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Zeichnung von K, Skirner


5ü6e§ Qrün clei- Zommei-büume,
beise bekbstlicb übentlogen!
^vveige, scbvvei- unü simcbtgebogen,
Irsumen vinctgevviegte Iräume:

Qluten, leuei' btäcbte bsllen,
Lturmgetksgnen k^egen5 ^uusen,
Oncl in Oämmenti'üben cl^euben
Zebnsucbtkimnke blscbtigullen.

b'cücbte, scbvei' von Lett uncl Lonne,
bellen reit unü clumpt bei-niectei-.
bllles beben löst sicb vvieclei',
/^üüe vo? VoIIenclungsvvonne.

Sy

Namen sind Schicksale. Ich hatte einen ss-reund, der
das Vorbild und der Prototyp eines Bllrgers werden
mußte und auch geworden wäre, wenn ihm sein unverstän-
diger Vater nicht den Namen Knud in die biedere Wiege
gelegt hätte. Dieser Name brachte eine ausschweifendeKompo-
nente in sein so treuherzig veranlagtes Interieur und veran-
laßte ihn, die Milch der frommen Denkart hohnlächelnd über
Bord zu gießen. Er endete als Knud Knudsen im Kabaret.
Lätte ihn sein Vater Gottliebchen genannt, so wäre er zwei-
fellos Steuersekretär oder Katastersupernumerar geworden.

So ging es auch mit Cosima, wenn ich recht beobachtet
habe. Auch sie wurde zum Spielball ihres Vornamens, der
sie von den niederbayrischen Fleischtöpfen und Speckseiten,
wo ihre Eltern seit Iahrhunderten verwurzelt waren, losriß
und sie dem fernen Gestade der Bildung zuwarf.

Die Anfänge blieben unbemerkt, und ich kann sie nur
ahnen, sonst hätte ich sie im Keime erstickt. Manisest wurde
die Durchseuchunc- chres Geiftes mit höheren Bestandteilen
erst, als es schon zu spät war, und das Anheil schreitet in
chlchen Fällen schnell. Als sie mir auf meine Frage, warum
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sie den Teppich statt mit Sauerkraut mit Vlumenkohl ab-
riebe, versonnen antwortete: „Die Axt im Äaus erspart den
Zimmermann", wurde ich stutzig. Ich stellte fest, daß sie bis
ein Ahr nachts Schiller las und beim Wäschemangeln Wallen-
stein deklamierte, und verbot ihr meine Bibliothek. Ver-
gebens! Sie hatte schon zu viel klassisches Blut geleckt.

Ich lieh ihr mit wenig Aussicbt aus Erfolg Courths-
Mahler, um eventuell noch die ausschießenden Quellen der
Klassik zu verschlltten, aber sie wies diesen Leim weit von
sich mit den dunklen Worten: „Weißt du, wieviel Sternlein
stehen?"

Das Frllhstllck servierte sie zu dem Sinnspruch: „Das
Leben ist ein Kampf!" Die Leute vom Gaswerk verklagten
mich, weil Cosima sie mit dem Anfang der Zueignung:
„Zhr naht euch wieder, schwankende Gestalten!" empfangen
hatte, worin diese mißtrauischen Misanthropen eine versteckte
Injurie witterten. Schließlich sand ich eine Seite aus Goethes
Götz im Spinat und drohte ihr mit Kündigung. Sie rllhrte
ruhig im Pflaumenmus weiter und sagte mit sokratischer
Gelassenheit: „Der Starke ist am mächtigften alleinl" Beim
Absplllen las sie die Geschichte der französischen Revolution
 
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