Erziehung zur Ehe Von Artur Wagner
Der junge Mühlmann tritt itts Passagecafs. Gleich am
ersten Tisch, dicht an der großen Fensterscheibe, an der der
Menschenstrom der Straße vorüberflutet, sitzt Schwenker und
winkt ihm zu.
„Sagen Sie mal, Lerr Mühlmann, wer war denn die
entzückende junge Dame, von der Sie sich soeben verab-
schiedeten? Ich frage nicht aus Neugierde, das werden Sie
mir ohne weiteres glauben. Nein, sagen Sie mir nicht, wer
sie war, sagen Sie mir bitte bloß, war die Dame vielleicht
das, was man im jugendlichen Aeberschwang und bedauer-
licher Verkennung der tatsächlichen Verhältnisse als sseine'
Braut zu bezeichnen pflegt?"
„Ia, Lerr Schwenker, diese junge Dame ift meine Braut,
aber nicht mehr lange, ich werde sie morgen heiraten."
Schwenker lächelt überlegen und ironisch.
„Schwerer Fall, lieber junger Freundl Gestatten Sie,
daß ich Sie daraus ausmerksam mache, als älterer Freund,
als Philosoph und Lebenskünstler, daß Sie sich in einem
Frrtum beflnden, in einem verderblichen Frrtum, in einem
Irrtum, den man nur Ihrer Iugend und Ihrer Verliebt-
heit zugute halten kann. Darf ich zunächst auf den ersten
Teil Ihres so leichtfertig dahingesprochenen Satzes eingehen?
Sie haben behauptet diese junge Dame, die übrigens reizend
war, sei Ihre Brautl"
„Gewiß, Lerr Schwenker, aber was können Sie daran
auszusetzen haben?"
„Was ich daran auszusetzen habe? And da fragen Sie
noch? Sie scheinen ein hoffnungsloser Fall zu sein! Ein
Satz, den man ausspricht, soll logisch
sein, das setzt voraus, daß er mit kühler
Aeberlegung und ohne Gefühlsbetonung
gedacht wurde, er soll aber auch ein Ar-
teil enthalten. Von diesen Gesichtspunk-
ten aus betrachtet, ist Ihr Satz Blöd-
sinn. Diese junge Dame ist nicht Ihre
Braut, Sie sind Ihr Bräutigam!"
„Aber das kommt doch wohl auf
dasselbe hinaus, letzten Endes, meine
ich I"
Schwenker haut auf denTisch. „Äo-
ho! Sollte man's für möglich halten! Das
kommt doch wohl auf dasselbe hinaus!
Laben Sie denn gar keine Ahnung von
Grammatik? In Ihrem Satze waren Sie
Subjekt, in meinem Satze sind Sie Ob-
jekt, merken Sie nicht den Anterschied?
And letzten Endes hat er auch noch ge-
sagt! Warten Sie nur das letzte Ende
ab! Das letzte Ende ist die Abhängigkeit,
die Sklaverei, das Ende Ihres freien
Willens, die Tyrannenherrschaft der
Frau, mit einem Wort: der Pantoffel,
der überlebensgroße Pantosfel! Ich be-
daure Sie, Lerr Mühlmann, denn ich
sehe über Ihrem ahnungslosen Laupte
wie ein Damoklesschwert an einem Laare
einen scharfgeschliffenen Pantoffel von
riesigen Dimensionen hängen. Lat Ihnen
diese junge Dame nicht soeben mit dem
Landschuhe auf die Finger geschlagen?
Wahrscheinlich hat sie dabei gesagt:
„Drück doch nich so!" oder „Alter Schraub-
stock!" Lüten Sie sich! So sängt es
immer an, und dann gibt es keine Ret-
tung mehr. Aber nun zum zweiten Teil Ihres unglaublichen
Satzes! Ich hoffe, Sie werden mir jetzt solgen können. Sie
haben gesagt: ich werde sie morgen heiraten. Sind Sie ganz
sicher, daß Sie das tun werden?"
„Aber Lerr Schwenker, selbstverständlich. Morgen werde
ich den Engel heimsühren. Wir lieben uns ja so sehr!"
Schwenker bestellt einen großen Wermut und biegt dann
einen Löffel krumm.
„Lerr Mühlmann, Sie sind ein Grünspecht! Sie sind
ein romantischer Walfisch. Aber vor allem sind Sie rettungs-
los verloren, wenn Sie nicht heute noch, jetzt gleich auf
Mittel sinnen, um das drohende Anheil in letzter Minute
abzuwenden. Glauben Sie denn, irgend ein junger Mann
heiratete etwas andres als einen Engel? Alle heiraten sie
Engel. Glauben Sie denn, wenn man nicht verliebt wäre,
heiratete man überhaupt? Sie Waisenknabe! Dann würde
man ja überlegen und dann würde man nie heiraten. Sie
tun mir leid. Ich bitte Sie, ich flehe Sie an, folgen Sie
meinem Rat, lassen Sie sich nicht unterkriegen! Drehen Sie
das Rad zurück, soweit es noch geht. Ob die Frauen Engel
sind oder Teufel, Prinzessinnen oder Stallmägde, herrschen
wollen sie alle, tyrannisieren wollen sie alle uns armes,
gutmütiges Männervolk. Wir merken es immer zu spät,
und wenn wir es merken, haben wir die Schlinge schon um
den Lals und können nichts mehr machen."
„Ia, aber was könnte man denn tun, Lerr Schwenker?"
