Mein Betriebsvermögen
Gestern hat mich der Finanzrat Zwiebelsaft besucht, aber keineswegs
amtlich, nur in einer privaten Angelegenheit. Denn er, der über mir
wohnt, hatte auf einem Balkon mit seinen Blumenstöcken hantiert und
dabei einen Topf hinuntergeschmissen, der auf meinen Balkon gefallen
war, als ich grade Kaffee trank. Das hätte natürl'ch nicht geschehen
dürfen, und nun kam Zwiebelsaft zu mir, um Entschuldigung zu bitten.
Er nahm ein bißchen Platz, und bald kam das Gespräch dann doch auf
Finanzamts-, bzw. Steuerangelegenheiten. „Sie müssen mir doch zu-
geben, Lerr Finanzrat," meinte ich, „daß es ein furchtbarer Blödsinn
ist, die Ausübung eines freien Berufes dem Betriebe eines Gewerbes
gleichzustellen. And nun gar diese Verrücktheit mit dem Betriebsver-
mögen, das besteuert werden soll. Sagen Sie mir, um alles in der Welt,
Lerr Finanzrat: wo Üeckt mein Betriebsvermögen als Schriftsteller?"
Zwiebelsaft lächelte freundlich. „Nicht um alles in der Welt werde
ich Ihnen das sagen, sondern völlig gratis. Sie werden sich wundern,
was das Steuer kostet. Steuer werden Sie von Ihrem Betriebsvermögen
zahlen müssen, daß Ihnen die Schwarte knackt. O, bitte um Verzeihung,
— dieser Ausdruck ist mir wider Willen entschlüpft; wir auf dem Finanz-
amt gebrauchen ihn unter uns so häufig. Ia, also zunächst haben Sie
da eine Menge Bücher: Dichter, Philosophen, Listoriker, Nachschlage-
werke usw. Könnten Sie Schriststeller sein, ohne solche Bücher zu kennen
und manchmal zur Land zu haben? Ohne, nehmen wir einmal an, Goethe,
Lessing, Schiller usw. zu besitzen?"
„Nun, ich würde es für ungehörig halten, ohne genügende Vertraut-
heit mit solchen-"
Triumphierend unterbrach mich Zwiebelsaft. „Sehen Sie! Nun
werden wir's gleich haben. Sie brauchen die Bücher. Die Bücher sind
sozusagen das tägliche Brot des Schriftftellers. Anter dem täglichen
Brot versteht man aber bekanntlich nicht Brot allein, sondern die Nah-
rung des Menschen überhaupt, — ,unser täglich Bror gieb unsl' nicht
wahr? Nun wohl, ich will einen ganz geringen Betrag ansetzen, einen
für Sie viel zu niedrigen Betrag, — nur zwei Mark auf den Tag.
Macht bei einem Lebensalter von siebzig Iahren rund gerechnet 50000
Mark. Das Finanzamt würde also, wenn wir, was ich hoffe, zu dem
Gesetz kommen, Ihre Bücher bei der Feststellung Ihres Betriebsver-
mögens mit 50000 Mark anrechnen."
„Erlauben Sie mal, Lerr Finanzrat: Sie haben doch wohl auch
Bücher. Äaben Sie keinen Goethe, keinen Schiller?"
Zwiebelsaft lächelte überlegen. „Äabe ich freilich, aber da ist ein
Anterschied. Erstens habe ich keinen Belrieb. Zweitens können Sie nichl
Schrifsteller sein, ohne solche Bücher zu kennen; ich aber kann, ohne
Goethe oder Schiller gelesen zu haben, sehr wohl Beamter des Finanz-
amts sein, verlassen Sie sich darauf! Aber weiter. Da steht Ihr
Schreibtisch, ein sehr schöner Schreibtisch."
„Lat 300 Mark vor vielen Iahren gekostet."
„O nein, das muß anders veranschlagt werden. Sie arbeiten also
seit vielen Iahren an diesem Schreibtisch, Sie würden an einem andern,
einfachen Tisch nicht so gut arbeiten können, nicht wahr?"
„Das freilich. Sehen Sie, die Gewohnheit-"
„Allerdings, das wollte ich wissen. Der Schreibtisch ist Ihnen zur
Gewohnheit geworden. Die Gewohnheit ist das halbe Leben. Nun
nehmen Sie dies an: Sie haben l00000 Mark bei sich und begegnen
einem Räuber mit Mordwaffe, der Ihnen zubrüllt: ,Geld oder Lebenl'
Was würden Sie tun?"
„Na, da würde ich ihm schon das Geld geben."
Lsrunciss vlut
uncj vslsckvinclen vie von selbst NLck einer ArünciNcksn LIutentßiiktunAS- uncl psiniZunZskur, wo^ü
sick clsr deksnnts LrrnHksr-SIutblilrrlktuns:« Iiit^ün
eruiljxst«« bsvvüklt. kir vvirkt entZiktsncl, entsüusrnä, reiniZencl uncl sukkrisckencl
suk öiut uncl LLkte, bekrsit^äss öiut von äsr sckäälicken läLlNssurs (cisr Ursacks von Qickt unci
zemLÜ gn Ltslls sonstixer MorZen- unä iVbsnäZetränks. Vislsn Krankksitsn wircl ÜLäulck »^or-
8iet»eu8ktl iVlsssenkskte vLnksckrsiben. pslcet 2.50 iVtsrk, Kur: 3—6 psksts. ösrner empksklen vvir
unssrs trttllLEl'bu LlutreiniZunAstees: UniversLl-ölutrsiniZunAstee, mää virkenä, pskst iVIsrk 1.50
pkilippsburAsr pskorm- „ sbkükrenä, „ „ 2.1g
6. Hirtli's Vsrla-g 0.
Nünelistt, lusssingstr. 1.
Onrnnzvvan,
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zur Vervollkommnung Ihrer Sprachkenvtnissel Ausgaben in
Englisch, Französisch, Spanisch, Italientsch, Esperanto. Be-
stellen Sie probeweise V» Iahr für nur Mk. 1.50, Nachnahme
Mk 1.70 (gewünschte Sprache angeben). Probeseite kostenlos.
Gebrüder Paustian, Verlag, Hamburg 76, Alsterdamin 7.
Postscheck 189, Lamburg. — 40000 begeisterte Abonnenten.
^llsiui^s IluisrLtsuLuiiLluuv: kuitolk tVuruouosu-Hxpsäitioü.
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amtlich, nur in einer privaten Angelegenheit. Denn er, der über mir
wohnt, hatte auf einem Balkon mit seinen Blumenstöcken hantiert und
dabei einen Topf hinuntergeschmissen, der auf meinen Balkon gefallen
war, als ich grade Kaffee trank. Das hätte natürl'ch nicht geschehen
dürfen, und nun kam Zwiebelsaft zu mir, um Entschuldigung zu bitten.
Er nahm ein bißchen Platz, und bald kam das Gespräch dann doch auf
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geben, Lerr Finanzrat," meinte ich, „daß es ein furchtbarer Blödsinn
ist, die Ausübung eines freien Berufes dem Betriebe eines Gewerbes
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wahr? Nun wohl, ich will einen ganz geringen Betrag ansetzen, einen
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Mark. Das Finanzamt würde also, wenn wir, was ich hoffe, zu dem
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