Zwischen LiPP und Kelchesrand
„Wir steigen ab!" klang die glockenklare Stimme der
jungen Lerrin an sein Ohr, und Martens hielt und stieg
dienstfertig ab.
Leichtfüßig sprang Gräfin Imma Gwendoline von Eichen-
knarr aus dem Gefährt, und ihr folgte ein Lerr in elegan-
tem Alster, eine soignierte männliche Erscheinung, den zart-
grünen Velourhut eine Spur zu weit im Nacken. Das war
der Mann, der die Lerzen der verwöhntesten Frauen im
Sturm schlagen machte, der es gewöhnt war, wie ein Äerr-
scher sich dann und wann dem rasenden Parkett zu zeigen.
Es war der Tenor Karl Eugen Lahnebeck.
„Wir sind beide nervös, Martens," wandte sich die
Gräfin an den Chauffeur, der, die Mütze in der Äand, da-
stand, „die große Kurve ift heut über unsre Krast! Fahren
Sie vor! Zurück, Casanova!" herrschte sie dann den vor
Freude tollen Barsoi an. Mit geducktem Kopf kroch das
königliche Tier auf seinen Platz, Martens schloß den Schlag,
grüßte, und fort war der Wagen.
Mit einem unterdrückten leidenschaftlichen Ausschrei flog
Gräfin Imma Gwendoline, jetzt nur Weib, an die Brust des
geliebten Mannes.
„Karl Eugen, mein Goldnickel!" sagte sie.
Karl Eugen streichelte ihr die bleiche Wange.
„Gwendoline!" sagte er leise und innig.
„And du glaubst, es wird gehen?" sragte Gwendoline
gespannt.
„Ich bin deffen sicher," antwortete er sest und einsach.
„Mit dem Schlag der Mitternachtsstunde erwarte ich dich
an dem Mauerpsörtchen nächst dem Pavillon. Knudsen, der
Besitzer der Waldschenke, ist mir treu ergeben — der Scheck
hat alle seine Bedenken zerstreut — er räumt uns seine Kam-
mer ein, dort kannst du dich unkenntlich machen, und wir
müssen zu Fuß, um jedes Aufsehen zu vermeiden, durch den
Wald nach Eschelohe. Es ist genau 35 Minuten zu gehen,
und der Nachtbummelzug, dessen vierte Klasse dich und mich
aufnehmen wird, fährt 12 Ahr 55. Wenn der Morgen däm-
(Fonsetzung Seite 73)
Zeichnung von E. Kirchner
Was starren Sie mich so an?"
Entschuldigen Sie, ich dachte, Sie wären auch ausgestellt.
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„Wir steigen ab!" klang die glockenklare Stimme der
jungen Lerrin an sein Ohr, und Martens hielt und stieg
dienstfertig ab.
Leichtfüßig sprang Gräfin Imma Gwendoline von Eichen-
knarr aus dem Gefährt, und ihr folgte ein Lerr in elegan-
tem Alster, eine soignierte männliche Erscheinung, den zart-
grünen Velourhut eine Spur zu weit im Nacken. Das war
der Mann, der die Lerzen der verwöhntesten Frauen im
Sturm schlagen machte, der es gewöhnt war, wie ein Äerr-
scher sich dann und wann dem rasenden Parkett zu zeigen.
Es war der Tenor Karl Eugen Lahnebeck.
„Wir sind beide nervös, Martens," wandte sich die
Gräfin an den Chauffeur, der, die Mütze in der Äand, da-
stand, „die große Kurve ift heut über unsre Krast! Fahren
Sie vor! Zurück, Casanova!" herrschte sie dann den vor
Freude tollen Barsoi an. Mit geducktem Kopf kroch das
königliche Tier auf seinen Platz, Martens schloß den Schlag,
grüßte, und fort war der Wagen.
Mit einem unterdrückten leidenschaftlichen Ausschrei flog
Gräfin Imma Gwendoline, jetzt nur Weib, an die Brust des
geliebten Mannes.
„Karl Eugen, mein Goldnickel!" sagte sie.
Karl Eugen streichelte ihr die bleiche Wange.
„Gwendoline!" sagte er leise und innig.
„And du glaubst, es wird gehen?" sragte Gwendoline
gespannt.
„Ich bin deffen sicher," antwortete er sest und einsach.
„Mit dem Schlag der Mitternachtsstunde erwarte ich dich
an dem Mauerpsörtchen nächst dem Pavillon. Knudsen, der
Besitzer der Waldschenke, ist mir treu ergeben — der Scheck
hat alle seine Bedenken zerstreut — er räumt uns seine Kam-
mer ein, dort kannst du dich unkenntlich machen, und wir
müssen zu Fuß, um jedes Aufsehen zu vermeiden, durch den
Wald nach Eschelohe. Es ist genau 35 Minuten zu gehen,
und der Nachtbummelzug, dessen vierte Klasse dich und mich
aufnehmen wird, fährt 12 Ahr 55. Wenn der Morgen däm-
(Fonsetzung Seite 73)
Zeichnung von E. Kirchner
Was starren Sie mich so an?"
Entschuldigen Sie, ich dachte, Sie wären auch ausgestellt.
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