„Was Sie tun, ist egal, beißen Sie die Zähne zusam-
men, zeigen Sie ihr sofort, daß Sie es sind, der das Steuer
in die Land nehmen will, tun Sie etwas unlogisches, sind
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Der junge Mühlmann tritt itts Passagecafs. Gleich am
ersten Tisch, dicht an der großen Fensterscheibe, an der der
Menschenstrom der Straße vorüberflutet, sitzt Schwenker und
winkt ihm zu.
„Sagen Sie mal, Lerr Mühlmann, wer war denn die
entzückende junge Dame, von der Sie sich soeben verab-
schiedeten? Ich frage nicht aus Neugierde, das werden Sie
mir ohne weiteres glauben. Nein, sagen Sie mir nicht, wer
sie war, sagen Sie mir bitte bloß, war die Dame vielleicht
das, was man im jugendlichen Aeberschwang und bedauer-
licher Verkennung der tatsächlichen Verhältnisse als sseine'
Braut zu bezeichnen pflegt?"
„Ia, Lerr Schwenker, diese junge Dame ift meine Braut,
aber nicht mehr lange, ich werde sie morgen heiraten."
Schwenker lächelt überlegen und ironisch.
„Schwerer Fall, lieber junger Freundl Gestatten Sie,
daß ich Sie daraus ausmerksam mache, als älterer Freund,
als Philosoph und Lebenskünstler, daß Sie sich in einem
Frrtum beflnden, in einem verderblichen Frrtum, in einem
Irrtum, den man nur Ihrer Iugend und Ihrer Verliebt-
heit zugute halten kann. Darf ich zunächst auf den ersten
Teil Ihres so leichtfertig dahingesprochenen Satzes eingehen?
Sie haben behauptet diese junge Dame, die übrigens reizend
war, sei Ihre Brautl"
„Gewiß, Lerr Schwenker, aber was können Sie daran
auszusetzen haben?"
„Was ich daran auszusetzen habe? And da fragen Sie
noch? Sie scheinen ein hoffnungsloser Fall zu sein! Ein
Satz, den man ausspricht, soll logisch
sein, das setzt voraus, daß er mit kühler
Aeberlegung und ohne Gefühlsbetonung
gedacht wurde, er soll aber auch ein Ar-
teil enthalten. Von diesen Gesichtspunk-
ten aus betrachtet, ist Ihr Satz Blöd-
sinn. Diese junge Dame ist nicht Ihre
Braut, Sie sind Ihr Bräutigam!"
„Aber das kommt doch wohl auf
dasselbe hinaus, letzten Endes, meine
ich I"
Schwenker haut auf denTisch. „Äo-
ho! Sollte man's für möglich halten! Das
kommt doch wohl auf dasselbe hinaus!
Laben Sie denn gar keine Ahnung von
Grammatik? In Ihrem Satze waren Sie
Subjekt, in meinem Satze sind Sie Ob-
jekt, merken Sie nicht den Anterschied?
And letzten Endes hat er auch noch ge-
sagt! Warten Sie nur das letzte Ende
ab! Das letzte Ende ist die Abhängigkeit,
die Sklaverei, das Ende Ihres freien
Willens, die Tyrannenherrschaft der
Frau, mit einem Wort: der Pantoffel,
der überlebensgroße Pantosfel! Ich be-
daure Sie, Lerr Mühlmann, denn ich
sehe über Ihrem ahnungslosen Laupte
wie ein Damoklesschwert an einem Laare
einen scharfgeschliffenen Pantoffel von
riesigen Dimensionen hängen. Lat Ihnen
diese junge Dame nicht soeben mit dem
Landschuhe auf die Finger geschlagen?
Wahrscheinlich hat sie dabei gesagt:
„Drück doch nich so!" oder „Alter Schraub-
stock!" Lüten Sie sich! So sängt es
immer an, und dann gibt es keine Ret-
tung mehr. Aber nun zum zweiten Teil Ihres unglaublichen
Satzes! Ich hoffe, Sie werden mir jetzt solgen können. Sie
haben gesagt: ich werde sie morgen heiraten. Sind Sie ganz
sicher, daß Sie das tun werden?"
„Aber Lerr Schwenker, selbstverständlich. Morgen werde
ich den Engel heimsühren. Wir lieben uns ja so sehr!"
Schwenker bestellt einen großen Wermut und biegt dann
einen Löffel krumm.
„Lerr Mühlmann, Sie sind ein Grünspecht! Sie sind
ein romantischer Walfisch. Aber vor allem sind Sie rettungs-
los verloren, wenn Sie nicht heute noch, jetzt gleich auf
Mittel sinnen, um das drohende Anheil in letzter Minute
abzuwenden. Glauben Sie denn, irgend ein junger Mann
heiratete etwas andres als einen Engel? Alle heiraten sie
Engel. Glauben Sie denn, wenn man nicht verliebt wäre,
heiratete man überhaupt? Sie Waisenknabe! Dann würde
man ja überlegen und dann würde man nie heiraten. Sie
tun mir leid. Ich bitte Sie, ich flehe Sie an, folgen Sie
meinem Rat, lassen Sie sich nicht unterkriegen! Drehen Sie
das Rad zurück, soweit es noch geht. Ob die Frauen Engel
sind oder Teufel, Prinzessinnen oder Stallmägde, herrschen
wollen sie alle, tyrannisieren wollen sie alle uns armes,
gutmütiges Männervolk. Wir merken es immer zu spät,
und wenn wir es merken, haben wir die Schlinge schon um
den Lals und können nichts mehr machen."
„Ia, aber was könnte man denn tun, Lerr Schwenker?"
„Was Sie tun, ist egal, beißen Sie die Zähne zusam-
men, zeigen Sie ihr sofort, daß Sie es sind, der das Steuer
in die Land nehmen will, tun Sie etwas unlogisches, sind
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