie blieben dann doch; sie hätten ja sonst
zweimal Kurtaxen und Trinkgelder zahlen müssen. Ietzt
fing man an, in Schwippermünde verdrießlich zu werden.
Vier Tage nach Ferienbeginn, nachdem die Äauptmasse
der Gäste angelangt war, stand der Pegel der Flunders-
höfter Badeliste auf 2513. Im Laufe des Iuli kamen dann
noch 463 Nummern hinzu, und nun wandelte sich die bis-
herige behagliche Erwartung zu immer stärker werdender
Spannung. Die Zahl 3000 würde leicht erreicht, ja ziem-
lich überschritten werden, das stand fest, wenn auch die
Schwippermünder, die es diesmal erst auf 2600 gebracht
hatten, fchimpften und fluchten, — denn mit Fluchen und
Schimpfen werden niemals Tatsachen aus der Welt ge-
schafft, so oft das auch fchon versucht worden ist. Wer
aber würde der Glückliche sein, der den Preis gewinnen
würde? Oder die Glückliche? Oder das Glückliche? — ein
Kind nämlich. Was hatte das Schicksal beschlossen?
Das Schicksal verfügte folgendes. Am 2. August ver-
ließ ein gewisser Eugen Schmatz sein Quartier zu Plötzen-
see bei Berlin, das ihm von Rechts wegen auf drei Monate
angewiesen gewesen war, weil seine Begriffe über die Er-
langung von Kredit mit den gänzlich anders gearteten, durch
das Strafgesehbuch für das Deutsche Reich bestimmten An-
schauungen einer Strafkammer in Konflikt gekommen waren.
Sonst aber war dieser Eugen Schmatz ein sehr liebenswür-
diger, flotter und unbekümmerter junger Mann, der in der
Welt was vorstellen konnte. Er beschloß, zunächst einmal
einen Baron von Freymann vorzustellen, weil er zufällig
entsprechende Papiere erhalten konnte, — von einer den
Behörden unbekannt gebliebenen Stelle, die ihm auch ein
nettes kleines Guthaben ausfolgte. Derart für die nächste
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