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Seuszer — „Den ganzen Abend schon ist Lerz Trumpf

— und nur mein Dorchen verlobt sich nichtl"

Grützfinks Einreise nach Italien

gepackt worden. Nun muß er erst gesucht werden, und des-
halb werden wir wohl zuletzt abgefertigt werden. Meine
Frau wird nervös, ich werde auch nervös, denn wir sehen,
wie die Leute schon zu dem italienischen Zug laufen und
natürlich die besten Plätze wegnehmen wollen. „Ach was,
Lina," sage ich zu meiner Frau, „wir gehen mal erst zum
Zug und belegen zwei Plätze; dann bleibst du sitzen und
paßt auf unsere Sachen auf, und ich gehe noch mal zurück,
und inzwischen wird der Mann ja den Koffer gefunden
haben, und ich kann den Zollkrempel abmachen. War das
auch richtig? Nee, es war nicht richtig, denn jetzt kommt der
Laken, den die Geschichte gehabt hat, und an dem ich mich
eklig sestgehakt habe. Wir nehmen also unser Landgepäck,
das die Leute da, die italienischen Zollbeamten, schon be-
schnüffelt hatten, und gehen
nach dem italienischen Zug,
und dabei müssen wir durch
eine Sperre, wo zwei Beamte
stehen, Polizeimenschen oder
solche Kerle, und sich die Päfse
zeigen laffen. Fand ich auch
ganz richtig, denn wenn schon
mal Pässe sein müssen, dann
müffen auch Leute sein, die sie
ansehn. Der eine von den Po-
lizeimenschen nimmt also un-
sere Päffe, blättert darin, sieht
das italienische Visum, nickt zu-
srieden und drückt einen Stem-
pel darauf, — grade so, wie
sie das auch gemacht hatten,
als wir in Basel in die Schweiz
einfuhren. Fand ich auch ganz
richtig. Die Geschichte ist also
in Ordnung. Wir finden noch
zwei gute Plätze; meine Frau
macht es sich bequem, und ich
gehe wieder zurück nach dem
verfluchten Koffer. Zch gehe
an den beiden Polizeileuten
vorbei, die mich gar nicht be-
achten,denn sie haben noch einen
Laufen Pässe anzusehen. Die
Esel hätten mich aber beachten

sollen, das wäre viel beffer gewesen für mich.
Der Koffer meiner Frau ist jetzt gefunden; er
wird beschnüffelt, es gibt nichts zu beanstanden,
die Sache ist geregelt, — der Koffer wird fort-
gerollt, nach dem Gepäckwagen. Ich sehe mit
Vergnügen, wie er weggebracht wird; es freut
mich, daß ich ihn los bin. Aber das war dumm,
das war verkehrt, — ich hätte mitlaufen sol-
len mit dem Koffer, um durch ihn legitimiert
zu sein. Das werden Sie gleich sehen.

Aber ich hatte ja keine Ahnung, was pai-
sieren würde. Sonst wäre ich jetzt nicht noch
zu einem Buchhändler gegangen, der da seinen
Stand hatte, und hätte mir nicht erst noch ein
italienisches Kursbuch gekauft. Aber ich dachte,
so ein Ding müßte ich sowieso haben, und dann
doch am besten jetzt gleich, von Anfang an.
And dann machte es mir auch Vergnügen, es
auf italienisch zu verlangen: un orario. Zch
hatte mich nämlich mit ein bißchen Ztalienisch
präpariert, mit einem ganz kleinen Bißchen. Es war viel zu
wenig, wie sich gleich herausstellte. Denn jetzt kam die Laupt-
sache. Zch habe meinen Orario, ich will in den Zug, ich komme
wieder an die Sperre, wo die Pässe kontrolliert werden. Da
steht nur noch einer von den beiden Polizeimenschen, denn
es waren keine Leute mehr abzufertigen. Zch will an dem
Mann vorbeigehn, was mir doch ganz selbstverständlich schien.
Zhm aber scheint das nicht selbstverständlich, — er hält mich
an, er will meinen Paß sehn. „II suo pusssporto, Lignore!"
sagt er.

Damit kann ich dienen. Ich gebe ihm meinen Paß.
„Vitte l Alles in Ordnung," erkläre ich, und dann sällt mir
ein, daß ich das auch auf italienisch kann, und ich übersetze:
„bloao! lutto iri oräirie."

Aber das imponiert ihm gar nicht. Er sieht sich meinen

— „Nicht so aufgeregt, Lerr Meier! Wenn einem der L>ut
wegfliegt, muß man doch 'nen kühlen Kopf behalten."

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